Geschichte der deutschen Kolonien, von Wilfried Westphal
Geschichte der deutschen Kolonien, von Wilfried Westphal. Mit 39 Abbildungen und Karten, tabellarischen und chronologischen Übersichten.
VI. DIE SONNE AUF DEM RÜCKEN
Zwischen Nama und Herero
Aber nicht nur in Ostafrika, auch in den übrigen Kolonien ging es nicht ohne Kriege ab, um die deutsche Herrschaft zu sichern. Besonders in Namibia, das damals freilich Deutsch-Südwest hieß, riß die Kette der Aufstände und gewaltsamen Unterdrückung nicht ab. Dabei fehlte es nicht an Stimmen, auch im Deutschen Reich, die fragten, wozu das Ganze nützlich sei. Die Kolonialgesellschaft für Südwestafrika, ein ebenso übereiltes Unternehmen wie sein Pendant in Ostafrika, sei nicht in der Lage, in dem ihr zugestandenen Gebiet für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und von wirtschaftlichem Nutzen könne ohnehin keine Rede sein. Dafür sorgte allein schon die ungeheure Entfernung, die jene nach New York bei weitem übertraf. Doch wie Otto von Bismarck, der dem Deutschen Reich die Suppe eingebrockt hatte, so war auch sein Nachfolger, Georg Leo Graf von Caprivi, obwohl anfangs gleichfalls ein Gegner des Kolonialismus, schließlich zu der Überzeugung gelangt, »daß, so wie die Sache heute liegt, wir nicht allein ohne Verlust an Ehre, sondern auch ohne Verlust an Geld nicht zurückkönnen, daß wir ebensowenig auf diesem Standpunkte stehen bleiben können, daß uns also nichts anderes übrigbleibt, als vorzuschreiten«. Und so brachte er denn auch seinen Namen auf die Landkarte, mit jenem Zipfel, der - in Südwest - noch heute seinen Namen trägt. Zu diesem bemerkenswerten Anhängsel - einem 450 Kilometer langen Streifen, der Namibia mit dem Sambesi verbindet - kam es aufgrund jenes Vertrages, den Caprivi im Juli 1890 mit England aushandelte. Dabei ging es nicht nur um Ostafrika, wo - im Austausch für Helgoland - Deutschland auf Sansibar verzichtete, sondern auch um eine endgültige beiderseitige Grenzregelung im übrigen Afrika. In Südwest bedeutete dies, daß hier den Deutschen ein Gebiet zugestanden wurde, das im Süden vom Oranje und im Osten zunächst vom 20. östlichen Längengrad begrenzt wurde, um dann - auf dem 22. Grad südlicher Breite - auf den 21. Längengrad auszubuchten und schließlich -nördlich der Kalahari - in jenen Streifen überzugehen, der - für Caprivi - der krönende Abschluß des Vertragswerks war. In gleicher "Weise wie mit den Engländern einigte man sich auch mit den Portugiesen: Mit ihnen hatte man bereits 1886 einen Vertrag geschlossen, der nicht nur - in Ostafrika - die Grenze zu Mozambique festlegte, sondern auch im Norden von Südwest eine Linie zog, die vom Kunene bis zum Okawango reichte und schließlich in den Caprivi-Zipfel überging. Damit hatte man sich ein Gebiet verschafft, das zwar nicht ganz so groß wie Ostafrika war, aber immer noch um die Hälfte größer als das Deutsche Reich. Die Eingeborenen, die rechtmäßigen Herren des Landes, waren natürlich auch hier nicht gefragt worden, ob ihnen recht sei, daß sie nun - wie die Ambo - zur Hälfte portugiesisch, zur Hälfte deutsch waren. Auch die Buschmänner, die seit eh und je durch die Kalahari zogen, wurden eines Tages eiserner Tafeln gewärtig, die man - entlang der britisch-deutschen Grenze -aufgestellt hatte. Zu über 100 schmückten sie hier die Wüste. Buschmänner und Ambo ergaben sich in ihr Schicksal, auch wenn letztere heute der SWAPO, der südwestafrikanischen Befreiungsbewegung, im Gebiet der angolanischen Grenze einen natürlichen Unterschlupf gewähren. Die übrigen Völker Südwestafrikas, die Herero im Zentrum und die Nama oder Hottentotten im Süden, nahmen die Fiktion der deutschen Herrschaft jedoch nicht kampflos hin, und es dauerte 20 Jahre, bis das Land endgültig »befriedet« war. [...]
Dies ist ein Auszug aus: Geschichte der deutschen Kolonien, von Wilfried Westphal.
Titel: Geschichte der deutschen Kolonien
Autor: Wilfried Westphal
Verlag: C. Bertelsmann Verlag GmbH
München, 1984
ISBN 357003450X / ISBN 3-570-03450-X
Original-Kartoneinband, Schutzumschlag, 14 x 22 cm, 367 Seiten,39 Abbildungen und Karten, tabellarischen und chronologischen Übersichten
Westphal, Wilfried im Namibiana-Buchangebot
Geschichte der deutschen Kolonien
Eines der populären Standardwerke der 1980er Jahre über die Geschichte der deutschen Kolonien in Afrika, China und der Südsee.