Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika, von Theodor Leutwein
Aus dem Kapitel III., 'Der Aufstand 1896', ist dies ein Auszug aus den umfangreichen und ergiebigen Memoiren von Gouverneur Theodor Leutwein, die 1906 unter dem Titel Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika erschienen.
Der Distriktschef von Gobabis, Leutnant Lampe, hatte schon längst eine verdächtige Annäherung der Khauas-Hottentotten an den Unterhäuptling Nikodemus wahrgenommen. Auf seine bezügliche Meldung war, wie bereits erwähnt, während meiner Abwesenheit Hauptmann von Sack mit der 2. Kompagnie und einem Geschütz nach Gobabis marschiert. Nachdem die Ruhe wiederhergestellt schien, wurde die Kompagnie nach Windhuk zurückgezogen. Da traf Ende März 1896 in Windhuk ein Bur mit der Meldung des Leutnants Lampe ein, daß Gobabis und Aais seitens der Khauas-Hottentotten belagert feien, Nikodemus scheine sich noch im Hintergrunde zu halten. Der Augenblick war seitens der Aufständischen insofern für sie günstig gewählt, als die nach Ablauf der Dienstzeit zur Entlassung kommenden Mannschaften der Schutztruppe sich bereits auf dem Heimwege befanden und ihr Ersatz noch nicht gelandet war. Glücklicherweise aber hatten die Aufständischen doch insofern auch wieder zu früh losgeschlagen, als die Entlassungsmannschaften noch nicht eingeschifft waren und daher mit Eilboten zurückgerufen werden konnten. Und jetzt zeigte sich ein recht guter Geist bei der Truppe. Angesichts der heimatlichen Schiffe machten die Mannschaften in fröhlichster Stimmung kehrt, einige erbaten und erhielten sogar die Erlaubnis, vorauszureiten, um sicher noch an den Feind zu kommen. Von diesen fiel einer bei Otjunda (der Reiter Gräber), ein zweiter wurde schwer verwundet. Der letztere, ein Unteroffizier, hatte während des Witbooi-Krieges in einem Augenblick der Gefahr die Überlegung verloren und so den Anschein des Mangels an Mut auf sich geladen. Seine Stellung bei den Kameraden war infolgedessen derart erschüttert, daß er um seine Entlassung nach der Heimat gebeten hatte. Nunmehr hatte er die Gelegenheit, sich zu rehabilitieren, mit vollem Erfolge benutzt. Seine Verwundung, Schuß in den Unterleib, war sehr schwer, und er wird wohl sein Leben lang an ihr zu tragen haben. Die wesentlichste Frage war jetzt, ob Nikodemus gleichfalls bei dem Ausstande beteiligt sei. In diesem Falle mußten wir auch mit der Feindschaft der mächtigen Riaruapartei in Okahandja rechnen. Am so sicherer aber war uns der Oberhäuptling, dessen Stellung bei seinen Anhängern infolge des erlangten Zugeständnisses in der Grenzfrage wesentlich gestärkt war. Zunächst marschierte, was in Windhuk verfügbar war, d. i. 50 Reiter (1. Kompagnie) und ein Geschütz unter Hauptmann Ludwig von Estorff, nach Gobabis ab. Da ich selbst bis zur Klärung der politischen Lage Windhuk nicht verlassen konnte, schloß sich als mein politischer Vertreter der Assessor Friedrich von Lindequist der Truppe an. Nachdem jedoch in der Folge sich ergeben hatte, daß politisch nichts mehr zu machen sei, trat Assessor von Lindequist in seiner Eigenschaft als Reserveossizier bei der Truppe ein und machte auch als solcher mit Auszeichnung den Feldzug mit. Den Leutnant Helm sandte ich nach Seeis, um die Gesinnung der in dieser Gegend wohnenden Hereros zu sondieren, und den Oberleutnant von Perbandt zu dem gleichen Zweck nach Okahandja. Ich selbst zog an alten Schutztruppenangehörigen ein, was noch militärpflichtig war (Dispositionsurlauber) und was sich freiwillig meldete. So konnte ich am 4. April mit weiteren 60 Mann als neuformierter 2. Kompagnie und einem Geschütz folgen. Die 2. Kompagnie führte Lentnant Helm, nachdem Hauptmann von Sack schon vorher krankheitshalber auf Urlaub gegangen war. Als Garnisonkommandant in Windhuk blieb Oberleutnant von Perbandt zurück. Der letztere stellte vor seinem Abreiten nach Okahandja die Frage an mich, ob er als dritte Staffel nachmarschieren dürfe, wenn es ihm gelänge, 60 Reiter zusammenzubringen. Dies bewilligte ich gern, hatte aber keine Ahnung, woher die 60 Reiter kommen sollten. Und doch brachte sie der Oberleutnant von Perbandt zusammen und traf Ende April mit einer neuformierten 3. Kompagnie in Gobabis ein. Nunmehr folgten sich die Ereignisse Schlag aus Schlag. Leutnant Helm hatte die bei Seeis wohnenden Unterhänptlinge Mambo, Baratjo und Kajata vollständig loyal gefunden. Dagegen war, ein bedenkliches Zeichen, Kahimema mit seinem ganzen Stamm, anscheinend behufs Vereinigung mit Nikodemus, nach dem Osten verschwunden. Oberleutnant von Perbandt traf in Okahandja bei Samuel und seinen direkten Anhängern großes Entgegenkommen, bei dem alten Riarua und seiner Partei dagegen schlecht verhüllte Feindschaft. Von einer etwaigen Teilnahme des Unterhäuptlings Nikodemus an dem Aufstande war jedoch noch nichts bekannt. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika, von Theodor Leutwein.
Buchtitel: Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika
Autor: Theodor Leutwein
Verlag: Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Erstauflage. Berlin, 1906
Privater Halbledereinband mit Rückenprägung und Goldschnitt, 19x26 cm, 589 Seiten, 176 Abbildungen, 20 Skizzen, 2 Faltkarten, Schrift: Fraktur
Leutwein, Theodor im Namibiana-Buchangebot
Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika
Ausführliche Erinnerungen des Kommandeurs der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika an elf Jahre Dienst in der ehemaligen deutschen Kolonie.
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