Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten, von Klaus Hirsch

Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten, von Klaus Hirsch.

Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten, von Klaus Hirsch.

Herausgegeben von Klaus Hirsch: Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten. Sinologe und Missionar zwischen Europa und China.

Klaus Hirsch  

Aus "Richard Wilhelms Missionsarbeit im deutschen Pachtgebiet Kiautschou, 1899-1914", von Lydia Gerber.

Drei Aufträge begleiteten Richard Wilhelm, als er im Frühjahr 1899 als Missionar des Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins (AepMV) in das ein Jahr zuvor vom Deutschen Reich erworbene Pachtgebiet Kiautschou (Jiaozhou) aufbrach. Da war zunächst das Pfarramt für die Qingdaoer protestantische Zivilgemeinde, für das der AepMV einem Abkommen mit dem Reichsmarineamt gemäß den Pfarrer stellen würde. Zugleich erwartete der AepMV, dass Wilhelm den Statuten des Missionsvereins gemäß Mission treiben würde "unter Anknüpfung an die bereits (in China) vorhandenen Wahrheitselemente". In Fragen des Bekenntnisses war der AepMV mit der schlichten Formel "der AepMV steht auf dem Grunde des Evangeliums Jesu Christi" recht offen. Auch in seinen Methoden war er nicht festgelegt. Der Schweizer Theologe Ernst Buss, dessen Buch "Die christliche Mission, ihre principielle Bedeutung und practische Durchführung" den Anstoß zur Gründung des AepMV gegeben hatte, sah die hauptsächliche Aufgabe seiner Missionare im intellektuellen Austausch mit Vertretern der Elite des jeweiligen Gastlandes.(2) Allerdings zeigte sich in Auseinandersetzungen um Wilhelms Missionsarbeit in Qingdao und kurz darauf auch um die Arbeit in Japan, dass der Missionsverein nicht ohne weiteres auf herkömmliche Missionsarbeit in Form von Taufe und Gemeindegründung verzichten wollte. Der dritte Auftrag an Wilhelm stammte dagegen von seinem Schwiegervater Christoph Blumhardt. Blumhardt, der einige Jahre zuvor aus der württembergischen Landeskirche ausgetreten war und als Seelsorger der religiösen Gemeinschaft in Bad Boll sowie als Vertreter ausgerechnet der sozialdemokratischen Partei im dortigen Landtag auch über Württemberg hinaus für Aufsehen gesorgt hatte, war in seiner Theologie ausgesprochen antikirchlich. Die Kirche als Institution hatte für ihn etwas strukturell pharisäisches, da sie ihre Mitglieder durch das Sakrament der Taufe zu Sondermenschen erklären und vom Volksganzen abspalten würde. Für Blumhardt führte der Weg zur Erlösung der Welt durch Christus über die Überwindung kirchlicher Strukturen. So wie vor ihm Leibniz sah Blumhardt China als das Land, in dem eine Befreiungsbewegung aus den Zwängen abendländischer kirchlicher Strukturen ihren Ursprung nehmen könnte. An die Stelle herkömmlicher, auf Gemeindegründung ausgerichteter Missionsarbeit bedurfte es dazu jedoch einer Beeinflussung des Volksganzen durch den Geist Blumhardts. Und es war Richard Wilhelm, der in Blumhardts Augen dazu ausersehen war, als sein Gesandter das große Volk der Chinesen an Gemeinde und Kirchengründung, an denominationellen Scheidungen und dogmatischen Disputen vorbei "direkt in Gottes Schoß" zu führen. Blumhardt selbst fasste diesen Auftrag einem der Mitglieder des Boller Kreises zufolge kurz so: "Dass du mir ja keinen Chinesen taufst!" Im Folgenden sei dargestellt, wie sich aus diesen drei Aufträgen und den Bedingungen vor Ort Wilhelms Missionsarbeit entwickelte. Als Wilhelm im Mai 1899 in Qingdao ankam, fand er eine Stadt in den ersten Stadien des Aufbaus vor. Die wenigen deutschen Zivilisten, unter ihnen der erste Chinamissionar des AepMV, Ernst Faber, und mehrere Missionare von der Berliner Mission, lebten notdürftig in chinesischen Lehmhütten und Tempeln. Aufgrund der Baumaßnahmen waren die chinesischen Bewohner Qingdaos zwangsweise und wiederholt umgesiedelt worden. Epidemien von Dysenterie und Typhus führten zu zahlreichen Todesfällen unter Soldaten und Zivilisten, so dass sämtliche Geistliche in der Kolonie in erster Linie zu Beerdigungen herangezogen wurden. Die Ausflüge ins Umland, die Wilhelm eine erste Orientierung ermöglichten, mussten bald aufgegeben werden, da es dort wiederholt zu handgreiflichen Konflikten zwischen Deutschen und Chinesen gekommen war. Ernst Faber war über die deutlich antichinesische Haltung der Deutschen im Pachtgebiet so beunruhigt, dass er regelmäßig in Qingdaos erster Lokalzeitung, der "Deutsch-Asiatischen Warte" unter der Überschrift "Goldkörner im Sande der chinesischen Geschichte" in kurzen Vignetten Beispiele für chinesischen Heldenmut und chinesische Tugend veröffentlichte. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten, von Klaus Hirsch.

Buchtitel: Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten
Untertitel: Sinologe und Missionar zwischen Europa und China
Typ: Biographie
Herausgeber: Klaus Hirsch
IKO-Verlag
Frankfurt, 2003
ISBN 3889396895 /ISBN 3-88939-689-5
Broschur, 15x21 cm, 208 Seiten

Hirsch, Klaus im Namibiana-Buchangebot

Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten

Richard Wilhelm - Botschafter zweier Welten

Richard Wilhelm war ein deutscher Sinologe und Missionar zwischen Europa und China, damit Botschafter zweier Welten.

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