Fluch des Buschmannes, von Misho (Mihail Mihaylov)

Fluch des Buschmannes, von Mihail Mihaylov (Misho). Kuiseb-Verlag; Windhoek, Namibia 2012.

Fluch des Buschmannes, von Mihail Mihaylov (Misho). Kuiseb-Verlag; Windhoek, Namibia 2012.

Mihail Mihaylov (Misho) beschreibt in seinem Roman Fluch des Buschmannes die Lebensweise der heutigen Buschleute zwischen Tradition und Moderne.

Misho  

Das Kreuz des Südens schien durch die Milchstraße und wies !Guge den Weg zurück zu dem Dorf. Doch das Dorf war weit, weit weg, fast einen Viertel Mond entfernt. Der Jäger wusste, dass irgendwo südwestlich seine kleine Tochter, Tsaura, sich erwartungsvoll auf seine Heimkehr freute, weil sie die Erste sein würde, der er seine Beute zeigen würde. Sie würde dann das zarteste Fleisch für sie beiseite tun und den Rest, stolz auf den Erfolg ihres Vaters, den anderen Dorfbewohnern geben. Jeder würde sich vor ihr verbeugen und manche würden sogar ihre Hände küssen. Sie nannten sie Tsaura, was sanft bedeutet, weil sie ein gutes Herz hatte. Sie wollte immer helfen. Seit drei Jahren hatte es keinen Tropfen mehr vom Himmel geregnet. Die Dürre hatte die Buschmänner, die die Kalahariwüste bewohnten, erschöpft. Alles war verdorrt und rissig. Selbst die widerstandskräftigen Akazienblumen hatten aufgehört zu blühen. Bienen, Fliegen, Käfer und Heuschrecken waren verschwunden. Ameisen hatten sich tief eingegraben. Das Wild war nach Nordosten zu dem Okavango Delta gezogen, wo das Wasser der großen Flüsse Kwando, Chobe, Linyanti, Zambezi und Okavango stieg und die Ufer überschwemmte. Das Wasser, das aus den Städten ins Inland gebracht wurde, reichte nicht. Das Vieh starb, ebenso Menschen. Regen war selten in der Kalahari, doch genug für eine dürftige Versorgung der Leute und Tiere, die dort lebten und an die gewöhnliche Dürre gewöhnt waren. Regenwasser floss zwischen den Dünenhängen und die Vegetation wuchs dicht. Wo es mehr Wasser gab, wuchsen hohe Büsche und Wüstenakazien, dazwischen breitete sich saftiges grünes Gras aus. Nach jeder Regensaison wurde die Kalahari zu einem rauen Ozean aus parallel rötlichen Sanddünen, unten getrennt von endlosen grünen Schluchten. Aber jetzt, nach der lange anhaltenden Dürre, war ihre Vegetation zu Asche verdorrt und es sah wie die Sahara aus. !Guge, was in seiner Muttersprache weit weg hieß, war zweifellos der begabteste Jäger in dem armen Dorf Okatuwa, und vielleicht sogar der erfahrenste aller Jäger im Buschmannland. Gerüchte über sein Geschick und seine Fähigkeiten verbreiteten sich und stiegen wie Vögel auf der Durchreise hinaus über die Grenze der Wüste. Leute wollten ihn kennenlernen, den heldenhaften Jäger mit ihren eigenen Augen sehen, seine Hand schütteln, wenn auch nur einmal. Wie auch immer, weit von zu Haus, versteckt in der Wüste, schien er unsichtbar zu sein. Seine Hautfarbe verschmolz zu einem Rotbraun, wie die Dünen der Kalahari. Er lief barfuß und halbnackt, mit einem kurzen Kudulendenschurz um seine Hüften. Der Lendenschurz war ganz leicht und bequem, gemacht auf die traditionelle |noro Methode, in Wasser eingeweicht und mit Sand weich gerieben. Tierfett wurde hinzugefügt, um ihn geschmeidig zu halten und vor dem Reißen zu bewahren. Er trug Bogen und Köcher, ein Messer, einen Wasserkanister aus Vogelstraußhaut und einen Beutel, den er von seinem Vater geerbt hatte. Erjagte allein. Anscheinend bewegungslos wie Fallobst würde er stundenlang hinter einer Gazelle herpirschen, selbst die Geier konnten ihn nicht vom Sand unterscheiden. Geduld war das wichtigste zu seinem Erfolg. Er konnte den ganzen Tag bewegungslos an einer Stelle verharren. Leicht fand er die Spuren von Gazellen, überfiel sie aus dem Hinterhalt, bewegungslos hinter einem Busch, oder im Sand vergraben, wenn keine Büsche vorhanden waren. Mit angehaltenem Atem wartete er geduldig auf Wild, das gewöhnlich in den frühen Morgenstunden auf Nahrungssuche ging. Waren seine Bemühungen morgens umsonst, wartete er bis die Mittagshitze nachließ, um dann wieder bewegungslos in seinem Versteck vor Sonnenuntergang zu warten, bis die Tiere zu ihren Schlupfwinkeln zurückkamen. Das Gift, dass er auf seine Pfeile schmierte, war ein Geheimnis der Buschmänner. Er benutzte das Rezept seiner Vorfahren, eine Mixtur aus Wurzeln und Insekten, aber er fügte noch Schimmel von Leguanzähnen hinzu. Ein tödliches Mittel, das selbst einen Elefanten töten konnte, wenn nur der Pfeil in die Haut eindringen würde. Hatte er erst mal ein Tier verletzt, folgte er dessen Spuren tagelang, bis es von dem Gift überwältigt fiel. Danach hatte !Guge es nicht eilig, sich dem Tier zu nähern. Nicht bis es völlig schwach war und nicht wie eine Bestie, sondern wie ein Doktor, der Erleichterung bringt. Er würde das Tier streicheln und es leise um Vergebung bitten. Er würde dem Tier seine Lebensgeschichte erzählen. Er würde erklären, wie viele hungrige Kinder das Fleisch dringend brauchten, als wollte er das Tier überreden, nicht zu sterben, sondern durch diese Kinder sich wieder dem Leben zuzukehren. !Guge würde dem Tier intensiv in die Augen schauen, bis er sicher war, dass es ihm vergeben hatte. Erst dann würde er ihm die Kehle mit einem scharfen Messer durchschneiden, danach das vergiftete Blut drainieren und es häuten. Bevor er sich auf den Rückweg machte, würde er das gehäutete Fleisch auf den Ästen eines hohen Busches ausbreiten, damit all das Blut ablaufen und das Fleisch trockener und leichter werden könnte.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Fluch des Buschmannes, von Mihail Mihaylov (Misho).

Titel: Fluch des Buschmannes
Autor: Mihail Mihaylov (Misho)
Originaltitel: Bushman Curse
Verlag: Kuiseb-Verlag
Windhoek, Namibia 2012
ISBN 9789994576135 / ISBN 978-99945-76-13-5 (Namibia)
ISBN 9783941602748 / ISBN 978-3-941602-74-8 (Europa)
Broschur, 15x21 cm, 87 Seiten, sw-Buschmannszeichnungen

Misho im Namibiana-Buchangebot

Fluch des Buschmannes

Fluch des Buschmannes

Fluch des Buschmannes ist ein gut geschriebener Roman über Jagd- und Lebensweisen der Buschleute in Namibia.

Bushman curse

Bushman curse

Bushman curse is a hunting novel based on a true story that took place in Northern Namibia.

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