Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden, von Christine Wallner

Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden, von Christine Wallner. Orell Füssli

Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden, von Christine Wallner. Orell Füssli

Mama Alama ist die Österreicherin und Medizinerin Dr. Dr. Christine Wallner, die für die Schutzbefohlenen ihres Hilfsprojekts in Tansania, als eine weiße Heilerin gilt. Erst in ihren mittleren Jahren fand sie darüber ein anderes Leben in Afrika.

Christine Wallner  Lukas Lessing  

Tod oder Leben: Das Leben ist ein Abenteuer - wage es.

»Mama Christina! Schnell! Wir müssen sie ins Spital bringen!« Ich lasse alles stehen und liegen. Diesen Tonfall in der Stimme von Schwester Anna kenne ich nur zu gut. Normalerweise kann diese liebevolle, runde Person nichts aus der Fassung bringen. Die Tansanierin ist eine erfahrene Krankenschwester und Hebamme, die immer ruhig geblieben ist, als sie unzähligen Kindern geholfen hat, das Licht der Welt zu erblicken. Doch diesmal ist ein Beben in ihrer Stimme. Ein gequälter Unterton, der mich sofort beunruhigt. In diesem Moment weiß ich, dass alles andere warten kann. Die Patienten in dem kleinen Behandlungsraum. Die Menschen, die im Schatten des großen, über tausend Jahre alten Maulbeerfeigenbaums auf der Wiese vor dem Gebäude lagern, bis sie an der Reihe sind. Mein im Minutentakt vibrierendes Handy. Mein Hunger, den ich seit Stunden zu ignorieren versuche. Mein müder Rücken. Die beiden Handwerkertermine, die ich an diesem Tag noch vor mir habe. Die Besprechung mit der neuen Lehrerin. Mich erfasst eine eigenartige Stimmung. Ich weiß, dass es jetzt um etwas Wichtiges gehen muss. Eine solche Entscheidung ist keine Seltenheit auf diesem wundervollen Platz zwischen Kilimandscharo und Mount Meru. In dieser Krankenstation, in der Leben und Tod täglich so nahe beieinanderliegen wie selten sonst. Hier kann man über einen Sumpf am Horizont fast endlos in die Weite Afrikas schauen, bis auf den weiß blitzenden Gipfel des Kilimandscharo - und Sekunden später in die fahlen, brechenden Augen einer Patientin, die diesen stolzen Berg nie mehr sehen können wird. Ich folge der Stimme der Krankenschwester, und meine Augen erfassen das Bild einer hageren Massaifrau. Sie ist ungefähr vierzig Jahre alt, man könnte sie aber für siebzig halten. Sie hat leere, verzweifelte Augen. Die Erschöpfung ist ihr ins Gesicht geschrieben. In ihrem Arm hängt ein Kind, das sie mir zögernd hinhält, als wollte sie sagen: »Da, nimm es. Ich kann nicht mehr weiter.« Es ist wie ein Auftrag, und ich nehme ihn an. Ich werfe einen fragenden Blick in die dunklen Augen von Schwester Anna. Wird sie es schaffen? Die Schwester schüttelt traurig den Kopf. Ich sehe mir das Kind an, und die Zweifel überkommen auch mich. Soll ich es schnell in das weit entfernte Bezirkskrankenhaus zu einer Bluttransfusion bringen lassen? Angestrengt lausche ich auf meine innere Stimme: »Zu spät. Viel zu spät.« Der Bauch des Kindes ist aufgebläht, die Ärmchen sind geschwollen. Das Gesicht ist aschgrau, die Augen liegen tief und geschlossen in ihren Höhlen. Es atmet zwar - aber wie lange noch? »Das Kind wird es schaffen«, höre ich mich zu Schwester Anna sagen, »wir versuchen es.« Ich habe keine Ahnung, woher ich diese Gewissheit nehme. Ich fühle es einfach, das ist alles. Und ich kann mich täuschen. Ich nehme das Kind in meine Arme, spüre, wie leicht es ist. Bald läuft die Infusion. Ich setze mich ins Gras vor die Krankenstation. Das Kind auf meinem Arm rührt sich nicht. Die Mutter sieht mir stumm zu. Es gibt keine Zeit mehr. In mir läuft eine Endlosschleife : »Dein Wille geschehe. Dein Wille geschehe. Dein Wille geschehe...« Das passiert mir immer wieder, wenn ich mich am Ende meiner Weisheit fühle. Die Schwester nimmt dem Kind Blut ab und ermittelt einen Hämoglobinwert von 2,4. In meinem Studium habe ich gelernt, dass man bei einem solchen Wert nicht mehr lebensfähig ist. Durch das Leben habe ich erfahren, Gelerntes infrage zu stellen und Platz für eine neue Wahrheit zu machen. Im Laufe der Zeit stellte ich fest, dass vieles möglich ist, vielleicht sogar alles. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden, von Christine Wallner.

Titel: Mama Alama
Untertitel: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden
Autoren: Christine Wallner; Lukas Lessing
Verlag: Orell Füssli
Zürich Wiedikon, Schweiz 2014
ISBN 9783280055397 / ISBN 978-3-280-05539-7
Kartoneinband mit Schutzumschlag, 15 x 22 cm, 256 Seiten

Wallner, Christine und Lessing, Lukas im Namibiana-Buchangebot

Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden

Mama Alama: Die weiße Heilerin. Ich habe mein Leben in Afrika gefunden

Mama Alama: Die weiße Heilerin ist die Lebensgeschicht einer Ärztin aus Österreich, die einen neuen Entwurf für ihr Leben in Ostafrika gefunden hat.

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