Hendrik Witbooi. Freiheitskampf in Südwestafrika, von Martin Selber

Hendrik Witbooi. Freiheitskampf in Südwestafrika, von Martin Selber. Reihe: rororo Rotfuchs, Rowohlt-Taschenbuch Verlag. Reinbek bei Hamburg, 1979. ISBN 3499202158 / ISBN 3-499-20215-8
Hendrik Witbooi. Geschichte eines Freiheitskampfes in Südwestafrika als Jugendroman von Martin Selber.
Hohn für Gerechtigkeit
Das hatte sich im Jahre 1842 zugetragen. Hendrik Witbooi wuchs auf, lernte alles, was ein Hirt in jenen Ländern wissen mußte, und er verstand bald sogar leidlich zu lesen und zu schreiben; denn sein Wissensdurst blieb ihm treu. Was sich im weiteren Verlauf seiner Kindheit und Jugend ereignete, wissen wir nicht. Erst um das Jahr 1862 trat er wieder heraus aus dem Alltag des Krals. Die Witboois saßen um diese Zeit nahe der Missionsstation Gibeon. Das Jagdwild war allmählich im Lande spärlicher geworden, die Wanderviehzucht wenig ertragreich, so daß vielfach Hunger herrschte. Manche Kapitäne hatten deshalb aufmerksam die Felder der von Europäern angelegten Ortschaften studiert. Dort wuchsen vortreffliche Nahrungsmittel. Der Boden, sorgfältig bearbeitet und bewässert, brachte reiche Ernten an Mais, Weizen und etlichen Gemüsearten. Mensch und Vieh fanden dort ihr Auskommen. Also war Moses Witbooi mit seinen Leuten, Rindern und aller Habe nach Gibeon gezogen, und man hatte gelernt, seßhaft zu werden. Besonders Hendrik Witbooi begriff bald, welche Vorteile das Wissen und die Erfahrungen der Europäer den Einwohnern des Landes verschaffen konnten. Wer Ackerbau trieb, vermochte sich gegenüber der kargen Natur besser zu behaupten. Den Witboois blieben allerdings auch böse Erfahrungen nicht erspart. Farbige, die auf den Feldern der Weißen arbeiteten, wurden zumeist schamlos ausgebeutet, gewissenlose Händler betrogen sie nach Herzenslust, außerdem verfielen die Khoi-Khoi leider nur zu leicht dem Branntwein. Die Europäer nutzten die gefährliche Wirkung des Getränks, die Afrikaner willenlos zu machen, und brachten dabei immer mehr gutes Land und Vieh an sich. Hendrik Witbooi erkannte das Verderbliche dieser Entwicklung. Eines Tages würden die Weißen das Ubergewicht in Südwestafrika gewinnen und diejenigen, denen das Land rechtmäßig gehörte, nach Willkür und Laune behandeln. Also mußten die Afrikaner lernen, sich gegen diese Absichten zu wehren. Der einzelne Stamm würde die verderbliche Woge nicht aufhalten können. Hendrik Witbooi begann davon zu träumen, die Stämme des Landes zu vereinen, um den Europäern machtvoll darlegen zu können, daß sie hier nur Gäste waren und sich auch als Gäste zu verhalten hatten. Freundschaftliches Nebeneinander mit gleichem Recht und christlicher Achtung, das sollten die Weißen von den Afrikanern lernen. Hendrik Witbooi hatte um diese Zeit längst eine eigene Familie gegründet, er beackerte ein Stück Land und zog sich eine stattliche Rinderherde heran, die sein ganzer Stolz wurde. Wenn es seine Zeit gestattete, ritt er zur Jagd, schaute unterwegs auch immer bei den anderen Stämmen vorbei, in Berseba und Bethanien, dann und wann sogar bei Sippen des nördlich wohnenden Hererovolks, deren Ansiedlungen Werften genannt wurden. Dort um Freundschaft zu werben war besonders schwierig. Die Herero besaßen reiche Herden, und sie blickten verächtlich auf ihre armen Nachbarn, die sich kümmerlich von Erdfrüchten ernährten, den Schnaps liebten und den Weißen am Rocksaum hingen. Eines frühen Nachmittags kam Moses Witbooi, der Vater, mit einer Schar Männer von einem Streifzug zurück. Sie trieben zwischen sich eine stattliche Zahl breithörniger Rinder: Hererovieh. Im Kral liefen die Leute zusammen, bestaunten die kräftigen, gesunden Tiere. Moses Witbooi, eine blutige Schmarre auf der Stirn, zeigte sich lachend im neuen Besitzerstolz. «Woher ist das Vieh, Vater?» fragte Hendrik Witbooi ahnungsvoll. «Es gab einen Streit mit den Herero», erwiderte Moses. «Wir blieben Sieger und nahmen die Beute.» «Also geraubt.» «Rechtmäßige Beute!» schrie der Alte. «Wir brauchen Vieh. Wir sind zahlreich, und unser Besitz wird ständig geringer.» «Weil deine Männer ihre Rinder gegen Branntwein an die Händler verschachern», entgegnete Hendrik Witbooi. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Hendrik Witbooi. Freiheitskampf in Südwestafrika, von Martin Selber.
Titel: Hendrik Witbooi
Untertitel: Ein Leben für Süwestafrika
Autor: Martin Selber
Illustrationen: Dagmar Schintowsky (1939-1997)
Reihe: rororo Rotfuchs
Verlag: Rowohlt-Taschenbuch Verlag
Reinbek bei Hamburg, 1979
ISBN 3499202158 / ISBN 3-499-20215-8
Originalbroschur, 12 x 19 cm, 123 Seiten, Federzeichnungen
Selber, Martin im Namibiana-Buchangebot
Hendrik Witbooi. Freiheitskampf in Südwestafrika
DDR-Schriftsteller Martin Selber (1924-2006) hat in diesem Jugendroman den Freiheitskampf des Hendrik Witbooi in Südwestafrika aufbereitet.