Geisterberg, von Etienne van Heerden

Geisterberg, von Etienne van Heerden. Unionsverlag Zürich, 1993. ISBN 3293001866 / ISBN 3-293-00186-6

Geisterberg, von Etienne van Heerden. Unionsverlag Zürich, 1993. ISBN 3293001866 / ISBN 3-293-00186-6

Der Roman "Geisterberg" ist ein überwältigender Abgesang auf die »weiße« Vergangenheit Südafrikas. Gleichzeitig, weil aus Etienne van Heerdens Kenntnis und Anteilnahme mit der schwarzen Bevölkerung entstanden, ist er ein Epos des Übergangs zu einer neuen Epoche.

Etienne van Heerden  

Nach Kaatjie Dansters Aussage hatte sie, vom Stiefveld her nach der Hakestelle unterwegs, um ihr Pensionskuvert abzuholen, das Zeugnis großer Trauer mit ihren eigenen Augen gesehen. Frühmorgens, wenn der Nebel an den Knöcheln des Geisterbergs hinunterwirbelt und die Wildgänse einander zuzurufen beginnen, hatte sie sich auf den Weg gemacht. Es herrschte große Trockenheit, und jeden Morgen war der Schrei nach Wasser und feuchten Brutplätzen zu hören. Bevor sie aufgebrochen war, hatte sie noch den eisernen Topf über die Kohlen des vorigen Abends gehängt und draußen Reisig gebrochen. Danach war sie auf Katzenpfoten über die Bündel der unter ihren Decken schlafenden Kleinen in den Vorraum gedrungen, hatte die Späne auf die Asche geschoben, diese mit ihren Händen zusammengerückt und sachte geblasen. Als die Flamme aufschlug, legte sie Holzscheite auf, so daß das Wasser kochen würde und der Brei warm wäre, wenn der Rest des Hauses aufwachte. Noch steif vom Blasen, richtete sie sich auf. Da stand ihr Sohn Shala hinter ihr in der Tür. Wie du mich erschreckst, dachte sie, sagte aber nichts, denn sie wollte ihre Enkelkinder nicht wecken. Shala bewegte sich immer wie ein Schatten und trug nie ein Hemd. Am Flecken über seinem linken Ohr erkannte man ihn als einen Moolman. Auch an der überbordenden Wut in den Augen und an der Art, wie er nie vor sich auf den Weg, sondern immer in die Ferne blickte, zum Horizont oder den Warzenspitzen der Kuppen hin. »Morgen, Shala Riet«, sagt sie, während sie sich gebückt durch die Vordertür nach draußen begibt und ihn heimlich mustert. Er ist immer noch mißmutig, denn er war zugegen gewesen, als sie am vorigen Abend, von der Enkelschar umringt, ihr Herz über Geisterberg und die Moolman ausgeschüttet hatte. Sie müssen es wissen, hatte sie gefühlt und sich nachher darüber gewundert, daß sie ausgerechnet diesen Zeitpunkt hatte wählen müssen, um den Kindern den Stammbaum zu erklären. »'n Morgen, Mama Kaatjie«, erwidert er mit einer Stimme, die sie immer an ihren Schwiegervater, Floors Moolman, denken läßt - nicht, daß sie Floors Moolman jemals gesehen hätte, sondern weil Oma Kitty, als Shala noch ganz klein war, von ihm gesagt hatte: Die Zunge hat er von Floors. Es gab nur das abgegriffene Photo von Floors Moolman, das bei den Pensionspapieren und bei Abel Moolmans Brief aufbewahrt wurde, worin dieser gelobt hatte, daß sie mit ihren Abkömmlingen das Stiefveld hundert Jahre lang bewohnen dürften. »Bei den Ziegen war heute Nacht ein Raubtier«, sagt Shala. »Ich habe es verjagt.« »War es ein Schakal, Shala Riet?« fragt sie. Sie setzen sich auf die Holzbank neben der Vortür. Weit unten im Tal glitzert durch den Nebel hindurch das Dach des Farmhauses - das englische Blech, das Stamm Abel Moolman per Schiff von Übersee hatte kommen lassen, nachdem die Buschmänner das Strohdach des ersten Lehmhauses oben im Tal in Brand gesteckt hatten und Stamm Abel nachts mit Oma Magtilt durch die Böden hindurch ins Freie hatte kriechen müssen. »Ich sah keine Spuren, Mama Kaatjie«, sagt er. »'s war sicher ein Tokkelos, mein Junge.« Sie schaut zum Gipfel des Geisterbergs empor. Der Grenzstein taucht allmählich aus dem Nebel auf. »In diesem Berg haust noch mancher Tokkelos«, sagt sie. »Frag nur Slams da drüben. Die Felsränder sind voller Spalten, und wenn du dort auf die Suche gehst, findest du die Gerippe deiner Vorväter.« »Ich und Oneday kennen jeden Felsspalt, Mama Kaatjie«, sagt Shala ungeduldig. »In dem neben dem Auge gibt es bloß Buschmannzeichnungen; Mama weiß selber, daß es keine Tokkelosse gibt.« [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Roman: Geisterberg, von Etienne van Heerden.

Titel: Geisterberg
Autor: Etienne van Heerden
Übersetzer: Peter Sulzer
Genre: Südafrika-Roman
Verlag: Unionsverlag
Zürich, 1993
ISBN 3293001866 / ISBN 3-293-00186-6
Originalkartoneinband, Originalschutzumschlag, 12 x 20 cm, 376 Seiten, 2 Stammbäume

van Heerden, Etienne im Namibiana-Buchangebot

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