Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein, von Joachim Zeller

Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, von Joachim Zeller. IKO-Verlag, Frankfurt, 2000. ISBN 3889395449 / ISBN 3-88939-544-9

Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, von Joachim Zeller. IKO-Verlag, Frankfurt, 2000. ISBN 3889395449 / ISBN 3-88939-544-9

Die namibische Herkunft des Autoren der Studie "Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein", Dr. Joachim Zeller, stellt den biographischen Hintergrund dar, die Kolonialdenkmäler zum Ausgangspunkt der Frage zu machen, wie sich die Kolonialgeschichte im Geschichtsbewußtsein der Deutschen niedergeschlagen hat.

Joachim Zeller  

In seinem Vorwort schreibt Dr. Joachim Zeller: [...] Derjenige, der sich mit einem solchen Forschungsgegenstand befaßt, sollte seinen eigenen Standpunkt, eventuelle Voreingenommenheiten, mithin seine bewußtseinshistorischen Implikationen offen darlegen, um sie damit diskussionsfahig zu machen, sie jedenfalls nicht stillschweigend in den Text einfließen lassen. Dies gilt im besonderen für die Kolonialgeschichte, die, wie ein Blick in die Fachliteratur zeigt, bis in unsere Gegenwart sehr kontrovers diskutiert und bewertet wird. In aller Kürze gesagt, gehöre ich zu denjenigen, die gegenüber der Kolonialzeit eine im Ganzen sehr kritisch-distanzierte Haltung einnehmen, was für die jüngere Generation, zu der ich gehöre, durchaus repräsentativ zu sein scheint. Eher vertrete ich antikolonialistische und europakritische Positionen, ohne mich deshalb als unbedingter Verfechter der sog. Dependenz-Theorie (siehe dazu im Kap. 1.8.1, S. 48 ff.) zu verstehen. Ich identifiziere mich stärker mit den ehemals kolonisierten Völkern und dem Recht auf Selbstbestimmung, als mit den eigenen Vorfahren, die auszogen, um "Schutzgebiete" in Übersee zu "erwerben". Jedoch versuche ich heute differenzierter als früher, Licht- und Schattenseiten dieser Epoche abzuwägen. Angesichts der unbestreitbar destruktiven Folgen der Situation coloniale für die kolonisierten Völker sind ja pauschalisierende Aussagen stets schnell zur Hand. Jene Auffassung scheint mir zutreffend, die die Ambivalenz des Kolonialismus herausstellt: Neben einer rassistisch motivierten Praxis der Repression und Zerstörung der traditionellen Kulturen hat es auch Ansätze zu einer aufgeklärtpragmatischen und konstruktiven Politik, d.h. einer von außen aufgezwungenen "Entwicklungsdiktatur", gegeben - bei aller aufrecht zu erhaltenden Skepsis gegenüber dem durch westliche Modelle geprägten Gehalt des Entwicklungsund Modernisierungsbegriffs. Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung der Dissertation, die ich Ende 1998 an der Technischen Universität Berlin unter dem Titel "Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine geschichtsdidaktische Untersuchung" eingereicht habe. [...]

Einleitung zu "Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein":

In Windhoek/Namibia, dem ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika", läßt immer noch ein in Bronze gegossener deutscher "Schutztruppenreiter" seinen herrscherlichen Blick über das Zentrum der Stadt gleiten; in Bremen steht ein in Klinkersteinen ausgeführter mächtiger afrikanischer Elefant, das ehemalige "Kolonial-Ehrenmal", welches 1990 zum Anti-Kolonial-Denk-Mal umgewidmet wurde; in Bad Lauterberg im Harz kündet ein Denkmal für den Kolonialoffizier Hermann v. Wißmann von den Entdeckungsreisen und "Befriedungsfeldzügen", die "Deutschlands größter Afrikaner" auf dem afrikanischen Kontinent durchführte; in Braunschweig hält ein steinerner Löwe die Erdkugel umkrallt, während die Inschrift dazu auffordert: "Gedenket unserer Kolonien und der dort gefallenen Kameraden". Dies sind vier Beispiele deutscher Kolonialdenkmäler, die den Lauf der Zeit bis heute unbeschadet überstanden haben. Die Monumente erinnern an eine Phase der deutschen Geschichte, als das Deutsche Kaiserreich von 1871 zwischen 1884 und 1914/15 im Besitz eines überseeischen Kolonialreichs war, den "Schutzgebieten"1 in Afrika, im Pazifik sowie in Ostasien. Die Kolonialzeit scheint im Geschichtsbewußtsein der Deutschen wie in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Die These bestätigt sich bezüglich der deutschen Kolonialdenkmäler: Weder die Geschichtswissenschaft, noch die Kunstgeschichte, zu deren Forschungsdomäne das Denkmal zuvor fast ausschließlich gehörte, haben bisher eine systematische Untersuchung dieser Gruppe von Denkmälern vorgelegt. Die völlig unzureichende wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Teilgebietes der Denkmal- wie der Kolonialgeschichte gaben den Anlaß dazu, sich mit diesem Themenkomplex eingehender zu beschäftigen. [...]

Fußnoten:

1 Dieser euphemistischen Begrifflichkeit für die in Übersee okkupierten Kolonialgebiete entsprach der Terminus "Schutztruppe" für die deutsche Kolonialarmee oder etwa "Schutzherrschaft". Es erübrigt sich eigentlich darauf zu verweisen, daß auch Begriffe wie "Eingeborene", "Neger" oder "Stamm" aus ihrem entstehungsgeschichtlichen Kontext im Kolonisierungsprozeß verstanden werden müssen und heute wegen ihrer abfälligen und eurozentristischen Konnotationen obsolet sind. Stattdessen wird von Afrikanern, Schwarzen, Völkern, Ethnien oder traditionellen Gemeinschaften, bzw. von Europäern. Weißen, Deutschen, Buren etc. die Rede sein. Aber auch Bezeichnungen wie "Schwarze" oder "Weiße" sind, obwohl als wertneutral akzeptiert, letztlich nur Sprachkrücken, die den komplexen sozialen und kulturellen Realitäten der Menschen nicht gerecht werden können.
2 Vgl. Gründer 1995, S. 9.

Dies ist ein Auszug aus: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, von Joachim Zeller.

Buchtitel: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein
Untertitel: Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur
Autor: Joachim Zeller
IKO-Verlag
Frankfurt, 2000
ISBN 3889395449 / ISBN 3-88939-544-9
Broschur, 15 x 21 cm, 328 Seiten, etliche sw-Fotos und Abbildungen

Zeller, Joachim im Namibiana-Buchangebot

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