Die Seele des Affen, von Eugène Marais

Die Seele des Affen, von Eugène Marais.

Die Seele des Affen, von Eugène Marais.

Als sich Eugène Marais 1936 auf seiner Farm in Südafrika erschoß, hinterließ er eines der erstaunlichsten Manuskripte, das erst 1969 unter dem deutschen Titel 'Die Seele des Affen' erschien.

Eugène Marais  

Kurz nach dem Burenkriege hatte ich Gelegenheit, drei Jahre in engster Nachbarschaft mit einer Herde wilder Chacma-Paviane (Papio Ursinus ursinus) zu leben. Während dieser Zeit wurde ein Register aller, oder fast aller, erwachsenen Tiere angelegt, und so war es möglich, ihr Verhalten unter sehr günstigen Bedingungen zu studieren. Während des größten Teils dieser Zeit hatte ich die unschätzbare Hilfe eines jungen Freundes und Landsmannes, der unter den ungünstigsten Umständen eine bemerkenswerte Kenntnis der höheren Säugetiere Afrikas und ihrer vergleichenden Anatomie erworben hatte. Ein vorzeitiger Tod schnitt seine Arbeit unglücklicherweise ab. Die Bedingungen, unter denen diese Forschung unternommen wurde, waren in mancher Hinsicht ideal und werden in Südafrika kaum wiederkehren. Wir lebten in einem engen Hochtal zwischen zwei parallelen Ketten des Zentralgebirges am Waterberg in Transvaal: ein Strom floß an einer Seite dieses Tales herab und fand durch eine Schlucht in der südlichen Kette einen Auslaß. Der Boden war mit aufgehäuften Bruchstücken des gewachsenen Felsens übersät, die im Laufe der Zeiten von den Höhen losgelöst worden waren, um die Formen der abschüssigen Wälle der Schlucht zu bilden. Der Boden wie die Wälle waren dicht von Waldbäumen und Baumfarnen überwachsen. Pflanzen wuchsen und gediehen, wo immer sie in der Erde oder auf dem lebenden Fels den winzigen Halt für ihre Wurzeln fanden. Durch die Schlucht hatte sich der Strom einen sehr schwierigen Kanal in das Tiefland gegraben. Auf der rechten Seite, etwa hundert Fuß über dem Boden der Schlucht, war die Gestalt des Kliffs durch eine große Höhle mit ebenem Boden zerschnitten. Genau unter dieser Höhle wuchs, an dem Wall der Schlucht, ein riesiger wilder Feigenbaum, dessen Wurzeln sich über die Felsschicht ausbreiteten und dessen gewaltige Äste und dichtes Laub den Zugang völlig abschirmten. Eine Böschung aus losem Fels, die verhältnismäßig leicht zu ersteigen war, zog sich von dem einen Ende des Höhleneinganges bis zum Boden der Schlucht herab. Die Höhle bildete den Schlafplatz der Pavianherde. Die Umstände, die diese schlauen und äußerst nervösen Tiere gegenüber ihrem Erzfeind, dem Menschen, gleichgültig machten, waren die Folge einer langen Kette von Ereignissen. Der Krieg hatte das Gebiet für eine Reihe von Jahren in menschenleerer Einsamkeit gelassen, und als endlich die Familien zurückkehrten, waren die Männer für weitere Jahre ohne Gewehre oder Munition. Die Paviane hatten sehr schnell die Hilflosigkeit ihrer Nachbarn begriffen und nutzten sie voll aus. Die Obstbäume, Gärten und Getreidefelder wurden mit unglaublicher Furchtlosigkeit geplündert. Bei unserer Ankunft im Tal und während des Baus unserer Hütten nahe dem Eingang zur Schlucht zeigten die Babies, die laufen konnten, und alle Jungen der Herde eine unersättliche und oft verwegene Neugier, sehr zur Sorge und Abneigung ihrer Älteren. Sie saßen in einem Umkreis von dreißig Yards von uns auf Steinen und verfolgten mit schärfster Aufmerksamkeit alle unsere Bewegungen. Diese ruhigen Zeiten wechselten gelegentlich mit ausgelassenen Spielen ab; eines davon bestand darin, sich uns im Lauf bis zum äußersten Punkt ihres Mutes zu nähern und aus dieser verhältnismäßig sicheren Entfernung der Pavian-Sitte des »Gesichterziehens« und der drohenden Grimassen nachzugeben oder die Haltung der Versöhnung anzunehmen. Die älteren Individuen näherten sich uns zuerst nur sehr scheu. Sie blieben an den Abhängen der Hügel, riefen nervös nach den furchtloseren Jungen und »warnten« sie, und gelegentlich weckte ein großes Männchen mit seiner gewaltigen Stimme die Echos der Berge. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Seele des Affen, von Eugène Marais.

Titel: Die Seele des Affen
Untertitel: Beobachtungen über das Verhalten unserer engsten Seelen-Verwandten
Autor: Eugène Marais
Originaltitel: The Soul of the Ape (1969)
Verlag: Symposion Verlag
Esslingen, 1973
Originalkarton, Original-Schutzumschlag, 13x21 cm, 211 Seiten, einige sw-Fotos

Marais, Eugène im Namibiana-Buchangebot

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