Deutschlands Griff nach Übersee: Otto von Bismarcks Kolonialpolitik, von Martin Werner
Seine Studie 'Deutschlands Griff nach Übersee: Otto von Bismarcks Kolonialpolitik' hat der Verfasser, Martin Werner, in insgesamt drei Kapitel untergliedert. Zunächst werden im ersten Kapitel die Begriffe Imperialismus und Kolonialismus theoretisch umrissen und voneinander abgegrenzt. Der zweite Teil der Studie beschäftigt sich mit der ablehnenden Haltung Otto von Bismarcks gegenüber dem Erwerb direkter und formeller Kolonien. Mit den Motiven für den Übergang zur staatlichen Kolonialpolitik befasst sich das dritte und umfangreichste Kapitel.
[...] Ziel dieser Untersuchung ist es, die bisherigen historiographischen Erklärungsmodelle für Bismarcks Eintritt in eine offizielle Expansionspolitik darzustellen und sie einer umfassenden konstruktiven und kritischen Analyse zu unterziehen. Bei der Darstellung der Deutungsversuche spannt der Verfasser den Bogen von einigen bekannten Imperialismustheorien bis hin zu spezifisch auf Bismarck bezogenen Erklärungsansätzen und Thesengebäuden. Parallel dazu wird in jedem Unterkapitel der für den jeweiligen Ansatz relevante historische Kontext eingeflochten, wobei besonders die für die Kolonialfrage wesentlichen Argumente der deutschen Kolonialbewegung ab Mitte des 19. Jahrhunderts Berücksichtigung finden werden. In einem zusammenfassenden Resümee wird schließlich der Versuch unternommen, Bismarcks Kolonialpolitik mit dessen Herrschaftstechnik und den Grundprinzipien seiner Staatspolitik in Einklang zu bringen. Die Aufgabe des Buches ist es weniger, auf die Kolonialpolitik des Auswärtigen Amts oder die Politik der Kolonialbeamten in den deutschen Überseebesitzungen vor Ort einzugehen, sondern beschränkt sich vielmehr auf Bismarcks Regierungspolitik in Berlin zwischen der Reichsgründung 1871 und dessen Abtritt 1890, wobei den Ursprüngen für den kolonialen Wendepunkt im Jahre 1884 wie beschrieben besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die starke Konzentration auf die Person Otto von Bismarcks beziehungsweise auf die gouvernementale und weniger auf die zivilgesellschaftliche Ebene ist dem Umstand geschuldet, dass der Reichskanzler während seiner Amtszeit mit Abstand der wichtigste politische Impulsgeber, gleichsam der Motor des politischen Lebens im Reich gewesen war. Parlamentarier oder Kabinettsmitglieder, seien es politische Gegner, seien es politische Freunde, konnten eingedenk seiner umfangreichen formalen Machtbefugnisse und nicht zuletzt auch aufgrund seiner „charismatischen Herrschaft" an den wesentlichen innen- und vor allem außenpolitischen Entscheidungen des Reichs nur marginal partizipieren. Vor allem dem Parlament waren in der deutschen Ausprägung der konstitutionellen Monarchie enge verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. So war die Exekutive gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Noch weniger Einfluss auf den Kanzler aber hatten die für die Kolonialpropaganda so wichtigen Nichtregierungsorganisationen wie der Deutsche Kolonialverein (DK) oder die Gesellschaft für Deutsche Kolonisation (GfDK). Sicherlich war die Außenpolitik im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts generell nicht mehr unabhängig von der öffentlichen Meinung, aber die eigentlichen Entscheidungen fielen immer noch im „außenpolitischen Establishment", also bei Diplomaten, Ministern und Monarchen. Und im Reich selbst waren diese Entscheidungen von Bismarck quasi monopolisiert. So konstatiert auch Thomas Nipperdey: „Außenpolitik der Zeit war Bismarcks Außenpolitik." Um die Problematik nach der Haltung des Kanzlers in der K-Frage umfassend bearbeiten zu können, kann nicht nur ein bestimmter eingeschränkter Quellenbestand befragt werden. Vielmehr ist der äußerst umfangreiche Quellenbestand zu Otto von Bismarck vom Verfasser eingehend nach den für unseren Zweck relevanten Stellen zu Kolonien, Kolonialpolitik und Kolonialismus untersucht worden. Die am häufigsten konsultierten Quellenbestände waren dabei die von Herman von Petersdorff herausgegebenen Gesammelten Werke Otto von Bismarcks, Materialien aus der Politischen Privatkorrespondenz seines ältesten Sohnes und Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Herbert von Bismarck, die Geheimen Papiere des einflussreichen Außenpolitikers des Reichs Friedrich von Holstein, Johannes Lepsius' umfangreiche Aktensammlung über die Politik der Europäischen Kabinette sowie die von Horst Kohl zusammengestellten Politischen Reden Otto von Bismarcks. Sehr hilfreich für die Bearbeitung der Fragestellung waren des Weiteren die trotz ihrer starken politischen Färbung recht ausgewogene Quellenedition von Ernst Jacob sowie jene von Wolfgang J. Mommsen oder Werner Ripper, die eine Vielzahl von Quellen über das Gesamtphänomen des Imperialismus beinhalten. Eine zweite Grundlage für die in der Studie vorkommenden Ausführungen bilden einige Monographien aus der Kolonialismus- und Imperialismusforschung, in denen schwer zugängliche Primärquellen zum Teil bereits ausgewertet worden sind. Dazu zählen vor allem Hans-Ulrich Wehlers Bismarck und der Imperialismus mit dessen immens großem Anmerkungsapparat, sowie die aktuelleren Gesamtdarstellungen über Deutsche Kolonialgeschichte von Winfried Speitkamp und Deutsche Kolonien von Horst Gründer. Von ebenso reichhaltigem Quellenmaterial sind Axel Riehls 'Der Tanz um den Äquator', der von Stig Förster herausgegebene vorzügliche Sammelband 'Bismarck, Europe, and Africa' sowie Wolfgang Mommsens zahlreiche Werke zur Imperialismusthematik. Zwar wurden alle in der Forschungsliteratur vorzufindenden Quellen bereits von den jeweiligen Historiographen gesichtet und bearbeitet, doch bemerkte Jacob Burckhardt einmal sehr zutreffend, dass Quellen ja unerschöpflich seien und deshalb „jeder die tausendmal ausgebeuteten Bücher wieder lesen" müsse, da „sie jedem Leser und jedem Jahrhundert ein besonderes Antlitz weisen."
Dies ist ein Auszug aus der Untersuchung 'Deutschlands Griff nach Übersee: Otto von Bismarcks Kolonialpolitik', von Martin Werner.
Titel: Deutschlands Griff nach Übersee
Untertitel: Otto von Bismarcks Kolonialpolitik
Autor: Martin Werner
Verlag: Diplomica Verlag
Hamburg, 2014
ISBN 9783842898820 / ISBN 978-3-8428-9882-0
Broschur, 16 x 22 cm, 113 Seiten, 9 Abbildungen
Werner, Martin im Namibiana-Buchangebot
Deutschlands Griff nach Übersee: Otto von Bismarcks Kolonialpolitik
Die Studie 'Deutschlands Griff nach Übersee' forscht nach den politischen Beweggründen Otto von Bismarcks für seine 1884 geänderte Kolonialpolitik.