Schwarzer Orpheus, von Janheinz Jahn

Schwarzer Orpheus: Untertitel: Moderne Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären, von Janheinz Jahn.  Hanser Verlag, 3. durchgesehene Auflage. München, 1959

Schwarzer Orpheus: Untertitel: Moderne Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären, von Janheinz Jahn. Hanser Verlag, 3. durchgesehene Auflage. München, 1959

Trunken von Peitsche, Urwald und Gesang sind diese Verse die Herausgeber Janheinz Jahn für die Sammlung 'Schwarzer Orpheus' ausgwählt hat, trunken vor Sehnsucht nach dem Land der Ahnen, nach Trommeln und festlichen Liedern im ,Schatten sonnengeküßter Palmen'. Wo auch das Tam-Tam ertönt, auf den Antillen, in Afrika oder Amerika, werden Quellen angeschlagen, Quellen der Erinnerung, der Liebe zum Stamm, zu der dunkelhäutigen Schwester, aber auch Quellen des Zorns.

Janheinz Jahn  

Als die ersten europäischen Seefahrer in die Bai von Guinea kamen und bei Weida Land betraten, waren die Kapitäne sehr erstaunt. Sorgfältig angelegte Straßen, auf viele Meilen ohne Unterbrechung eingefaßt von angepflanzten Bäumen; Tagereisen weit nichts als mit prächtigen Feldern bedecktes Land, Menschen in prunkenden Gewändern aus selbstgewebten Stoffen. Weiter im Süden dann, im Königreiche Kongo, eine Oberfülle von Menschen, die in Seide und Samt gekleidet waren, eine bis ins kleinste durchgeführte Ordnung großer, wohlgegliederter Staaten, machtvolle Herrscher, üppige Industrien, Kultur bis in die KnochenI Als ebendies erwies sich der Zustand in den Ländern auf der Ostseite, zum Beispiel an der Mozambiqueküsfe. Aus den Berichten der Seefahrer vom 15. bis zum 17. Jahrhundert geht ohne jeden Zweifel hervor, daß das vom Saharawüstengürtel gen Süden sich erstreckende Negerafrika damals noch in der vollen Schönheit harmonisch wohlgebildeter Kulturen blühte. Eine Blüte, die europäische Konquistadoren, soweit sie vorzudringen vermochten, zerstörten. Denn das neue Land Amerika brauchte Sklaven; Afrika bot Sklaven. Sklaven zu Hunderten, Tausenden, schiffsladungsweisel Der Menschenhandel war jedoch niemals ein leicht zu verantwortendes Geschäft. Es erforderte eine Rechtfertigung. So wurde der Begriff Fetisch als Symbol einer afrikanischen Religion erfunden. Eine europäische Fabrikmarke! Ich selbst habe in keinem Teil Afrikas die Fetischanschauung bei Negern gefunden. Die Vorstellung vom ,barbarischen Neger' ist eine Schöpfung Europas." Also schreibt Leo Frobenius, und die Wissenschaft spricht längst einmütig von „afrikanischen Hochkulturen". Die im Schutt von Benin gefundenen Bronzeplastiken ähneln im Ausdruck unserer romanischen Kunst, afrikanische Schnitzwerke zieren unsere Museen, und bis zum heutigen Tage werden immer wieder alte Gold-, Eisen-, Kupfer- und Zinnbergwerke gefunden und die modernen Mineningenieure sind verblüfft über den Spürsinn der unbekannten afrikanischen Bergleute, denen keine einzige Fehlbohrung nachzuweisen ist. Die traditionelle afrikanische Kunstdichtung, die ja keine schriftliche Überlieferung kennt, kann man nicht aus dem Schutt kratzen. Sie ist für immer versunken, und nur in den wenigen Gebieten, wo sich die bodenständigen Kulturen der völligen Zerstörung entziehen konnten, haben sich alte Dichtwerke erhalten. In Ruanda herrscht die Dynastie Banyiginya seit 1100 bis auf den heutigen Tag. Seit undenklichen Zeiten genießen die Dichter Vorrechte; ihre Familien sind nicht der Zivilgerichtsbarkeit unterworfen und zahlen keine Steuern. Wer ein Gedicht geschaffen hat, wird in die Körperschaft der Dichter aufgenommen und hat die Pflicht, seine Nachkommen dies Gedicht zu lehren, das so von Generation zu Generation mündlich aufbewahrt und von den von Dorf zu Dorf reisenden Sängern rezitiert wird. [...]

XHOSAGEBIET (SÜDAFRIKA)
Lettie Grace Nomakhosi Tayedzerhwa

AUF DEN TOD VON SAMUEL EDWARD KRUNE MQHAYI

Die Männer tanzen fröhlich
und jedermann ist heiter,
der Himmel blau und klar.
Seid still, hört zu, die Nachricht!
Der Zug kam aus dem Süden
mit einer wichtgen Meldung
für alle in Rhodesien.
Paßt auf, die Zeitung schreibt:
Der große Dichter starb,
Südafrika voll Trauer,
sein Tod ein Verlust der Nation.
Ein duftender Ocker-Ngqika,
ein reiner wahrer Streiter,
ein Xhosa mit klarem Kopf.
Er sprach mit feuriger Zunge
so süß wie Vögel singen.
Du warst ein Redner für uns,
fürwahr, du Sohn des Mqhayi.
Wir haben dich nie gesehen,
wir kennen dich durch dein Werk.

In Mbembesi streiten wir um dich,
wir fordern dich eifersüchtig für uns,
sind stolz auf dich und dein Werk.
Hier liegen die Gebeine deiner Väter,
die nordwärts reisten mit Cecil Rhodes,
die besten der afrikanischen Rasse,
lauter prächtige Streiter,
erlesne, verläßliche Xhosa.
Wir wollen nur eines von dir:
wir wünschen nur deinen Kopf
zu begraben auf dem Matopo
bei unseren heiligen Köpfen.
Kommt also mit, ihr Rhodesier,
zum Ratsplatz bei Mbembesi,
kommt in das Land der Xhosa,
um würdig zu begehen
den Tod von Afrikas Dichter.[...]

Dies ist ein Auszug aus der Lyriksammlung 'Schwarzer Orpheus', von Janheinz Jahn.

Titel: Schwarzer Orpheus
Untertitel: Moderne Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären
Herausgeber: Janheinz Jahn
Genre: Lyrik
Verlag: Hanser Verlag
3. durchgesehene Auflage. München, 1959
Originlalleineneinband, Originalschutzumschlag, 12 x 21 cm, 194 Seiten

Jahn, Janheinz im Namibiana-Buchangebot

Schwarzer Orpheus

Schwarzer Orpheus

'Schwarzer Orpheus' ist eine Lyrikanthologie moderner Dichtung afrikanischer Völker beider Hemisphären.