Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika (in: Fernschau, 1890), von Hans Schinz

Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika, von Hans Schinz. In: Fernschau, Jahrbuch der Mittelschweizerischen Geographischen-Commerciellen Gesellschaft in Aarau. 1890.

Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika, von Hans Schinz. In: Fernschau, Jahrbuch der Mittelschweizerischen Geographischen-Commerciellen Gesellschaft in Aarau. 1890.

Mit seinem wirtschaftsgeographischen Aufsatz, Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika, lieferte Prof. Dr. Dr. Hans Schinz den Hauptbeitrag zum Jahrbuch (Fernschau, 1890: 4. Band) des Mittelschweizerischen Geographischen-Commerciellen Gesellschaft in Aarau.

Hans Schinz  

X. Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika, von Dr. Hans Schinz in Zürich.

Wenige Gebiete des afrikanischen Kontinents erfreuen sich einer im allgemeinen so grundfalschen Beurtheilung wie das Stiefkind deutscher Kolonialpolitik: Südwest-Afrika. Der lächerlichsten Ueberschätzung einerseits steht anderseits die entmuthigendste Unterschätzung gegenüber. Es ist diese Erscheinung um so seltsamer, als doch diese Sphäre keine neu entdeckte, sondern im Gegentheil in ihren allgemeinen Verhältnissen eine durch kundige Reisende gut erforschte ist und es die deutschen Missionare, die dort seit vier Jahrzehnten mit dem Heidenthum im erfolgreichen Kampfe liegen, nie versäumt haben, in ihrem Mutterlande durch Wort und Schrift die Kenntniss dieser abgelegenen Gebiete zu fördern. Dass aber all dies ungehört oder mindestens unverstanden verhallt ist, das beweist die geradezu verblüffende Vertrauensseligkeit, die, nachdem man sich nicht ohne Mühe mit dem ehemals frevelhaft erscheinenden Gedanken eines deutschen Kolonialbesitzes vertraut gemacht hat, den tollsten Vorschlägen, den naivsten Schilderungen entgegengebracht wird. Je toller eine Behauptung, eine leichtfertig hingeworfene Vermuthung ist, um so besser der Empfang, der ihr zutheil wird; jeder Widerspruch, und mag er noch so berechtigt sein, wird unterdrückt.   Der Beispiele hiefür gäbe es Legion. Ich erinnere nur an eines, Angra Pequeña betreffend. Auf dem Wege kostspieliger Bohrungen überzeugte sich der um die deutsche Kolonialentwicklung so verdienstvolle Bremer Kaufmann Lüderitz von der Unmöglichkeit, zwischen Angra Pequeña und den Sanddünen Süsswasser aus der Erdtiefe ans Tageslicht befördern zu können, ein Resultat, das von Geologen und Ingenieuren bereits vorausgesagt worden war, und dennoch wagt es nur wenige Jahre später ein „mit den Landesverhältnissen Vertrauter“, der festen Ueberzeugung Ausdruck zu geben, dass sich in der unmittelbaren Umgebung von Angra Pequeña genügend Wasser finden lasse, um eine ansehnliche Niederlassung zu versorgen! Was Wunder, wenn, nachdem Schilderungen und Behauptungen dieser Art auf das richtige Mass zurückgeführt worden sind, der früheren Ueberschätzung eine nicht minder ungerechtfertigte Unterschätzung gefolgt ist. Dieser von Extrem zu Extrem überspringende Wandel trägt unzweifelhaft die Hauptschuld an dem Zerrbilde, das man sich gegenwärtig von der deutschen südwestafrikanischen Interessensphäre macht; und dieses durch das wirkliche Landesbild zu ersetzen, ist der Zweck der folgenden Schilderung. Wenn wir uns von irgend einem Punkte der Küste, von Angra Pequeña aus z. B., eine Profillinie nach einem unter gleicher Breite der Ostküste gelegenen Orte gezogen denken, so gibt uns diese in ihrer westlichen Hälfte ein getreues Bild der orographischen Gestaltung Südwest-Afrika's, das im grossen Ganzen jeder beliebigen, zwischen Süd- (Oranjefluss) und Nordgrenze (Kunene) gelegenen Breite der dortigen deutschen Interessensphäre eigenthümlich ist. Von Angra Pequeña aus steigt die gedachte Linie erst sanft, späterhin rasch und steil, um sich, nachdem sie die höchste Plateauerhebung erreicht hat, mit schwacher Neigung gen Osten wieder zu senken. Der Leser überzeugt sich, dass die Vergleichung der über das Meer sich erhebenden Rohform Afrika's mit einem umgekehrten Teller, wie dies einst ein geistreicher Kopf that, nicht ohne Berechtigung ist. So einfach präsentiert sich nun aber Südwest-Afrika nicht, wenn wir dieses Gebiet, anstatt aus der alle Einzelheiten verbergenden Vogelschau, aus der Nähe betrachten. Wir erkennen dann, dass es wesentlich drei Terrainformationen sind, aus denen sich Südwest-Afrika aufbaut, und die zum Theil wenigstens die Eigenthümlichkeit der gedachten Profillinie bedingen. Es sind dies:

1) die Formation der Granit- und Gneissmassive;
2) die der Sandsteinplateaux;
3) die der Kalaharidepression.

Die Granit- oder Gneissformation bildet ein zusammenhängendes, die deutsche Interessensphäre gegen den atlantischen Ozean abgrenzendes Gebirgsland, das unmittelbar nördlich vom Oranjeflusse eine Breite von ungefähr 100 km hat, nach Norden zu aber an Terrain gewinnt, sich im Hererolande fächerförmig ausbreitet und dann zwischen der Walfischbai und der Mündung des Kunenestromes, im Kaokofeld, wiederum an die Küste zurücktritt. Gneiss und Granit, schon aus grosser Entfernung an den charakteristischen Bergumrissen erkennbar, sind es namentlich, aus denen sich diese vorzugsweise in nordost-südwestlicher Richtung streichenden Gebirge zusammensetzen; untergeordnet treten auch Diorite, Amphibolite, Serpentine und kristallinischer Kalk auf. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Beitrag: Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika, von Hans Schinz.

Beitrag: Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika
In: Fernschau: Jahrbuch der Mittelschweizerischen Geographischen-Commerciellen Gesellschaft in Aarau
Autor: Hans Schinz et al.
Verlag: H. R. Sauerländer
Aarau, Schweiz 1890
Originalleinenband, 16 x 24 cm, 228 und 58 Seiten, 1 Frontispiz, 50 Abbildungen, 1 Lichtdrucktafel

Schinz, Hans im Namibiana-Buchangebot

Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika (in: Fernschau, 1890)

Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika (in: Fernschau, 1890)

Der hochinteressante Beitrag 'Die deutsche Interessensphäre in Südwest-Afrika' befindet sich als 42-seitige Schrift in dem Schweizer Jahrbuch 'Fernschau' von 1890.

Namibia fürs Handgepäck

Namibia fürs Handgepäck

Südafrika fürs Handgepäck ist eine Sammlung von Auszügen aus Klassikern der südafrikanischen Literatur.

Die Pflanzenwelt Deutsch-Südwest-Afrikas. Mit Einschluss der westlichen Kalachari

Die Pflanzenwelt Deutsch-Südwest-Afrikas. Mit Einschluss der westlichen Kalachari

Die Pflanzenwelt Deutsch-Südwest-Afrikas erschien 1896 im Bulletin de l'Herbier Boissier. Mit Einschluss der westlichen Kalachari.

Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika

Bruchstücke. Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika

Bruchstücke ist eine Sammlung von Briefen des Schweizer Hans Schinz von seinen Forschungsreisen in Deutsch-Südwestafrika.

Weitere Buchempfehlungen

Südwest-Afrika (Verlag Hermann Paetel)

Südwest-Afrika (Verlag Hermann Paetel)

Gekürzte Ausgabe des seltenen Werks 'Südwest-Afrika: Kriegs- und Friedensbilder aus der ersten deutschen Kolonie' im Verlag Hermann Paetel.

Südwest-Afrika: Kriegs- und Friedensbilder aus der ersten deutschen Kolonie

Südwest-Afrika: Kriegs- und Friedensbilder aus der ersten deutschen Kolonie

Karl Dove bereiste 1892-94 Südwest-Afrika zu meteorologischen und wirtschaftsgeographischen Studien und sammelte diese Kriegs- und Friedensbilder aus der ersten deutschen Kolonie.

Deutsch-Südwestafrika (Süsserotts Kolonialbibliothek, Band 5)

Deutsch-Südwestafrika (Süsserotts Kolonialbibliothek, Band 5)

Seltener 5. Band aus der Reihe Süsserotts Kolonialbibliothek: Landeskunde von Deutsch-Südwestafrika.

Winterregen in Deutsch-Südwest-Afrika

Winterregen in Deutsch-Südwest-Afrika

Winterregen in Deutsch-Südwest-Afrika ist die lesenswerte Habilitationsschrift Dr. Leo Waibels von 1922.

Geographische Landschaften Südwestafrikas

Geographische Landschaften Südwestafrikas

Geographische Landschaften Südwestafrikas war eine bedeutende und umfassende geowissenschaftliche geowissenschaftliche und ortkundliche Arbeit.

Afrika, Band 1+2

Afrika, Band 1+2

Sammlung Göschen, Nr. 910 und 911