Roiland der Wanderer. Geschichte eines afrikanischen Treckochsen, von Adolf Kaempffer.
Der Roman 'Roiland, der Wanderer' gehört zu den abgeklärten Alterswerken von Adolf Kaempffer, der in Deutsch-Südwestafrika als Farmersohn aufwuchs und mit dem, was er in seinen Romanen, oft aus eigenen Erinnerungen, beschrieb, bestens vertraut war.
Über dem südlichen Teil des Landes Südwest-Afrika war vor vierzehn Tagen ein starker Regen niedergegangen. Er hatte die in grauer Dürre starrende Steppe innerhalb weniger Tage in einen Blumengarten verwandelt. Wunderbare Knollen- und Zwiebelgewächse schossen aus der Erde empor und prangten jetzt wetteifernd mit den verschiedensten blauen, roten, gelben und weißen Blüten, kleinen und großen, aufrecht stehenden oder glockenförmig herabhängenden. Man hätte stundenlang durch ganze Felder von solchen stark und süß duftenden, wunderbaren Blumen reiten können - oder auch gehen, wenn den sonst so zahmen Gaul der Frühlingsrappel erfaßt hatte, daß er seinem Reiter davongelaufen war. Der schmale Saum von Bäumen an den Riviers entlang zog sich jetzt wie eine prächtige breite Schärpe von leuchtend gelber Seide so weit durch das Land, wie ihm das Auge zu folgen vermochte. Der süße Honigduft ihrer kugelrunden, kirschgroßen, sammetweichen Blüten zog über die Steppe. Trockneten diese Blüten und fielen sie ab, dann bedeckten sie die Erde wie ein gelber dichter Teppich, über den die Ziegen- und Schafherden schleckernd und naschend hinwegrannten, - weiter, o, immer nur weiter - vielleicht sind sie dort noch süßer und weicher! Manche der weiten roten Flächen waren jetzt wie mit Schnee bedeckt von den Blüten des Rabbaskrautes, die einen betäubend würzigen Duft ausströmten. Reiften die Storchschnabelsamen dieser Blüten, dann sprangen die Kapseln auf; aus jeder erhoben sich sechs zarte Federn in die Luft und trugen, zu ganzen Wolken vereint, den spitzen Samen davon. Wo sie sich zur Erde niederließen, bohrte sich die Spitze in den Sand ein, in den die daranhängende Feder, vom Wind sanft hin und her bewegt, sie hineintrieb. Gleichzeitig hatte der schöne Regen auch Tausende von großen und kleinen Lebewesen, von denen das dürre Feld vor zwei Wochen noch nichts hatte ahnen lassen, zu neuem Dasein erweckt. Da war die große Landschildkröte, von der Größe eines mäßigen Einholkorbes, da war ihre Base, die flache, tellergroße Wasserschildkröte, deren starker Moschusgeruch die ganze Umgebung des mit braunem Lehmwasser gefüllten Vleys erfüllte, da war der drei Fäuste große Ochsenfrosch, da waren die zerbrechlichen Kiemenfüßler und die jungen Wasserschildkröten, die nicht viel größer waren als ein kleines Brillenglas. Alles war ein großes Daseinsrätsel. Wo hatten diese Tierchen oder ihre Larven in den vergangenen zehn trockenen, glühend heißen Monaten ihr Leben gefristet, als der Schlamm des Vleys zu einer backsteinharten Masse eingetrocknet war? Gewiß war doch selbst in Metertiefe kein noch so bescheidener Rest von Feuchtigkeit gewesen, der die Fortsetzung ihres Daseins gewährleiset hätte. Und doch waren sie nun da; durch die in den Boden eingedrungene Feuchtigkeit waren ihre ausgedörrten Organe ähnlich wie Samenkörner aufgequollen, hatten neu zu leben begonnen; der Odem war in sie zurückgekehrt, und sie waren, dem unwiderstehlichen Drang des Lebens folgend, aus der bergenden Tiefe des in der Sonne geborstenen afrikanischen Bodens ans Licht emporgestiegen. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Roman: Roiland der Wanderer. Geschichte eines afrikanischen Treckochsen, von Adolf Kaempffer.
Titel: Roiland der Wanderer
Untertitel: Geschichte eines afrikanischen Treckochsen
Autor: Adolf Kaempffer
Verlag: Ludwig Voggenreiter Verlag
Bad Godesberg, 1950
Original-Halbleinwand, Original-Schutzumschlag, 15x21 cm, 203 Seiten
Kaempffer, Adolf im Namibiana-Buchangebot
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