Die Buschhexe. Ein südwestafrikanisches Märchenbuch, von Wilhelm Kellner

Ein schönes südwestafrikanisches Märchenbuch erlebt nach langer Zeit eine weitere Auflage: Die Buschhexe, von Wilhelm Kellner aus Swakopmund.

Ein schönes südwestafrikanisches Märchenbuch erlebt nach langer Zeit eine weitere Auflage: Die Buschhexe, von Wilhelm Kellner aus Swakopmund.

Ein schönes südwestafrikanisches Märchenbuch erlebt nach langer Zeit eine weitere Auflage: Die Buschhexe, von Wilhelm Kellner aus Swakopmund.

Wilhelm Kellner  

Die Buschhexe: Friedrich war seiner Eltern einziges Kind und ihr ein und alles. Aber er bereitete ihnen viel Kummer, weil er oft in den Busch lief und lange fortblieb. Eines Abends hörte Friedrich vom Rivier herauf seinen Namen rufen. Die Stimme klang seltsam und verlockend zugleich, so daß er an nichts anderes dachte und hinunterlief. Er erblickte aber niemanden. Nur ein Dornbaum, den er noch nie gesehen hatte, stand am Ufer, und was er hörte, war der Wind, der leise in den Ästen klagte. Friedrich wußte nicht, daß sich die Buschhexe im Baume verborgen hatte. Er wunderte sich, als er eine feine Stimme hörte, die sagte: „Wenn du unter diesem Baume gräbst, findest du zwei Zwiebeln, eine große und eine kleine. Nimm die große, zerreibe sie und bestreiche mit dem Saft deine Stirn, so wirst du in einen Schakal verwandelt und verstehst die Sprache aller Tiere. Hebe aber die kleine gut auf; wenn du sie verschlingst, wirst du wieder ein Menschenkind. Da grub Friedrich unter dem Baum, bis er die Zwiebeln fand, tat, was die Hexe ihm geheißen, und fühlte sogleich, daß ihm die Nase lang und die Ohren spitz wurden und wie er sich über und über mit einem Fellchen bedeckte. Auch konnte er nicht widerstehen, sich auf die Erde niederzulassen und auf allen Vieren zu gehen. Er sprang um den Baum herum, schnupperte in die Luft und roch den Bock, den sein Vater geschossen und im Hofe aufgehängt hatte. Schon wollte er sich auf die Hinterläufe setzen und zu heulen anfangen. Doch besann er sich, sprang zu dem Loche, wo er die Zwiebeln ausgegraben hatte, verschlang die kleine und stand sogleich wieder in seiner Menschengestalt unter dem Baum. Da wurde ihm ängstlich zumute, denn es war auch schon dunkel geworden; er rannte zum Haus hinauf, hörte aber hinter sich noch rufen: „Komm morgen wieder, Brüderchen!" Von nun an lief er täglich zum Rivier hinunter, fand jedesmal die Zwiebeln und verwandelte sich in einen Schakal. Das dünkte ihn kurzweiliger als alle Spiele, die er bisher gespielt hatte. Mit der Zeit hatte die Hexe Friedrich ganz sorglos gemacht. Seine Mutter aber bangte sich, weil er an jedem Abend verschwunden war. Eines Tages lief sie ihm heimlich nach und sah beim Dornbaum am Rivier einen Schakal aufrecht stehen, der hob seine Vorderläufe und seinen Hinterlauf, als ob er tanzen wollte. Aber von ihrem Sohne sah sie nichts. Sie rief ihn ängstlich, der Schakal drehte sich um, erblickte sie und wollte schnell die zweite Zwiebel verschlingen. In diesem Augenblick fegte die Hexe, die sich in einen heftigen Wind verwandelt hatte, die Zwiebel durch die Luft davon.

Jetzt wurde Friedrich von einer solchen Angst ergriffen, daß er vor seiner Mutter in den Busch davonlief. Bald besann er sich und wollte zurückkehren, sei es als Mensch oder Tier. Da trat ihm die Hexe in ihrer wahren Gestalt in den Weg, drohte ihm mit ihrem dürren Finger, sagte, daß er nun immer im Busch bleiben müsse und nie wieder zu seiner Mutter zurückfinden werde. Als aber Friedrich an ihr vorüber nach Hause laufen wollte, kicherte sie hinter ihm drein und veränderte Busch und Klippen so, daß der arme Schakal bald nicht mehr wußte, wo er war, sich unter einen Dornbaum legte und die ganze Nacht weinte. Am anderen Morgen schien ihm die Gegend fremd. Er lief und lief und dachte bei sich: Ich muß meine Mutter suchen -und lief doch nur immer mehr in die Irre. Mit Mühe fing er sich zwei Mäuse, die an einem Grasbusch spielten. Vor lauter Kummer schmeckten sie ihm nicht. Um sich besseres Fressen zu fangen, fehlte ihm die Übung.

Eines Tages traf er einen Rudel Schakale, die umkreisten und beschnupperten ihn, und Friedrich stand mit gesträubtem Fell zwischen ihnen. Der Führer des Rudels fragte: „Woher kommst du?" „Vom Farmhaus," antwortete Friedrich. Darauf blickten sie sich zuerst untereinander an und betrachteten dann verächtlich das fremde Tier. Der Anfuhrer aber sagte: „Er scheint für uns zu vornehm zu sein, auch ist sein Geruch nicht unser Geruch." Da sammelten sie sich eilig und trabten davon. Und vor Friedrich stand mit einem Male die Buschhexe und kicherte: „Wie geht es, Brüderchen?" Aber ehe er etwas antworten konnte, war sie verschwunden, nur ein dürrer Kameldornbaum stand ihm Wege. Er lief auf eine Fläche zu, ihn plagte der Hunger. Als er an eine Farm kam, versteckte er sich bis zum Abend hinter einem Felsbock, dann schlich er sich an den Kral. Er hörte die alten Schafe zu ihren Lämmern sagen: „Schmiegt euch dicht aneinander, die Nacht ist dunkel, da geht der Schakal im Busch herum."

Friedrich dachte: Mir tun die armen Schafe leid, aber es koste, was es wolle, ich muß meinen Hunger stillen - kroch durch ein Loch in den Kral und packte ein Lämmchen am Fell. Aber die Schafe blökten so kläglich, das der Farmer mit einer Laterne und einem Knüppel aus dem Hause kam. Friedrich fand das Loch nicht wieder. Schon traf ihn des Farmers Stock. Friedrich dachte, sein letztes Stündlein sei gekommen, er fühlte einen heftigen Schlag an seinem Kopf - da hielt der Mann mit einem Male inne, beugte sich zu dem winselnden, am Boden liegenden Tiere nieder und rief entsetzt: „Da blickt ein Menschenohr aus des Schakals zerschlagenem Löffel heraus, das geht nicht mit rechten Dingen zu!" Trieb seine Schafe in die Ecke, machte das Kraltor weit auf und jagte den
Schakal in die Nacht hinein. Im Velde fegte ein kalter Wind, und als Friedrich eine freie Stelle erreichte, begegnete ihm die Buschhexe, die mit ihren dürren Gliedern gespenstisch in die Nacht aufragte und kicherte: „Wie geht es, Brüderchen? (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Buschhexe. Ein südwestafrikanisches Märchenbuch, von Wilhelm Kellner.

Buchtitel: Die Buschhexe
Untertitel: Ein südwestafrikanisches Märchenbuch
Autor: Wilhelm Kellner
Illustrationen: Adelheid Lilienthal
Verlag: Peter’s Antiques
Swakopmund, 2010
ISBN 0620019204
Broschur, 15x21 cm, 86 Seiten, etliche Farbillustrationen

Kellner, Wilhelm im Namibiana-Buchangebot

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