Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid, von Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen

Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid, von Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen.

Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid, von Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen.

Das gewaltgenerierende Potential kolonialer Diskurse, die im Kontext unterschiedlicher Beispiele der Kolonialgeschichte untersucht werden, ist Thema des Buches Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid. Herausgeber sind von Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen.

Mihran Dabag  Uwe-K. Ketelsen  Horst Gründer  

»Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient, nicht weil sie die zweihundert Farmer ermordet haben und gegen uns aufgestanden sind, sondern weil sie keine Hauser gebaut und keine Brunnen gegraben haben.« Mit diesem Satz, den ein keineswegs randständiger Autor eine seiner Figuren sprechen ließ, wird zeitgenössisch Stellung genommen zu dem in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika geführten Krieg gegen die Herero - ein Krieg, der (ereignisgeschichtlich gesehen) damit begann, daß am 12. Januar 1904 die Herero 123 deutsche Kolonial-Siedler ermordeten, und fürs erste damit endete, daß die deutsche Kolonialarmee am 11. August derselben Jahres die Herero (im wahrsten Sinn des Wortes) vernichtend schlug und in die wasserarme Omaheke-Steppe trieb. Der Vernichtungspolitik der deutschen »Schutztruppe« fielen circa 80 Prozent der Herero und ein Großteil der Nama zum Opfer. Der vorliegende Band fragt nach den Herausforderungen, die die Aufarbeitung dieses Ereignisses an uns stellt, und versucht eine Neugewichtung in der Betrachtung der Gewalt der europäischen Kolonialgeschichte: denn sind spezifische Formen kolonialer Gewalt möglicherweise keineswegs nur ab Ausklang des imperialen Zeitalter zu lesen? Weisen sie vielleicht sogar bereits darauf hin, daß um 1900 politische Einstellungen an Gültigkeit gewonnen haben, die jene gravierenden Norm- und Werteverschiebungen mit sich brachten welche den Ersten Weltkrieg erst ermöglichten? Welche Perspektiven sind der „kolonialem Gewalt“ an der Wende vom 19. zum 20, Jahrhunden zuzuschreiben? Die einzelnen Beiträge widmen sich konzentriert dem schwierigen Versuch, die spezifischen Formen »kolonialer Gewalt« erstmals systematisch zu analysieren. Dabei müssen die Einzelmerkmale der Ereignisse neu aufgearbeitet werden, sie müssen hinsichtlich der politischen Strategien hinterfragt und, dies ist der besondere Schwerpunk, des Randes, hinsichtlich des umfassenden Kontextes politischer Strategien, Motivationen und Diskurse eingeordnet werden. So steht im Mittelpunkt der Beiträge von Mihran Dabag, Uwe-K. Ketelsen, Alexander Honold und Michael Mann die Aufgabe, Kategorien bereitzustellen für die Analyse jener Schnittstelle, an welcher die Kolonialpolitik (Dabag) und das narrative Konzept »Kolonie« (Ketelsen) eine neue Gewichtung erfuhren, mit neuen Vorstellungen von »Raum« (Honold) und neuen Kategorien kolonialer Ordnungspolitik (Mann) gekoppelt werden.

In den sich anschließenden Einzelstudien werden dezidiert einzelne historische Ereignisse, die verwirklichten beziehungsweise diskutierten politischen Maßnahmen und ihre Akteure in einem interdisziplinären Methodenrahmen untersucht. Erörtert werden Motivationen, Strukturen sowie Legitimationsargumentationen der jeweiligen kolonialen Gewaltpolitik: die Frage nach der Rolle der Mission und Missionare in China (Gründer), die Diskurskonstruktion von kolonisatorischem Ego und kolonisiertem Alter in der Karibik (Hofmann), die Strukturen von Kolonialkrieg und »Cattle Killing« im südlichen Afrika (Marx), Diskursformen der Ausgrenzung (Brehl) und Diskursformen der Legitimation (Bonger) im Völkermord an den Herero. die Frage nach den Strukturen der Gewalt im Genozid in Ruanda (Harding). Die mit dem vorliegenden Band vorgestellte interdisziplinäre Annäherung an »koloniale Gewalt« folgt zwei Grundgedanken: zum einen war es Ziel, über Ausweitungen durch sozialgeschichtliche, diskursanalytische und strukturanalytische Perspektiven einen neuen Blick auf die europäische Kolonialpolitik eingangs des 20. Jahrhunderts zu werfen: zum anderen sollte eine allgemeine, phänomenhafte Rede über «koloniale Gewalt« vermieden werden, es sollte hingegen auf die jeweils spezifischen Eingebundenheiten kolonialer Gewaltpolitik in nationale und internationale Politik aufmerksam gemacht werden.

Die besondere Rolle, die der Diskurstheorie in diesem Zusammenhang zukommt, erklärt sich aus dem Ansatz eines Forschungsprojekts, in dessen Rahmen auch die vorliegende Publikation konzipiert wurde. Von der Beobachtung ausgehend, daß »koloniale Gewalt« in der Forschung bisher kaum systematisch differenziert worden ist (Kolonialismus und Gewalt werden zumeist in einer ebenso untrennbaren wie hinsichtlich der Ursachen-Verwirklichungszusammenhange angenommen Beziehung gedacht), wurde in dem am Institut für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführten Projekt »Sprachliche Strategien der Exklusion in politischer Gewalt: Der Herero-Nama-Aufstand 1904/09 in der zeitgenössischen deutschen Literatur, nach Exklusionsmechanismen gefragt (Mechanismen der Codierung von Eigen und Fremd und der Ausschließung des Fremden). Ein Schwerpunkt war die Analyse der Eingebundenheit dieser Mechanismen in Kontexte politischen Wissens. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid, von Mihran Dabag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen.

Buchtitel: Kolonialismus: Kolonialdiskurs und Genozid
Reihe: Genozid und Gedächtnis
Herausgeber: Mihran Dabag; Horst Gründer; Uwe-K. Ketelsen
Verlag: Wilhelm Fink Verlag
München, 2004
ISBN 978-3-7705-4070-9
Broschur, 278 Seiten, 2 sw-Farbabbildungen

Dabag, Mirhan und Gründer, Horst und Ketelsen, Uwe-K. im Namibiana-Buchangebot

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