Lüderitzbucht. Damals und gestern, von Walter Rusch, Edda Schoedder und Antje Otto-Reiner
Walter Rusch, Edda Schoedder und Antje Otto-Reiner haben aus Archiven, aus Sammlungen und aus Museumsbeständen einen Schatz an Fotografien, Abbildungen und Texten aus der Geschichte der Stadt Lüderitzbucht gehoben und in diesem ortsgeschichtlichen Band zusammengestellt.
Großfeuer in Lüderitzbucht (1912)
Kurz nach Mitternacht von Mittwoch (14 ds. Mts.) auf Donnerstag brach in den Hintergebäuden der hiesigen Zweigniederlassung der Firma Carl Bödiker & Co., Kommandit-Gesellschaft auf Aktien, Feuer aus, das mit großer Schnelligkeit um sich griff, und trotz aller Löschversuche in wenigen Stunden die gesamten Baulichkeiten und Warenvorräte der Firma Bödiker, sowie die angrenzenden Nebengebäude der Woermann-Linie vollständig zerstörte. Den ersten Alarm gab der wachhabende Zollaufseher, der den Feuerschein bemerkte und durch drei Schüsse die Aufmerksamkeit des Betriebsführers des Lenzkondensators auf das Feuer lenkte und ihn veranlaßte, um 12.15 Uhr mit der Dampfpfeife die Stadt zu alamieren. Mit anerkennenswerter Schnelligkeit wurde von den Angestellten der Eisenbahnbetriebsgesellschaft die Schlauchverbindung nach der Hafenstraße und von der Woermann-Linie die Schlauchverbindung nach der Moltkestraße hergestellt, sodaß die prompt eintreffenden Mannschaften und Spritzen der Freiwilligen Feuerwehr bereits an zwei Stellen Wasser vorfanden und sofort mit den Löscharbeiten beginnen konnten. Die Schlauchverbindungen wurden dann in kurzer Zeit auf fünf vermehrt; glücklicherweise versagte die Wasserzufuhr, einer der heikelsten Punkte bei der Bekämpfung hiesiger Feuersbrünste, in keinem Augenblick. Dennoch war die Lage trotz der eifrigen Anstrengungen unserer Feuerwehr und der besonders wohlorganisierten Hilfskräfte der Woermann-Linie, deren unermüdliche Krujungens speziell hervorgehoben zu werden verdienen, eine recht kritische. Es wurde bald klar, daß an eine Rettung der brennenden Gebäude, sämtlich Holz- und Eisenbauten, und der im Hofe lagernden Warenvorräte nicht gedacht werden konnte und daß die Anstrengungen der Löschmannschaften sich darauf beschränken mußten, die angrenzenden Gebäude und Vorräte zu retten, umso mehr als die in ihren Folgen kaum auszudenkende Gefahr drohte, daß das Feuer auf die viele tausend Kisten umfassende Niederlage der Vacuum Oil Co. auf dem an das Bödikersche Grundstück grenzenden Anwesen der Firma Woermann, Brock & Co. überspringen würde. Gerade als diese Gefahr am ernstesten drohte, traf ein starkes Hilfsdetachement von S.M.S. „Möwe" auf der Brandstelle ein. Unsere wackeren Blaujacken warfen sich unter der umsichtigen Leitung des Herrn Leutnants Biedermann sofort auf die bedrohte Stelle. Der die Grundstücke verbindende Zaun wurde niedergerissen, der Ölschuppen ausgeräumt und die Ölkisten außerhalb der Gefahrenzone gestapelt. Es besteht kaum ein Zweifel darüber, daß ohne das rechtzeitige Eintreffen der Mannschaften der „Möwe" und ohne ihr wohldiszipliniertes Eingreifen die gewaltigen Ölvorräte in Brand geraten wären und das ganze Hafenviertel der Stadt zerstört worden wäre. Der Vorfall erinnert an den Brand des Gebäudes der Firma Wecke & Voigts vor mehr als zwei Jahren, bei dem ebenfalls nur durch das Eingreifen der Mannschaften des „Sperber" eine Katastrophe vermieden wurde. Über die Entstehungsursache ist nichts Genaues bekannt; wie wir hören ist der Schaden durch Versicherung gedeckt. Gegen 3 Uhr morgens war man des Feuers soweit Herr geworden, daß das Hauptgebäude der Woermann-Linie, Ecke Hafen- und Bahnhofstraße, und das Lager der Firma Woermann, Brock & Co. als gerettet betrachtet werden konnten. Das Bödikersche Gebäude aber und die Warenvorräte sind fast restlos ein Raub der Flammen geworden. Die Löscharbeiten dauerten jedoch noch bis in den Vormittag hinein. Eine besondere Gefahr bildeten während des Brandes explodierende Kohlensäureflaschen und eiserne Bierfässer, von denen Sprengstücke mehrere hundert Meter weit umhergeschleudert wurden und denen die zahlreichen Zuschauer sehr respektvoll Platz machten. Wenn man die umherliegenden schweren, scharfkantigen Eisenteile betrachtet, so muß man sich wundern, daß kein Unglück geschehen ist. Außer dieser Kanonade ertönten die Explosionen der Konservenbüchsen, während platzende Bierflaschen ein ununterbrochenes Kleingewehrfeuer lieferten. Von Zeit zu Zeit stiegen hohe Feuergarben hoch in die Luft empor, weithin Funkenbüschel aussendend, die auf die Nachbardächer niederfielen. Zum Glück herrschte fast Windstille, wie das in dieser windreichen Stadt merkwürdigerweise bei Feuersbrünsten fast stets der Fall ist. Auch ist glücklicherweise kein Verlust von Menschenleben und keine Verletzung, weder unter den so rauh aus dem Schlaf geweckten Bewohnern des Bödikerhauses, noch unter den Löschmannschaften, zu beklagen, wenn auch einige der Angestellten fast nur das nackte Leben retteten. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Lüderitzbucht. Damals und gestern, von Walter Rusch, Edda Schoedder und Antje Otto-Reiner.
Buchtitel: Lüderitzbucht. Damals und gestern
Herausgeber: Edda Schoedder; Antje Otto-Reiner; Walter Rusch
Genre: Ortsgeschichte
Verlag: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft
2. Auflage, Windhoek 1998
ISBN 0949995363 / ISBN 0-949995-36-3
Original-Broschur, 22 x 30 cm, 219 Seiten, zahllose sw-Fotos und Abbildungen
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