Geburtsort Swakopmund, von Ruth Winkler

Geburtsort Swakopmund, von Ruth Winkler. Kuiseb Verlag. Windhoek, Namibia 1993. ISBN 9991670319 / ISBN 99916-703-1-9

Geburtsort Swakopmund, von Ruth Winkler. Kuiseb Verlag. Windhoek, Namibia 1993. ISBN 9991670319 / ISBN 99916-703-1-9

Im Jahre 1892 saß ein elfjähriger Junge im Erdkundeunterricht in einer Volksschule der Stadt Erfürt in Thüringen und malte mit Hingabe und Akkuratesse eine Karte von Afrika. Sie hat Kriege und schlimme Zeiten überlebt, wir haben sie noch heute. Mit ganz feiner Schrift schrieb er unter die Südspitze Afrikas "Kap der Guten Hoffnung". Da wolle er mal hin, erklärte er seinen erstaunten Eltern. So berichtet später seine hochbetagte Tochter, Ruth Winkler, in Ihren Erinnerungen 'Geburtsort Swakopmund'

[...] Nach der Militärzeit arbeitete Heinrich Stolze kurz in Lothringen, dann in Treuenbrietzen, einer Kleinstadt in der Nähe von Berlin, wo man das flotte Leben in der Hauptstadt nachzuahmen suchte, so gut es ging. Ein junger Buchdrucker war in den vielen Vereinen willkommen, er verdiente ja gut und gab das Geld mit vollen Händen wieder aus. Eines Tages kam ein Brief von der Buchdrucker schule, und mit einem Schlag war plötzlich die große Chance da, denn dieser Brief brachte ein Angebot, in Swakopmund in Südwestafrika eine Druckerei aufzubauen. Die Vertragsdauer betrug ein Jahr, Hin- und Rückfahrt waren frei, Gehalt und Spesen großzügig bemessen. Südwestafrika! Donnerwetter, das war ja nicht weit vom Kap der Guten Hoffnung, da wollte er doch schon immer mal hin! Er überlegte nicht lange, fuhr noch mal schnell zu den Eltern nach Erfurt, tröstete die Mutter: "In einem Jahr bin ich ja wieder hier!" - und weg war er. Ja, in einem Jahr war er wieder da, aber nur für sechs Wochen! Der technische Direktor, den er eingearbeitet hatte, war so schwer erkrankt, daß man Heinrich Stolze telegrafisch bat, die Leitung der Druckerei zu übernehmen. Er nahm sofort das nächste Schiff zurück (es war im Jahre 1904); die Zeit reichte nicht mal zu einem Abschiedsbesuch bei den Eltern. Heinrich Stolze hatte das Land lieben gelernt, dieses merkwürdige, kahle, heiße, unfruchtbare Land, dieses Durstland, dieses "Affenland", wie die Neuankömmlinge es nannten. Und doch kamen schon viele der Männer, die als Soldaten das Land durchstreift hatten, nicht mehr davon los. Sie bewarben sich um Farmland, auf das sie nach ihrer Dienstzeit Anspruch hatten. Die Weite, die Einsamkeit, das flirrende Licht faszinierte die jungen Menschen aus der übervölkerten Heimat. Hier waren sie kein Niemand in der großen Masse, hier waren sie kleine Könige auf einem großen Besitz. Mochte das Land auch noch so arm und trocken sein - es gehörte ihnen. Und sie waren jung, gesund und bereit, das Beste daraus zu machen. Heinrich Stolze war kein Farmer. Aber auch für ihn hatte das Land die große Chance bereit, aus seinem Leben viel zu machen, viel mehr, als er je in der Heimat hätte erreichen können. Die "Swakopmunder Buchhandlung", von Aktionären in Deutschland gegründet, betrieb neben der Druckerei und der Buchhandlung eine Buchbinderei und eine Zeitung. Papierlager und ein Teil des Maschinensaales der Swakopmunder Buchhandlung ca. 1916. Der kleine Drucker gehörte nun zu den Geschäftsleuten der Stadt, war Mitglied in mehreren Vereinen und kein Spielverderber in der Gruppe der jungen Leute, die nun mehr und mehr von großen deutschen Firmen hinausgeschickt wurden, um Niederlassungen in der Kolonie zu gründen. Sie wohnten meist in kleinen Holzbuden auf dem Hof der Firma. Sie trafen sich zum Mittagessen im Hansa-Hotel zu Königsberger Klops oder Sauerbraten. Abends sah man sich wieder in einer der vielen Bars. Im Strandhotel Meisel fiel es ihnen auf, daß Heinz Stolze fehlte. "Hano", dämmerte es Hermann Kienzle, "der liegt do no drausse, am Bahnhof, den hen mr doch in Sand oigrabe!" Mit Hallo zog die ganze Gesellschaft zum Bahnhof zurück und fand den Freund bis zum Hals im Sand, friedlich schlafend. "Nur das Gesichtie hat noch rausg'schaut!", sagte Onkel Hermann, über das breite Rotweingesicht mit dem derben grauen Schnauzbart strahlend, als er mir viele Jahre später in Stuttgart diese Geschichte erzählte. Und er hatte noch mehr Geschichten auf Lager. Um nach einer durchzechten Nacht einen klaren Kopf zu bekommen, ritt Heinz Stolze in den frischen Morgen. [...]

Dies ist ein Auszug aus den Memoiren Geburtsort Swakopmund, von Ruth Winkler.

Titel: Geburtsort Swakopmund
Autorin: Ruth Winkler
Genre: Memoiren
Verlag: Kuiseb Verlag
Windhoek, Namibia 1993
ISBN 9991670319 / ISBN 99916-703-1-9
Broschur, 15 x 21 cm, 222 Seiten, etliche sw-Fotos

Winkler, Ruth im Namibiana-Buchangebot

Geburtsort Swakopmund

Geburtsort Swakopmund

'Geburtsort Swakopmund' beschreibt die Familiengeschichte des Geschäftsführers der "Swakopmunder Buchhandlung", Heinrich Stolze (1881-1949) und seiner Angehörigen.