Durchs große Durstland müßt ihr ziehn, von Laurens van der Post
Durchs große Durstland müßt ihr ziehn ist die Fortsetzung des Romans Wenn Stern auf Stern aus der Milchstraße fällt. Laurens van der Post schreibt im folgenen Auszug über Heitse-Eibibs Morgenröte.
[...] Normalerweise wäre Francois natürlich niemals so sorglos gewesen, zu dieser Stunde in einem solchen Tempo durch den Busch zu jagen. Es war die Zeit, wo Raubtiere, die am Abend zuvor oder in der Nacht nicht zum Schlagen gekommen waren, auf wehrlose Beute lauerten. Aber diesmal nahm er die Gefahr, die der schmale, gewundene Pfad für ihn darstellte, bewußt in Kauf; denn wie groß sie auch sein mochte, sie war gering im Vergleich zu der organisierten Gefahr, die vielleicht schon mit schnellen Schritten hinter ihm her war. Nur auf eine Vorsichtsmaßnahme verwandte er noch Zeit. Als er sich tief im Busch befand, rief er Hintza an seine Seite, kniete neben ihm nieder und flüsterte ihm mit einer Stimme, die im Wissen um die Gefährlichkeit der Rolle, die er ihm auftragen wollte, zärtlich klang, in der Buschmannsprache ins Ohr: "Lieber Hin, leider mußt du die Führung übernehmen. Paß auf. Und mach schnell. Wenn du nicht genau weißt, was los ist, dann denk immer dran: anhalten, ducken, auf mich warten. Dann zeig's mir. Also los, lieber Hin, los! Heute haben wir's eiliger als je zuvor." Hintza sah ihm tief in die Augen, wie nur Hunde unter allen Wesen es vermögen, und dann tat er etwas, was er seit seiner Welpenzeit nicht mehr getan hatte. Er hob seine kühle, immer gekräuselte und so geruchsempfindliche Nase und leckte Francois lange und feucht die Backe. Das Gefühl ihrer Verbundenheit hatte in diesem Augenblick eine Dimension, in der Hintza mehr als ein Hund war, fast ein Teil seiner selbst, und als er Hintzas glänzenden, geschmeidigen, magnetischen Körper davonstürzen sah, langgezogen vor Schnelligkeit, schössen ihm Tränen in die Augen. Um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen, blieb er jäh stehen, brachte an seinem Brotbeutel etwas in Ordnung, was geklappert hatte, und überprüfte sein Gewehr, damit es im Notfall schußbereit war. Während er das in Sekundenschnelle erledigte, bemerkte er, daß es im Busch ringsum so unheimlich still war wie in der verhängnisvollen Morgendämmerung des vergangenen Tages. Natürlich wußte er, daß es im Busch vor Leben wimmelte wie sonst auch, aber all die vielen, unendlich mannigfaltigen Stimmen, die sich normalerweise beim Erwachen des heiligen Tageslichtes zu einem großen Dankchoral erhoben, schwiegen still. Alles, was er angesichts des Schreckens, der grauenhaften Tragödie empfand, die er selbst dieser Welt der Unschuld und Schönheit zugefügt hatte, indem er sein Zuhause zerstörte, kulminierte für ihn im Morgenrot, das im Osten explodierte. Die besondere Farbe dieser Explosion, das Fehlen aller anderen Farbschattierungen, veranlaßte seine Sinne, sich gleichsam wie das Haar in seinem Nacken aufzurichten. Diese Farbe war das erschreckend lebendige, tiefe Rot, für das selbst der so wohlbegründete Vergleich mit Blut nicht genügte. Sie wirkte röter als menschliches oder tierisches Blut. Den Mythen zufolge, mit denen Francois' alte Buschmann-Kinderfrau seine Phantasie genährt hatte, war sie das Blut eines Gottes. Dieser Gott war der große Heitse-Eibib der fast verschwundenen kupferfarbenen Hottentotten des südlichen Afrika, einer Rasse, die seinen geliebten Buschmännern ziemlich ähnlich und wie diese von schwarzen und weißen Eindringlingen grausam verfolgt und schließlich ausgerottet worden war. Diesen mitfühlenden, aufrechten und schönen Gott mit seiner Wirbelsäule aus gediegenem Kupfer kannte Francois unter vielen Namen wie zum Beispiel "Derjenige, der vorhersagt", "Der Bote", "Der Baum des Lichtes", "Der mit dem verwundeten Knie" und vielen anderen. Gerade der letzte fiel ihm jetzt wieder ein. Eine kurze Weile stand er da, demütig angesichts der Unausweichlichkeit einer solchen Morgenröte, die gerade an einem solchen Tage in einem solchen Licht den Himmel erstürmen mußte, als ob auch sie, wie in der Nacht zuvor die Sternschnuppen, seinem verlassenen Herzen bedeuten wollte, daß das Weltall allem Anschein zum Trotz dem Geschehen nicht unbeteiligt zusah, sondern selbst am Kampf teilnahm. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Durchs große Durstland müßt ihr ziehn, von Laurens van der Post.
Buchtitel: Durchs große Durstland müßt ihr ziehn
Autor: Laurens van der Post
Verlag: H. Henssel Verlag
Berlin, 1975
ISBN 3873290901
Original-Leinenband, Original-Schutzumschlag, 13 x 17 cm, 307 Seiten
van der Post, Laurens im Namibiana-Buchangebot
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