Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinente, von Leontine Sagan und Michael Eckardt.

Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinente, von Leontine Sagan und Michael Eckardt. Jüdische Memoiren, Band 16. Hentrich & Hentrich, Berlin 2010. ISBN 9783941450127 / ISBN 978-3-941450-12-7

Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinente, von Leontine Sagan und Michael Eckardt. Jüdische Memoiren, Band 16. Hentrich & Hentrich, Berlin 2010. ISBN 9783941450127 / ISBN 978-3-941450-12-7

Licht und Schatten: Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinente, von Leontine Sagan (1889-1974) geschrieben und Michael Eckardt herausgegeben, ist die Lebensgeschichte einer faszinierenden, zielstrebigen und talentierten Frau, die ihre Erfolge ebenso wie ihre Selbstzweifel in schnörkelloser Sprache niederschrieb, ist auch ein Zeitdokument von unersetzbarem Wert.

Kinderjahre in Wien und Südafrika

In der Schule fing alles an... Meine Freundinnen waren Christinnen, und instinktiv spürte ich in ihnen eine Harmonie, die mir, der Jüdin, fehlte. Sie waren heller Natur, ich von dunkler. Antisemitismus existierte nicht in meiner Umgebung zur Zeit, da ich aufwuchs, auf »Rassenhass« kann ich mich also nicht berufen. Ich kam als zehnjähriges Mädchen mit meiner Mutter und zwei meiner Geschwister 1899 nach Südafrika. Meinen Vater lernte ich als einen Fremden kennen, denn er war in sein geliebtes Afrika zurückgekehrt, als ich kaum ein Jahr alt war. Die Erziehung von uns vier Geschwistern war meiner Mutter überlassen; wir bewunderten, liebten und fürchteten sie. Ich war die Jüngste; meine Schwester war 14 Jahre älter als ich, und zehn Jahre lagen zwischen mir und meinem zweiten Bruder. Dieser große Altersunterschied machte mich wahrlich zur Jüngsten, und die behütende, beschützende Fürsorge, die mir mehr als meinen heranwachsenden Geschwistern zuteil wurde, prägte sich mir früh als eine Ausnahme ein. Ich liebte meine Schwester Vau abgöttisch. Eigentlich war sie es, die mich erzog, als ich ein kleines Kind war, denn meine Mutter steckte stets in Geschäften, die sie zuzeiten für viele Wochen vom Hause fern hielten. Mama (die Bezeichnung »Mutter« wäre uns affektiert vorgekommen) war eine ungemein aktive, hochintelligente Frau, welche die Notwendigkeit, unseren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, tapfer auf sich genommen hatte. Sie wurde dabei stets mehr von ihrer unverwüstlichen Energie geleitet als von Geschäftskenntnissen. Nachdem mein Vater nach Südafrika zurückgekehrt war, blieb sie mit vier Kindern allein zurück. Die junge schöne Frau stürzte sich in einen Kampf, dem sie nicht gewachsen war. Soweit ich zurückdenken kann, umschatteten pekuniäre Sorgen ihr Leben. Und doch setzte sie es durch, daß wir Kinder eine gute Erziehung bekamen, daß wir ein gemütliches, gastliches Heim in Wien hatten. Man darf nicht unter sein gesellschaftliches Niveau sinken, predigte sie den erwachsenen Geschwistern: »Ihr müßt euch solchen Menschen anschließen, die geistig und materiell über euch stehen.« In ihrem Lebenserwerb konnte sie allerdings ihrem Wahlspruch nicht folgen. Umso bewunderungswerter war es, wie es ihr gelang, Geschäft und Heim auseinander zu halten. Sie war bei der Zentrale der Wiener Molkerei angestellt und ihre Tätigkeit bestand darin, die niederösterreichischen Dörfer zu besuchen, wo sie von den Bauern Milch und Butter einkaufte. Da hatte sie mancherlei zu erzählen, was nicht auf »vornehme Gesellschaft« schließen ließ. Und kam sie nach tagelanger Abwesenheit heim, wurde rasch die Abendtoilette aus dem Schrank geholt und sie ging mit meiner Schwester auf einen Ball oder ins Theater. »Die vergnügungssüchtige Emma« nannten sie ihre Brüder, und in der Neckerei lag ein klein wenig Vorwurf, denn diese überschäumende Lebenskraft war ihnen fremd. Meine Schwester war das gerade Gegenteil von Mama. Eine weiche, romantische Natur. Sie war das typische Wiener junge Mädchen. Musikalisch, lustig und melancholisch, unkompliziert, gewissenhaft in ihren Haushaltungspflichten und zu jeder Ausgelassenheit bereit. Von ihr war ich unzertrennlich. An ihrem Rockschoß hing ich, wenn sie mit ihren Freundinnen sonntags durch den Prater streifte, eng angeschmiegt schaukelten wir beide auf den Ringelspiel-Pferden des »Würschtelpraters«. Wenn die Herren Verehrer unsere Eskorte bildeten, durfte ich mir sogar die Wachsfiguren im Panoptikum anschauen (um mich los zu werden), und als gar meine geliebte Schwester und ein junger Medizinstudent sich heiß in einander verliebten, da wurde mir ins Ohr geraunt: »Katzerl, pflück' Blumen, ich kauf dir nachher Zuckerln.« Das war das Wien der Kaiserzeit, das Wien der Heiterkeit, das meiner Kindheit die ersten Eindrücke verlieh. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinente, von Leontine Sagan und Michael Eckardt.

Titel: Licht und Schatten
Untertitel: Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten
Herausgeber: Leontine Sagan, Michael Eckardt
Reihe: Jüdische Memoiren, Band 16
Verlag: Hentrich & Hentrich
Berlin, 2010
ISBN 9783941450127 / ISBN 978-3-941450-12-7
Kartoneinband, 12 x 19 cm, 360 Seiten, 3 sw-Abbildungen

Sagan, Leontine und Eckardt, Michael im Namibiana-Buchangebot

Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten

Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten

Licht und Schatten. Das Leben von Leontine Sagan (1889-1974) als Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten.