Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid, von Georg Brunold et al.

Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid, von Georg Brunold et al. Schmidt von Schwind Verlag, Köln 2004

Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid, von Georg Brunold et al. Schmidt von Schwind Verlag, Köln 2004

Neben Georg Brunold und Andrea König steuerten weitere Autoren Reportagen und Analysen zu dem Themenband "Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid" bei.

Die Geschwindigkeit und Zerstörungswut, mit der die Mörder zuschlugen, ließen auf eine Verirrung der Natur schließen. "Ein Volk ist wahnsinnig geworden", sagten einige Beobachter, während andere "einen neuen Ausbruch ethnischer Gewalt" zu erkennen glaubten. Die rund sieben Millionen Menschen zählende Bevölkerung Ruandas setzt sich aus drei ethnischen Gruppen zusammen. Die Twa sind zu wenige, um politisch eine Rolle zu spielen, so daß Hutu und Tutsi unmittelbar miteinander konfrontiert sind. Die zahlenmäßig weitaus größere Bevölkerung der Hutu hatte die vergangenen Zeiten, in denen sie unter der Fuchtel des Tutsi-Regimes gelebt und Gefühle von Groll und Furcht gegenüber der Minderheit angestaut hatte, nicht vergessen. Die von Hutu geführte Regierung befand sich im Krieg mit der von Tutsi dominierten Rebellengruppe Ruandische Patriotische Front (RPF). Hinzu kam, daß Ruanda, ohnehin eines der ärmsten Länder der Welt, durch Überbevölkrung und fallende Weltmarktpreise für seine Produkte immer tiefer in die Armut geriet. Dürre und Krieg hatten die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, so daß 1994 schätzungsweise 800.000 Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen waren. Doch der Völkermord war beileibe kein unkontrollierbarer Ausbruch der Wut eines von "althergebrachtem Stammeshaß" erfüllten Volkes. Genausowenig war er die vorhersehbare Folge durch Armut und Überbevölkerung entfesselter Kräfte. Der Völkermord war das Ergebnis einer bewußten Entscheidung, getroffen von einer modernen Elite, die sich durch Verbreitung von Haß und Angst den Machterhalt zu sichern suchte. Diese kleine, privilegierte Gruppe brachte zunächst die Mehrheit gegen die Minderheit auf, um der zunehmenden Opposition innerhalb Ruandas Herr zu werden. Dann jedoch, angesichts der sowohl auf dem Schlachtfeld als auch am Verhandlungstisch erzielten Erfolge der RPF, änderten die Machthaber ihre Strategie der ethnischen Diskriminierung und setzten statt dessen auf den Völkermord. Sie glaubten, ein Vernichtungsfeldzug könne die Solidarität der Hutu unter ihrer Führung wiederherstellen und ihnen dabei helfen, entweder den Krieg zu gewinnen oder zumindest ihre Chancen auf ein für sie günstiges Ergebnis der Friedensverhandlungen zu verbessern. Sie rissen die Kontrolle über den Staat an sich und bedienten sich seiner Maschinerie und seiner Autorität, um ihr Blutbad anzurichten. Ebenso wie die Organisatoren des Völkermordes waren auch die Täter keineswegs Dämonen oder Marionetten, die Kräften unterworfen waren, denen sie sich nicht entziehen konnten. Sie waren Menschen, die sich entschieden hatten, Böses zu tun. Zehntausende von Furcht, Haß oder der Hoffnung auf Profit getriebene Menschen trafen eine schnelle und leichte Wahl. Sie begannen zu töten, zu vergewaltigen, zu rauben und zu zerstören. Bis zum Schluß fielen sie immer wieder über Tutsi her - ohne Zweifel oder Reue. Viele von ihnen ließen ihre Opfer entsetzlich leiden und erfreuten sich daran. Hunderttausende andere entschlossen sich nur zögerlich zur Beteiligung am Völkermord, einige unter Zwang oder aus Angst um ihr Leben. Anders als die Eiferer, die ihre erste Wahl niemals in Frage stellten, mußten diese Menschen immer wieder neu entscheiden, ob sie sich beteiligen wollten oder nicht, standen ständig aufs neue vor der Wahl der Vorgehensweise und des Opfers und hatten abzuwägen, ob ihnen eine Beteiligung Gewinn einbringen würde oder eine Weigerung mit Kosten verbunden wäre. Daß vermeintlich legitime Behörden zu Angriffen aufhetzten oder diese anordneten, machte es den Zweifelnden leichter, Verbrechen zu begehen und dennoch zu glauben oder vorzugeben, sie hätten nichts Unrechtes getan. Die politischen Entscheidungsträger in Frankreich, Belgien und den Vereinigten Staaten wußten ebenso wie die Vereinten Nationen von den Vorbereitungen für ein gewaltiges Blutbad, unterließen jedoch die zu seiner Verhütung notwendigen Maßnahmen. Von Anfang an war ihnen bewußt, daß die Vernichtung der Tutsi geplant war, doch die führenden ausländischen Politiker wollten nicht einräumen, daß es sich um einen Völkermord handelte. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Themenband: Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid, von Georg Brunold et al.

Titel: Ruanda
Untertitel: Zehn Jahre seit dem Genozid. Reportagen und Analysen
Autoren: diverse
Genre: Politische Reportage
Schmidt von Schwind Verlag
Köln 2004
Broschur, 23 x 29 cm, 111 Seiten, zahlreiche formatfüllende Farbfotos

Brunold, Georg und König, Andrea im Namibiana-Buchangebot

Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid

Ruanda: Zehn Jahre seit dem Genozid

2004 jährte sich der Beginn des Genozids in Ruanda zum zehnten Mal. Dieses Buch zog damals eine vorläufige Bilanz.

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