Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik, von A. W. Steffan et al.

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik, von A. W. Steffan et al.; Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte (Band 4). Windhoek; Wuppertal, 2002

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik, von A. W. Steffan et al.; Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte (Band 4). Windhoek; Wuppertal, 2002

Prof. Dr. A. W. Steffan, Herausgeber dieser Schrift, und seine Mitautoren betrachten die Hintergründe und die rechtlichen Umstände der Herero-Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik Deutschland vor einem US-amerikanischen Gericht.

Hinrich R. Schneider-Waterberg  

[...] Es geht also um die Summe von vier Milliarden US-Dollar. Diese soll als Wiedergutmachung gelten für den deutschen Kolonialtruppen und deutschen Unternehmen vorgeworfene Verbrechen, die sie in den Jahren 1904-1908 an Großeltern und Urgroßeltern heute lebender Herero begangen hätten. Der hier wiedergegebene Text ist die ursprünglich eingereichte Fassung der Klageschrift, die auch eine weitere, damals im kolonialen Eisenbahnbau tätige deutsche Firma (ORENSTEIN & KOPPEL), nicht aber die Bundesrepublik, belangt. Aus undurchsichtig erscheinenden Gründen wurde die Klage gegen ORENSTEIN & KOPPEL fallen gelassen (siehe Punkte 5, 123, 124, 131, 133 und 149 der folgenden Klageschrift und die nächste Ausgabe dieser Schriftenreihe). Bislang war es nicht möglich, Kopien der neuen Fassungen der Anklageschrift zu erhalten. Die Klage wurde weder im Staat Namibia eingereicht, dessen Bürger heute die meisten Herero sind, noch in der Deutschen Bundesrepublik. Die Vertreter der Herero zogen es vor, in den USA, einem völlig unbeteiligten Land, zu klagen. Dort werden sie von der Anwaltsfirma MUSOLINO & DESSEL (Washington, D.C.) vertreten. Die Kläger sind: (l) die "Herero People’s Reparations Corporation", (2) Herero Chief Riruako: (3) Herero National Council Member Mburumba Kerina; sowie (4) weitere Mitglieder des Herero-Stammes. MUSOLENO & DESSEL verklagten auch die Regierung der USA im Namen von Bürgern des Landes Kenya, die bei dem Bombenattentat auf die amerikanische Botschaft in Nairobi im Jahr 1998 verletzt wurden. Begründung: die amerikanische Regierung „has completely ignored the horrific injuries suffered by innocent Kenyans" (Bericht von Susan Linnee in CANOE internet news vom 7. August 2000). In anderen Worten, die US-Regierung wird für mangelndes Mitgefühl verklagt, obwohl sie selbst das Opfer des Anschlags war. Und das, nachdem die USA (nach eigenen Angaben) mehr als 42 Millionen US-Dollar für erste Hilfe, medizinische und soziale Hilfsprogramme und Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen gaben. Dieser Hintergrund macht die Wahl von MUSOLINO & DESSEL durch Herrn RIRUAKO verständlich. RIRUAKO hatte eine Klage auf Wiedergutmachung durch die Bundesrepublik bereits im Jahr 1998 beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. Sie wurde nicht angenommen. Die Begründung war, daß dieser nur Klagen von und gegen Staaten annimmt, nicht aber von Personen, Gruppen, Unternehmen oder internationalen Organisationen. Für die Herero hieße das, daß in ihrem Interesse die namibische Regierung Deutschland verklagen müßte. Das ist nicht geschehen: Die namibische Regierung wird vom Stamm der Ovambo gelenkt. Diese jedoch vereinnahmten für sich - laut AFRIKA SÜD (Nr. 5, September/Oktober 2001) - die ohnehin gezahlten hohen deutschen Entwicklungsgelder, ohne daß sie die Herero beteiligten. Die meisten Bürger der Bundesrepublik und vieler anderer Staaten können sich schwer vorstellen, daß ein US-Gericht die Herero-Klagen zulassen würde. Dies ist aber geschehen. Der Fall wird von der Richterin COLLEEN KOLLAR-KOTELLI betreut, die in letzter Zeit besonders durch ihre Leitung des Antitrust-Verfahrens gegen den Software-Giganten MICROSFT CORPORATION bekannt wurde. Die Richterin ist nicht unumstritten, da ihr Ehemann als Rechtsanwalt die Firma COREL vertrat, einen der härtesten Konkurrenten von MICROSOFT (‚heise online’, 27.08.2001). KOLLAR-KOTELLI erregte auch Aufmerksamkeit, als sie vor zwei Jahren die Regierung des Iran verurteilte, 355 Millionen Dollar an die Familie eines amerikanischen Marineoffiziers zu zahlen. Begründung: Der Mann war auf einer Friedensmission der Vereinten Nationen im Libanon, wo er von der "Iranian Client Organization" Hezbollah entführt und ermordet wurde. Laut einem Bericht des SADOCC (Southern Afrika Dokumentation and Kooperation Centre) vom 6. Juni 2002, haben die beiden deutschen Firmen beim Superior Court of the District of Columbia die Annullierung des Prozesses beantragt, während die Bundesregierung amerikanischen Rechtsanwälten das Recht abstreitet, sie vor ein amerikanisches Gericht zu ziehen. Viele Punkte der Klageschrift, die mit deutscher Übersetzung in diesem Heft erscheint, sind besonders erstaunlich. Ihre Oberflächlichkeit ist frappierend. Viele basieren auf einem „Blaubuch“ (Blue Book) der britischen Regierung, das zur Rechtfertigung der Annexion Deutsch-Südwest-Afrikas (mit seinem Diamantenreichtum) verfertigt wurde. Dieses Werk der Kriegspropaganda des ersten Weltkriegs wurde später von der südafrikanischen Regierung (die die ehemalige deutsche Kolonie verwaltete) wegen seiner Unglaubwürdigkeit eingezogen. Andererseits wird deshalb der südafrikanischen Regierung unterstellt, daß sie damit eine Schrift, die gegen Weiße verwendet werden konnte, ausschalten wollte. Kopien des, Blaubuchs’ haben kaum überlebt, und das einzige Exemplar in der namibischen Nationalbibliothek zu Windhuk ist kürzlich verschwunden. [...]

Dies ist ein Auszug aus der Schrift: Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik, von A. W. Steffan et al.

Titel: Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik
Untertitel: Klage der Herero im ehemaligen DSW - ein internationaler Präzedenzfall
Herausgeber: Prof. Dr. A. W. Steffan
Autoren: August. W. Epple; A. W. Steffan; Manfred Hinz; Michael N. Weiskopf; Hinrich R. Schneider-Waterberg; Christian Wittwer; Werner Haupt; Jean-Paul Pretorius
Reihe: Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte (Band 4)
Windhoek; Wuppertal, 2002
Broschur, 16x23 cm, 111 Seiten

Steffan, A. Wilhelm und Schneider-Waterberg, Hinrich R. im Namibiana-Buchangebot

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik

Klage wegen Völkermordes gegen die Bundesrepublik: Aus der Schriftenreihe 'Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte'. Band 4. Wiedergabe der Herero-Klageschrift mit deutscher Übersetzung.

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