Die Karakulzucht in Südwestafrika und das Haus Thorer, von Karl Walther Spitzner und Heinrich Schäfer

Karl-Walther Spitzner (1905-1992) und Heinrich Schäfer schrieben diese Festschrift über die Karakulzucht in Südwestafrika anläßlich des hundertjährigen Jubiläums des Hauses Thorers.

A. DIE VORGESCHICHTE

Die Einführung der Karakulschafe in Südwestafrika

Der Gedanke, das Karakulschaf in Deutschland und in einigen überseeischen deutschen Schutzgebieten heimisch zu machen, geht auf das Jahr 1902 zurück. Im Frühjahr dieses Jahres hatte der Königl. Sachs. Kommerzienrat Paul Albert Thorer, der damalige Seniorchef des Hauses Thorer, Leipzig, seine erste grosse Reise nach Zentralasien unternommen. In einem Vortrag, den er im Anschluss an diese Reise hielt, verwies Paul Thorer auf die wirtschaftliche Bedeutung, die die Zucht des Karakulschafes für die Steppengebiete Bucharas hat. Er stellte dabei die Frage nach den Aussichten und Möglichkeiten, deutsche Kolonialgebiete durch Einführung der Karakulzucht ertragreicher zu gestalten. Exzellenz Professor Dr. Julius Kühn, seinerzeit Direktor des Tierzuchtinstituts der Universität Halle/Saale, der dem Vortrag beiwohnte, griff trotz seines hohen Alters mit jugendlicher Begeisterung diesen Gedanken auf und stellte sich für die Pläne Thorers zur Verfügung. Daraufhin bemühte sich Paul Thorer, eine kleine Einheit reinblütiger Karakulschafe aus der Buchara zu beschaffen. Die Tiere trafen im Frühjahr 1903 in Deutschland ein. Es waren 4 Böcke und 28 Mutterschafe. Ein zweiter Transport im Winter 1906/07 bestand aus 37 Kopf. Die von Professor Kühn 1903 sogleich eingeleiteten Versuche Hessen die Annahme berechtigt erscheinen, dass die Nachkommenschaft der eingeführten Karakulschafe entgegen der damals vorherrschenden Meinung ihre für den Pelzhandel wertvollen Eigenschaften auch in einem Milieu bewahrt, das dem heimischen wenig ähnlich ist. Dagegen waren die Versuche - u.a. auf dem Heidegut Timmerloh bei Soltau in der Lüneburger Heide -, ärmste Sandböden durch Ginsterkulturen mit anschliessender Beweidung durch Karakulschafe und deren Kreuzungen mit Heidschnucken zu nutzen, wenig ermutigend. Die Tiere frassen alles andere lieber als Ginster. Doch noch vor Abschluss dieser Versuche wurde der Entschluss gefasst, Karakulschafe nach Südwest auszuführen, da die Klima- und Weideverhältnisse in den halbwüsten Steppengebieten Südwestafrikas weitgehend jenen in ihrem Heimatlande Turkestan entsprachen. In Südwestafrika begann nach Beendigung der Eingeborenenaufstände, der Herero im Norden, der Hottentotten im Süden, eine neue Aera der Besiedlung. Die Zahl der Farmen stieg sprunghaft an. Die Buren, die aus der Südafrikanischen Union kamen und ihre Schafe mitbrachten, siedelten meist in den für Schafe besser geeigneten südlichen Distrikten. Die deutschen Farmer bevorzugten den regenreicheren Norden, der in normalen Regenjahren auch dem Grossvieh ausreichend Weide bietet. Während der Eingeborenenaufstände war viel Vieh umgekommen. So galt es, die Verluste auszugleichen und den hinzukommenden Bedarf der neuen Einwanderer zu decken. Die deutsche Regierung legte hierbei besonderen Wert darauf, die Farmwirtschaft durch die Einführung hochwertiger Zuchttiere, deren Erzeugnisse auf dem Weltmarkt sicheren Absatz und einen guten Preis versprachen, zu fördern. Im Zuge dieser Bestrebungen hat Dr. Friedrich von Lindequist, der mit den Plänen Paul Thorers und den Versuchsergebnissen Professor Kuhns bekannt wurde, in enger Zusammenarbeit mit Thorer und Kühn die Einfuhr der ersten aus der Buchara stammenden Karakulschafe ermöglicht und damit entscheidend dazu beigetragen, die Grundlage für die Südwester Landeszucht zu schaffen. Für ihren Aufbau scheute das Haus Thorer seit jenen Gründertagen weder Mühen noch Opfer und ist noch heute bestrebt, sie durch Anregung, Rat und Beispiel zu fördern. Exzellenz Friedrich v. Lindequist kannte Südwestafrika; schon unter Gouverneur Theodor Leutwein (1894-1905) war er als Bezirksamtmann von Windhoek und als Stellvertreter des Gouverneurs bis 1899 im Lande tätig gewesen. Er wurde als erster Zivilgouverneur im Jahre 1905 dessen Nachfolger, bis ihn 1907 Bruno von Schuckmann in seinem Amt ablöste. Aber auch in seiner neuen Stellung als Unterstaatssekretär im Reichskolonialamt wirkte er für Südwestafrika. Schon während v. Lindequists Amtszeit als Gouverneur war Dr. Oskar Hintrager mit dessen Plänen vertraut geworden. Als erster Referent von Exzellenz v. Schuckmann hat Professor Dr. Hintrager sodann in starkem Masse zur Durchführung der Pläne beigetragen. In diesem Zusammenhang sei eines Berichtes des Schäfereidirektors und Sachverständigen der Brandenburgischen Landwirtschaftskammer in Schafzuchtfragen, U. Telschow, an die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes vom 10.2.1907 gedacht, in dem Telschow „angeregt durch den kürzlich stattgehabten Schafexport nach Südwestafrika" sich erlaubt, auf das Karakulschaf als auf eine für die Kolonie besonders geeignete Schafrasse aufmerksam zu machen. Er begründet seinen Vorschlag u.a. mit der Unwirtschaftlichkeit der Schaffleischproduktion in jenen entlegenen Gegenden und mit der Bedeutung des „Persianers" als Welthandelsartikel. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Die Karakulzucht in Südwestafrika und das Haus Thorer, von Karl Walther Spitzner und Heinrich Schäfer.

Titel: Die Karakulzucht in Südwestafrika und das Haus Thorer
Autoren: Karl-Walther Spitzner; Heinrich Schäfer
Kapstadt, Südafrika 1962
Originalledereinband, 14 x 22 cm, 92 Seiten, einige sw-Fotos

Spitzner, Karl-Walther und Schäfer, Heinrich im Namibiana-Buchangebot

Die Karakulzucht in Südwestafrika und das Haus Thorer

Die Karakulzucht in Südwestafrika und das Haus Thorer

Die Entwicklung der Karakul-Schafhaltung in Südwestafrika und die deutsche Rauchwarenhandlung Thorer mit ihrer Niederlassung in Südafrika.