In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers, von Artur Heye

In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers, von Artur Heye. Wilde Lebensfahrt, Band 1. Albert Müller Verlag, Rüschlikon-Zürich, 1961

In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers, von Artur Heye. Wilde Lebensfahrt, Band 1. Albert Müller Verlag, Rüschlikon-Zürich, 1961

Das erste Kapitel aus Artur Heyes Reiseeinnerungen "In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers" ist seine schwere Kindheit und Jugend beschrieben und der Auftakt zu einem Leben als Weltenwanderer: Das erste Ausreißen von zu Hause in Leipzig im Jahr 1899.

Artur Heye  

Je weniger ich über meine Kindheit sage, desto besser ist es für den Leser wie für den Erzähler. Sie war zu sehr erfüllt von Armseligem, Abstoßendem und Niederdrückendem, diese Kindheit. So will ich mich begnügen, zu erwähnen, daß ich im Jahr 1885 in einer deutschen Großstadt geboren wurde. Meine Mutter war eine Deutsche und von Beruf Dienstmädchen, mein Vater ein junger Schotte, der an der Universität meiner Heimatstadt studierte. Seine Eltern waren wohlhabende, aber nicht wohlgesinnte Leute; ein ausländisches Dienstmädchen wollten sie nicht zur Schwiegertochter haben, und so warfen sie meinen Vater, als er mit der Eröffnung ankam, daß er meine Mutter zu heiraten gedächte, einfach hinaus. Er ging darauf stracks nach Südafrika, wo damals gerade große Diamantenfunde gemacht worden waren, um dort zu eigenem Vermögen zu kommen. Er ist nicht dazu gekommen, sondern bei den damaligen Kämpfen zwischen den Zulus und den Buren zu einem frühen Tod. Und zwar fand er den merkwürdigerweise auf Seiten der Zulus; wie so viele der von den Buren nicht gerade freundlich behandelten «Uitlanders» hatte er gegen sie Partei ergriffen. Ich habe meinen Vater nie gesehen. Meine Großmutter, in deren kleinem Häuschen meine Mutter vor und nach meiner Geburt wohnte, hat mir oft gezeigt, wie tief sich mein Vater jedesmal bücken mußte, wenn er dort zur Tür hereinwollte. Er muß demnach mehr als ein Meter neunzig groß gewesen sein. Auch hat meine Großmutter mir immer gesagt, ich würde bestimmt ebenso lang werden wie er, denn ich gliche ihm in vielerlei Weise, in der Farbe der Augen, in der Form von Händen, Füßen und Kopf und vor allem in dem ungeheuren blonden Haarschopf, der mir darauf wuchs. Die alte Frau hat nicht ganz recht behalten, denn ich bin nur ein Meter dreiundachtzig groß geworden, und der blonde Schopf hat sich bald in einen braunen und inzwischen schon in einen recht silbrigen verwandelt. Da ich weder meinen Vater, noch seine Familie jemals kennen gelernt habe, kann ich nicht sagen, ob der stark abenteuerliche Zug in meinem Charakter von dieser Seite herrührt. Indessen weist die Familie meiner Mutter außer einem einzelnen schwarzen Schaf, allerdings einem von tiefer Schwärze, einem Urgroßonkel, der einstmals als Seeräuber in Amsterdam auf öffentlichem Markt gehenkt worden ist, nur ehrenfeste und habliche Kleinbürgergestalten auf. Als ich drei Jahre alt war, starb meine Großmutter. Ein Jahr darauf heiratete meine Mutter einen Zimmermann, und von diesem Ereignis an datieren meine eigenen Erinnerungen. Mein Stiefvater war die Ursache, daß ich von diesen Erinnerungen nicht viel sprechen mag; er hat nicht nur mir, sondern, was mich viel stärker traf, auch meiner Mutter durch seine Brutalität das Leben zur Hölle gemacht. Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse waren bald so schlecht wie sie nur sein konnten; soweit ich in die Vergangenheit zurückschauen kann, sehe ich meine kranke und immer kränker werdende Mutter von Dampfwolken umhüllt in den Waschküchen anderer Leute stehen und mich selbst in morgenstillen Straßen Zeitungen austragen, an schulfreien Nachmittagen einen mit Brotlaiben beladenen Leiterwagen durch die Vororte ziehen und ein paar Jahre darauf fast allabendlich in einer Wirtschaft bis spät nachts Kegel aufstellen. Nun scheine ich aber neben einigem andern auch eine gewisse Wildheit und Unbändigkeit von meinem rechten Vater geerbt zu haben, denn ich muß leider berichten, daß ich mich, da ich ein ausnehmend kräftiger Bursche war, schon von meinem zwölften Jahr an schützend zwischen die Fäuste jenes Mannes, der sich mein Stiefvater nannte, und den Körper meiner Mutter stellte, wobei ich sehr bald Gleiches mit Gleichem vergalt und ebenso wild auf ihn einschlug wie er auf sie und mich. [...]

Dies ist ein Auszug aus den Erinnerungen: In Freiheit dressiert: Jugendjahre eines Abenteurers, von Artur Heye.

Titel: In Freiheit dressiert
Untertitel: Jugendjahre eines Abenteurers
Autor: Artur Heye
Genre: Reisebericht
Reihe: Wilde Lebensfahrt, Band 1
Verlag: Albert Müller Verlag
Rüschlikon-Zürich, 1961
Originale englische Broschur, 13 x 20 cm, 176 Seiten

Heye, Artur im Namibiana-Buchangebot

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