Heimat Namibia. Ein Lesebuch, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Tilla Kellner

Heimat Namibia. Ein Lesebuch, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Tilla Kellner.

Heimat Namibia. Ein Lesebuch, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Tilla Kellner.

Heimat Namibia ist die Neuauflage des beliebten Kinderschulbuches Heimat Südwest - Ein Lesebuch für Südwestafrika aus dem Schroedel-Verlag von 1969. Die Inhalte wurden von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Tilla Kellner ausgewählt und herausgegeben.

Tilla Kellner: Ein Bad in der Wüste: Schon am Anfang der Woche erhob sich ein großer Streit, wo es zum langen Wochenende hingehen sollte. Der eine wollte im Meer baden und somit nach Swakopmund. Der andere wollte auf die Farm fahren und reiten. Der dritte wollte in die Namib reisen und Steine suchen, der vierte dahin und der fünfte dorthin. Als Vater es satt hatte, stand er auf und entschied: „Wir fahren in die Namib und nehmen dort ein Bad!" Antje und Hans Dieter, die beiden Großen, lachten schallend los. Die Zwillinge Uli und Thomas, die gerade erst zur Schule gekommen waren, stießen sich nur heimlich mit den Ellenbogen an. Diesmal wollten sie sich nicht wieder wie so oft vom Vater einen dicken Bären aufbinden lassen. Sogar Mutter schaute ein wenig unsicher drein. „Ich werde auf alle Fälle meine Badehose mitnehmen, und ich rate euch allen, das auch zu tun", bemerkte Vater ruhig. Und ein klein wenig schmunzelte er dabei. Antje und Hans Dieter hatten in der Schule schon etwas von Sesriem gehört. Sie tuschelten zu Hause leise darüber. Aber die Kleinen konnten sich darunter rein gar nichts vorstellen. Das lange Wochenende rückte heran. Das Auto wurde schon am Tag zuvor gepackt: Bettzeug, Lebensmittel, Wassertank und Reservebenzin. Auf Reisen in Südwestafrika darf man nichts vergessen; denn im Busch ist man vollkom men auf sich allein gestellt. Alle nahmen Badezeug mit, wenn auch keiner genau wußte, wofür man es brauchen würde. Nach einigen Stunden Fahrt kamen sie am Farmhaus Sesriem an. Gleich hinter der Farm beginnt das Diamantensperrgebiet, und wehe dem, der sich ohne Erlaubnisschein hineinbegibt. Er muß mit hohen Strafen rechnen. In Sesriem wurde der Wasservorrat ergänzt, dann ging es weiter. Keine 10 Minuten später hielt das Auto. „Alle Mann von Bord!" rief Vater. Im Nu waren alle draußen, gespannt, was kommen würde. Aber von Wasser war weit und breit nichts zu sehen. Wirklich nicht! Am Horizont konnte man deutlich die Dünen am Sossusvlei erkennen. Es sollen die höchsten der Welt sein. Aber sonst war nur unendliche Wüste kein Baum, kein Strauch, nur wenig silbriges Gras, das in der Sonne glänzte. Vater ging zielbewußt ein paar Schritte weiter und blieb stehen. Jetzt sahen auch die anderen im gleißenden Sonnenlicht einen Spalt in der Erde, der sich zur Namib hin immer mehr verbreiterte und der der Anfang eines Canyons zu sein schien. Die Kinder staunten, selbst Mutter war überrascht.

„Seid vorsichtig, daß ihr nicht in die Tiefe fallt", warnte sie. Je weiter sie gin gen, um so deutlicher sahen sie, wie tief und zerklüftet die Schlucht war, die sich da vor ihnen auftat. An einer Stelle warf Vater einen Stein in die Tiefe. Ein paar Sekunden lang war Totenstille. Dann hörte man ganz deutlich unten ein Aufplatschen. „Wasser, Wasser!" jubelten die Zwillinge. Da tönte Vaters Stimme: „Alle Mann wieder an Bord! Jetzt geht es in die Tiefe!" „Doch nicht mit dem Auto!" rief Mutter erschrocken. Vater strahlte: „Gleich werdet ihr die Sensation des Tages erleben! Wartet nur ab!" Das Auto rumpelte auf die andere Seite des Riviers, das zum Canyon führte. Ein paar Meilen ging es in Richtung Namib. Dann bog die Pad nach links ab. Eine alte Tonne war dort als Wegmarkierung aufgestellt. Ganz gemächlich zuckelte das Auto eine sanfte Böschung hinab. Unten wurde die Lage erst einmal gepeilt. Man war am Ende des Canyons, da, wo er sich breit zur Namib hin öffnete.

„Hier werden wir heute nacht schlafen", entschied Vater. „Zieht jetzt eure Badesachen an. Ohne Fleiß kein Preis. Erst heißt es marschieren, dann be kommt ihr zur Belohnung das Bad in der Wüste." Kurz darauf war die kleine Expedition gerüstet. Alle hatten Hüte auf und Sandalen an den Füßen. Zum Barfußlaufen war der Sand zu heiß. Über dem Badeanzug trugen sie Hemden und Blusen, um nicht mit einem Sonnenbrand nach Hause zu kommen. Noch ein Schluck aus der Wasserflasche, dann war alles bereit. Eine ganze Stunde lang ging es canyonaufwärts, über Steine, Sand und Geröll. Die Hitze war fast unerträglich. Kein kühlender Lufthauch regte sich. Ab und zu flog ein Vogel auf, huschte eine Eidechse über den Weg. Schon lange sprach keiner mehr ein Wort. Immer enger wurde die Schlucht, immer steiler die Felswände zu beiden Seiten. Wind und Regen hatten die Felsen geformt, bizarr und zer klüftet ragten sie in den stahlblauen Himmel. Nach einer guten halben Stunde wurden die Wände zu beiden Seiten so steil und eng, daß man nur noch einen schmalen Streifen Himmel sehen konnte.

"Jetzt sind wir sechs Ochsenriemen tief in der Erde", sagte Vater. „Danach hat der Canyon seinen Namen bekommen." Es ging sich herrlich hier unten im Schatten, wenn man auch manchmal über Felsen und Steine klettern mußte, um weiter zu kommen. Das Ende der Schlucht schien fast erreicht, als sie plötzlich das versprochene Wasser vor sich sahen. Allerlei Wildspuren führten bis zu seinem Rand. Die Felswände hatten sich so verengt, daß das Wasser beinahe im Dunkeln lag. Es sah unheimlich aus. Und als gar noch eine tote Schlange am Ufer lag, standen den Zwillingen förmlich die Haare zu Berge. Nein, da hinein würden sie keinen Fuß setzen! Ein großer Vogel flog kreischend auf. Da war es um ihre Fassung geschehen. Entsetzt rannten sie zur Mutter. Die aber hatte schon Hut, Sandalen und Sonnenbrille auf einem schattigen Plätzchen verstaut und schickte sich an, ins Was ser zu gehen. Vater war mit den beiden Großen schon ein Stück ins kühle Naß hineinge watet. Bald war es für sie tief genug zum Schwimmen. In der hohlen Schlucht klang ihr Rufen und Schreien seltsam unwirklich und laut.

„Nun kommt schon, ihr braucht keine Angst zu haben", beruhigte Mutter ihre beiden. Jüngsten, die doch sonst nicht so ängstlich waren. Uli faßte sich zuerst ein Herz: „Man kann's ja mal probieren!" Und dann tobte die ganze Familie im Wasser. Sie schwammen gemeinsam immer tiefer in die Schlucht hinein. Das Wasser war klar und kühl. Eine herrliche Erfrischung. Nichts war hier unten von der Hitze zu spüren, die hoch über ihnen auf dem Land lastete. Auf einem vorspringenden Felsen fand die Familie einen Platz zum Ausruhen. Nun hatten sie Zeit und Muße, ihre Umgebung zu betrachten. Man sah deutlich, wie das Wasser im Laufe von Jahrtausenden diesen Weg in die Erde hin eingegraben hatte. Wie anders mußte in früheren Zeiten in Südwest das Klima gewesen sein, denn um die Felsen so auszuspülen, ist sehr viel Wasser nötig. Die Kinder stellten Fragen über Fragen, die die Eltern gar nicht alle beantworten konnten. „Es muß im letzten Jahr gut geregnet haben", sagte Vater, „weil so viel Wasser hier steht. Als ich zum letztenmal hier war, gab's nur eine kleine Pfütze. Aber selbst die fanden wir herrlich. Ich hoffe nur, daß ihr es nicht bereut habt, eurem Vater in die Wüste und unter die Erde in dieses Bad gefolgt zu sein." Nein, das taten sie wirklich nicht! Erst bei Sonnenuntergang wurde der Rückweg angetreten.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Heimat Namibia. Ein Lesebuch, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Tilla Kellner.

Buchtitel: Heimat Namibia
Untertitel: Ein Lesebuch
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika; Kellner, Tilla
Gamsberg Macmillan
Neuauflage Windhoek, Namibia 2001
ISBN 99916-0-276-3
Broschur, 16x22 cm, 195 Seiten, zahlreiche sw- und Farbillustrationen

Arbeitsgemeinschaft der deutschen Schulvereine in Südwestafrika und Kellner, Tilla im Namibiana-Buchangebot

Heimat Namibia

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Heimat Namibia ist die Neuauflage des beliebten Kinderschulbuches Heimat Südwest - Ein Lesebuch für Südwestafrika aus dem Schroedel-Verlag von 1969.

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Heimat Südwest war ein beliebtes Lesebuch über Südwestafrika mit Gedichten, Reimen, Geschichten und freundlichen Illustrationen.

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