Im Schatten des Kameldornbaums, von Carola Bethge

Im Schatten des Kameldornbaums, von Carola Bethge. Ihleo Verlag. Husum, 2019. ISBN 9783966660020 / ISBN 978-3-96666-002-0

Im Schatten des Kameldornbaums, von Carola Bethge. Ihleo Verlag. Husum, 2019. ISBN 9783966660020 / ISBN 978-3-96666-002-0

Das Kapitel "Kanonendonner" gibt den Auftakt zur 2019 im Ihleo Verlag erschienen Biografie und Familiengeschichte 'Im Schatten des Kameldornbaums' der in Windhoek geborenen Autorin Carola Bethge.

Carola Bethge  

"Du bist mit Kanonendonner auf die Welt gekommen", hat meine Mutter immer gern gesagt. Nun bin ich weder adelig, noch handelte es sich um Freudenschüsse. Als ich 1959 in Windhoek geboren wurde, hieß Namibia noch Südwestafrika und war Mandatsgebiet der Südafrikanischen Union, mit fast allen dazugehörigen Gesetzen der Apartheid. Es gab Unruhen auf der Old Location, der sogenannten Alten Werft, einem schwarzen Ghetto im Zentrum der Stadt. Die Bewohner des Bezirks wehrten sich gegen ihre Zwangsumsiedlung, weit weg an den äußersten Stadtrand im Norden, wo ein Viertel entstand, das sie fortan Katutura nannten: „Ort, an dem wir nicht sein wollen". Am 10. Dezember beendete die Polizei den Aufstand; elf Menschen wurden erschossen, weitere vierundvierzig verletzt. Der Tag ging als Old Location uprising in die Geschichte Namibias ein, ist heute Tag der Menschenrechte und nationaler Feiertag. Eine Revolution in Hörweite, und doch schien es, als hätte sie nichts mit mir zu tun. Die von den Südafrikanern schöngeredete Politik der getrennten Entwicklung hatte längst zwei Welten geschaffen, die gar nicht getrennter hätten sein können. Reine Glückssache, dass ich auf der Seite geboren wurde, für die das System nur die Annehmlichkeiten bereithielt. Nicht mehr als etwa tausend Meter Luftlinie trennten die Alte Werft von der Storchstraße 13 mit dem auf einer Anhöhe gelegenen Elisabeth-Haus, wo meine Mutter mit mir in den Wehen lag. Gleich um die Ecke das Komponistenviertel der Stadt: Zufall oder Fingerzeig? Seit 1908 war das Elisabeth-Haus die Geburtsklinik für Weiße, benannt nach Herzogin Elisabeth von Mecklenburg, der Gattin des damaligen Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft. Gegründet wurde es, so die patriotische Formulierung in der Baugeschichte, „um den Fortbestand des deutschen Stammes im entlegenen Afrika sicherzustellen". Ein auffälliger, rosafarbener Kolonialbau im Südwester Jugendstil, mit einem weithin sichtbaren metallenen Storch, hoch oben auf dem Mittelturm, der dem Haus den Spitznamen Storchennest einbrachte. Man erzählt sich, dass in früheren Zeiten von hier aus Brieftauben mit rosa oder blauen Bändchen zu den entlegenen Farmen geschickt wurden, um die Meldung von der Geburt eines Kindes zu überbringen. Rosa für ein Mädchen, blau für einen Jungen. Nachdem 1981 das letzte Kind mit der Nummer 16.669 entbunden worden war, wurde das Haus zunächst Sitz der Akademie der Künste, dann Teil der Fachhochschule Polytechnic of Namibia und gehört inzwischen zur University of Science and Technology. Allen Veränderungen zum Trotz steht auch heute noch der alte Storch als Wahrzeichen auf seinem Turm. In der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember wurde ich für das Jahr 1959 als Kind mit der Nummer 890 registriert. Geslag: Vroulik, Ras: Blanke. So lautet der Eintrag auf meiner Urkunde. Geschlecht: Weiblich, Rasse: Weiß. Steile Handschrift, schwarze Tinte, Afrikaans. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Im Schatten des Kameldornbaums, von Carola Bethge.

Titel: Im Schatten des Kameldornbaums
Autorin: Carola Bethge
Genre: Biographie
Verlag: Ihleo Verlag
Husum, 2019
ISBN 9783966660020 / ISBN 978-3-96666-002-0
Kartoneinband mit Schutzumschlag, 13 x 21 cm, 304 Seiten, einige sw-Abbildungen

Bethge, Carola im Namibiana-Buchangebot

Im Schatten des Kameldornbaums

Im Schatten des Kameldornbaums

Die Biografie 'Im Schatten des Kameldornbaums' beschreibt die Geschichte dreier Generationen in Deutschland, Südwestafrika und dem späteren Namibia.