Mandelas schweres Erbe: Südafrika am Scheideweg, von Hans-Joachim Löwer
Hans-Joachim Löwer hat die Lebenswirklichkeit Südafrikas fernab der bunten Medienbilder gesucht und in seinem Reisebericht Mandelas schweres Erbe: Südafrika am Scheideweg, treffend beschrieben.
Die falsche Hautfarbe
Was weiß Jan van Neveling über die Apartheid? Woran denkt er, wenn das unselige Wort fällt? Jahrgang 1981, war er gerade mal 13, als diese Ära zu Ende ging. "Die Weißen machten einen großen Fehler", sagt er. "Sie haben der Sache einen ehrlichen Namen gegeben." Das "Getrenntsein" per Gesetz signalisierte den Schwarzen: Ihr bleibt, weil ihr anders seid, weg von unserem Leben, weg von unserem Wohlstand, weg von der Macht. Der junge Bure aus der Hauptstadt Pretoria hat keine Erinnerungen an die Segnungen dieses Systems. Er habe sie, so sagt er, nie am eigenen Leibe genossen. So kann er aus eigener Erfahrung auch nichts darüber berichten, wie seine Volksgruppe, die zwei Drittel der weißen Südafrikaner stellt, den öffentlichen Dienst eroberte. 1948 kam die Nationale Partei, in deren Reihen die geistigen Väter der Rassentrennungspolitik standen, an die Macht. Der Staatsapparat war bis dato überwiegend in den Händen von englischsprachigen Südafrikanern gewesen, den Nachfahren der britischen Eroberer. Nun aber vergingen keine zehn Jahre, bis der öffentliche Dienst mehrheitlich von Buren durchsetzt war. Wer Karriere machen wollte, der war gut beraten, dem Afrikaner Broederbund beizutreten. Das Netzwerk, das diese Organisation aufbaute, zog sich nahezu durch alle politischen und wirtschaftlichen Bereiche. Es war ein System von Seilschaften, das jahrzehntelang funktionierte. Sein Hauptziel war, die swart gevaar, die "schwarze Gefahr", zu bannen und dadurch das Überleben der Afrikaaner, wie die Buren sich selbst nennen, zu sichern. Jan van Neveling ist nie ein "Bruder" gewesen. Als er ins Berufsleben eintrat, hatten sich die Verhältnisse gründlich geändert. Eine neue, von Schwarzen gewählte Regierung setzte an zu einer erneuten Korrektur. Die sollte die gesamte Jobsituation, nicht nur den Beamtenapparat, sondern auch in der privaten Wirtschaft verändern. Ein Schlagwort verfolgte van Neveling vom ersten Tag seines Arbeitslebens an. Es lautet employment equity zu Deutsch "Beschäftigungsgleichheit". Ein gut klingender Begriff, der offen lässt, was sich dahinter verbirgt. Der 28-jährige Bure aber ist überzeugt: "Es ist reiner Rassismus - nur umgekehrt." Van Neveling bittet darum, den Namen der Zementfirma nicht zu nennen, in der seine Geschichte spielt. "Weiß der Himmel, welchen Strick sie mir noch drehen können", sagt er. "Ich habe wirklich keine Lust mehr dazu. Ich bin fertig mit denen, fertig für immer." Er wollte nie Topmanager werden, einer mit Anzug und Krawatte, mit Ledersesseln im Büro und Luxuslimousine in der Garage. Aber ein wenig nach oben wollte er schon, wenigstens bis in die untere oder mittlere Führungsebene. 2002 machte er neben der Arbeit ein Diplom als Marketingmanager, und irgendwann, so hoffte er, würde er schon seine Chance bekommen. Sein erstes Ziel war, Polier zu werden. Er machte vier Anläufe in seiner Firma, jedes Mal mit einer Bewerbung. Aber er blitzte vier Mal ab. "Beim ersten Mal hieß es, ich sei noch zu jung", sagt er. "Beim zweiten, dritten und vierten Mal aber war die Antwort offen und knallhart. "Jan, du hast die falsche Hautfarbe", lautete sie." - "Die wollten schlicht und einfach ihre BEE-Punkte nicht verlieren", sagt van Neveling und rührt zornig in seinem Kaffee. Fehlende Erfahrung lässt sich mit den Jahren erwerben, fehlende Qualifikation durch entsprechende Kurse. Die falsche Hautfarbe aber - die ist nie wegzukriegen. Allmählich wurde van Neveling klar, dass er als junger Weißer, und noch dazu als Mann, im neuen Südafrika keine besonders guten Karten hatte. "Tief drinnen saß ja immer noch die Hoffnung, dass sich das mal ändern würde. Aber mit jedem Tag wurde mir klarer, dass ich die Realität so sehen musste, wie sie war." (...)
Dies ist ein Auszug aus: Mandelas schweres Erbe: Südafrika am Scheideweg, von Hans-Joachim Löwer.
Titel: Mandelas schweres Erbe
Untertitel: Südafrika am Scheideweg
Autor: Hans-Joachim Löwer
Verlag: Herbig
München, 2010
ISBN 9783776626285 / ISBN 978-3-7766-2628-5
Gebunden, Schutzumschlag, 22x14 cm, 256 Seiten
Löwer, Hans-Joachim im Namibiana-Buchangebot
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