Namibias vergessene Welt. Der Brandberg, von Detlev Henschel

Namibias vergessene Welt. Der Brandberg, von Detlev Henschel. Delius Klasing Verlag; Bielefeld, 2006. ISBN 9783768817783 / ISBN 978-3-7688-1778-3

Als Detlev Henschel und sein Tourbegleiter lange vor der Tour bei vielen Treffen die Planung für die Brandberg-Besteigung machten haben, hegten sie eine geradezu kindliche Erwartung auf diese neue Erfahrung. In seinem Buch Namibias vergessene Welt berichtet der Autor, wie lange er tatsächlich brauchte, um sich auf diese neue Welt einzustellen und einzulassen

Detlev Henschel  

Der versteinerte Wasserfall und erste Leopardenspuren

[...] Ich checke den kleinen Bach im Schatten. Das Wasser fühlt sich bei dieser Umgebungstemperatur von fast 30 °C eisig an. Unsere Gesichter sind salzverkrustet. Ich kühle meine Füße und filtere vier Liter Wasser, dann lege ich mich hin und lasse nach und nach die vier Liter in meinen Mund und durch meine Kehle rinnen, um meinen Flüssigkeitshaushalt wieder ins Lot zu bringen. Der Urin muss immer klar sein, sonst trinkt man in der Wüste zu wenig. Meiner erinnert schon sehr an Dassipaste. Es fühlt sich gut an, auf dem Granitband zu liegen: Es ist glatt geschliffen wie eine Fensterscheibe, die Aussicht über das Tal ist phänomenal. Ich genieße die Aussicht und entspanne mich. Collin kommt zurück und meint: »Leopardenyard hier!« Er hat nur zehn Meter von uns entfernt hinter dem nächsten Boulder frische Spuren gefunden. Zu viert allerdings ist das kaum gefährlich, bloß beim nächtlichen Solopinkeln sollte man vorsichtig sein. Wir machen uns barfuß auf, um die Spuren zu sichten. Die beiden anderen pennen. Ich trommele Stefan wach, da das Licht gerade super ist. Er springt sofort auf und nimmt die Kamera mit. Die Spuren sind so frisch, dass Collin glaubt, wir hätten die Großkatze unmittelbar vertrieben. Unwohl fixiere ich die Klippen. Irgendwo lauert das Tier mit Sicherheit. Schöne, frische, fette Leopardenspuren direkt hinter unserem Schlaffelsen ... An einer steilen Wand hinter den Fährten erkenne ich eine wunderschöne Felsmalerei. Das dunkelrote, etwa 30 Zentimeter hohe und über einen Meter breite Bild zeigt 16 Männer, die in einer Art Kreisreihe stehen und auf vier Männer, die von rechts oben beziehungsweise direkt von rechts kommend auf die wartenden Männer zuschreiten. Die Malerei ist unglaublich gut erhalten und, wie ich annehme, noch unentdeckt, da ich mir kaum vorstellen kann, dass hier jemand gesucht haben soll. Diese Stelle heute ist recht ungewöhnlich und sehr schwer zu erreichen. Als die Zeichnung angefertigt wurde, sah das hier geländemäßig vermutlich noch anders aus. Die meisten der gut erhaltenen Bilder sind bereits in Büchern veröffentlicht, und dieses hier ist von so einzigartiger Brillanz, dass es bestimmt dort zu finden gewesen wäre. Collin meint, Männerversammlung, Original am »Versteinerten Wasserfall«, dass das Gemälde einen Thingplatz oder eine Versammlung zeigen könnte, wo mehrere Männer zu spät kommen. Oder aber es handelt sich bei den vier Einzelpersonen um Kundschafter, die aus verschiedenen Richtungen der Gruppe Informationen bringen: Wild, Gefahr, Wasser? Nachdem wir ausgiebig über diese Darstellung und deren Bedeutung diskutiert haben, suchen wir noch ein wenig, finden aber keine weitere Zeichnung in der Nähe. Wir bauen die Zelte auf, was sich extrem schwierig gestaltet, da der Boden zwar glatt ist, aber uneben. Mehr recht als schlecht stehen die drei Unterkünfte schließlich. Schlafwandeln sollte man hier besser nicht. Ich zeige auf den Abgrund: »Und tschüss!« Jonny ist wach geworden und macht Feuer. »Hunger?«, scherze ich. »Mmmmmm!«, antwortet er lachend, und Collin meint, Jonny habe immer Hunger. Wir räumen unsere Portionen raus, setzen uns um die Kochstelle und mampfen unsere Fertigmahlzeiten - Kabeljau mit Reis. Die Damaras sind sich einig, dass sie nie etwas Besseres gegessen hätten, danach Powerbar, Biltong und Nüsse mit Rosinen. Und literweise Rooibostee. Die Sonne verschwindet, und da wir 1240 Meter hoch sind und es zudem Herbst ist, wird es augenblicklich kühl. Ich sprinte zum Wasser, fülle einen Kombiwassersack und hänge ihn an einen Ast, um zu duschen. Luxus pur. Es ist eiskalt, oder zumindest fühlt es sich so an. Die Damaras wollen nicht, ihnen ist es zu kalt, Stefan ist zu müde. Später liege ich mit Collin auf dem Rücken neben dem knisternden Feuer und suche die Hänge nach Tieren ab, während er mir von sich erzählt. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Namibias vergessene Welt: Der Brandberg.

Titel: Namibias vergessene Welt
Untertitel: Der Brandberg
Autor: Detlev Henschel
Delius Klasing Verlag
Bielefeld, 2006
ISBN 9783768817783 / ISBN 978-3-7688-1778-3
Kartoneinband mit Schutzumschlag, 12x21 cm, 304 Seiten, 49 Farbfotos, 5 Abbildungen, 1 Vorsatzkarte