Im letzten Westen. Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska, von Artur Heye
Dieser Auszug aus dem 10. Kapitel des Reiseberichtes "Im letzten Westen. Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska" handelt von einem Beeren- und Bärenparadies, hohem Besuch und darauffolgendemr Krach, einem bedrohlichen Tag, schönen Natureindrücken und Krankheit und Einsamkeit.
[...] Unterdessen hatte sich unser Sommer zum Ende gerüstet. Aufprunkend noch einmal vor dem Verlöschen in langer dunkler Winternacht erglühten die Wälder in einem Farbenspiel, von dem vielleicht der Pinsel eines grossen Malers, keinesfalls aber das beschreibende Wort einen Eindruck geben kann. Unter den feuerüberströmten Wipfeln der Laubbäume und den dunkel ernsten Zackenkronen der Nadelhölzer leuchtete auch der Boden des Waldes blau und violett und karmesinrot auf von Heidel-, Preisel-, Moos- und Himbeeren, und an den dichtverwachsenen Ufern des Flusses, der kleinen Bäche und Lagunen glühte und funkelte es, als ob Kaskaden von Rubinen darüberschäumten: Unendliche Mengen von haselnussgrossen Beeren der anderthalbmannshohen «Highbush Cranberry». Es war höchste Zeit, ans Sammeln zu gehen; deshalb hatten wir auch mit dem Bau der Brunnenstube so gehetzt; denn hier war die Beerenernte ein Wettkampf und Wettlauf mit den Bären. Es wimmelte jetzt von Petzen; alle Pfade waren von ihren Pranken zertreten und mit Haufen ihrer rötlichen Losung bepflastert; in jedem Gebüsch rauschte es und brach es beim Näherkommen mit Krachen davon, und wenn man beim Pflücken still im Highbush-Dickicht stand und kein Wind die menschliche Anwesenheit verriet, konnte man die Kerle oft nur ein paar Schritt entfernt im Gebüsch schmatzen und schlecken hören. Manchmal entdeckten wir erst abends, wenn es schon zu spät war, oder wenn gerade ein Regen einsetzte, ein besonders üppigbestandenes Beerenfleckchen; aber wir konnten danach so früh wiederkommen, wie wir wollten, es war stets schon von Blackies ausfindig gemacht und abgeerntet worden, wobei sie immer ein gut Teil der schönen Beeren zertraten. Die schwarzen Kerle hatten wegen ihrer Drolligkeit bei meiner Frau stets einen grossen Stein im Brett gehabt. Eines schönen, sonnigen Spätnachmittags aber hörte ich sie weit entfernt im Walde rufen, und auf mein antwortendes Hallo kam sie mit einem leeren und einem halbvollen Eimer und der Röte sittlicher Entrüstung im Gesicht zu mir, um halbweinend zu berichten, dass ihr solch ein unverschämtes Bärenvieh einen ganzen Eimer mit Himbeeren ausgefressen habe. Sie hätte den ganzen Nachmittag daran gepflückt und den vollen Eimer zwischen zwei Felsblöcken gut versteckt; es seien die schönsten, reifsten Himbeeren gewesen, die sie je gefunden habe. «Eben deswegen», sagte ich. «Wenn's mindere gewesen wären, hätten sie dir höchstens einen Haufen draufgemacht, wie mir vorgestern auf meine Heidelbeeren da drüben im Moos. Na, tröste dich, du findest wieder andere, und dein leerer Eimer kommt mir gerade recht für meine Preiselbeeren. Ich denke, wir gehen nun heim und machen auf deine grosse Enttäuschung und das schöne Wetter hin heute eine Stunde früher Feierabend.» Tom war an jenem Nachmittag nicht mit Beeren sammeln, sondern mit seiner Schrotflinte, den drei schwarzen Hunden und einem nur halbverständlichen Geknurr über einen Platz, wo es Wildgänse gäbe, losgegangen. Ich war der letzte gewesen, der das Haus verliess, und hatte natürlich die Türe hinter mir eingeklinkt. Jetzt stand die Tür offen! Tom konnte noch nicht zurück sein; sonst wäre Jew sofort zu mir herangekommen; ein Fremder kam ebenfalls nicht in Frage; denn dann hätten die Hunde ringsum einen Krach erhoben, der drei Meilen weit hörbar gewesen wäre. Dasselbe wäre der Fall gewesen, wenn etwa ein besonders frecher Blacky die Abwesenheit von Menschen und freilaufenden Hunden zu einem Einbruch benutzt hätte. Im Vorraum fanden wir ein paar Scheiter Holz heruntergerissen, was allerdings für einen Bären sprach; denn kein anderes Tier ist so ungeschickt. In Küche und Stube sah es erst recht «bärenhaft» aus. Eine halbe Speckseite, ein Gericht Karotten, sämtliches Brot, ein Rest Jam, ein Rest Butter, ein paar Strips und sonstige kleine Essvorräte waren verschwunden. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Reisebericht: Im letzten Westen. Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska, von Artur Heye.
Titel: Im letzten Westen
Untertitel: Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska
Autor: Artur Heye
Genre: Reisebericht
Verlag: Albert Müller Verlag
5. Auflage. Rüschlikon-Zürich, 1939
Original-Leineneinband, Original-Schutzumschlag, 16 x 23 cm, 304 Seiten, 32 Kunstdrucktafeln, 1 Karte
Heye, Artur im Namibiana-Buchangebot
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