Deutsche Kolonialgeschichte, von Sebastian Conrad

Deutsche Kolonialgeschichte, von Sebastian Conrad. 2., durchgesehene Auflage. München, 2012. ISBN 9783406562488 / ISBN 978-3-406-56248-8

Deutsche Kolonialgeschichte, von Sebastian Conrad. 2., durchgesehene Auflage. München, 2012. ISBN 9783406562488 / ISBN 978-3-406-56248-8

Prof. Dr. Sebastian Conrad beschreibt in 'Deutsche Kolonialgeschichte', wie die koloniale Ordnung funktionierte, wo sie an ihre Grenzen stieß und wie die einheimischen Gesellschaften auf die Fremdherrschaft reagierten. Gleichzeitig bindet er die Geschichte der Kolonien in den größeren Zusammenhang der Globalisierung ein.

I. Einleitung

Die koloniale Vergangenheit ist heute allgegenwärtig, und das nicht nur in den ehemaligen Kolonien. Die Kolonialreiche haben ein Vermächtnis hinterlassen, das sich auch in den Metropolen niederschlägt und in aktuellen politischen Konflikten häufig mitverhandelt wird. Von den Diskussionen über Kopftuchverbote in französischen Schulen über die Entschuldigungen für die Sklaverei in Großbritannien bis zu den Debatten über holländische «Exzesse» in Indonesien: Die Erinnerung an die koloniale Epoche ist beinahe ständig präsent. In Frankreich verfügte das Parlament im Jahre 2005, daß im Schulunterricht die «positiven Aspekte» kolonialer Herrschaft betont werden müßten. Gleichzeitig provozierte die unkritische Deutung der Kolonialzeit in japanischen Schulbüchern gewaltsame Demonstrationen in Beijing und Seoul. Die Klage der Herero gegen die Bundesrepublik hat die koloniale Vergangenheit auch in Deutschland zu einem Thema der öffentlichen Debatte gemacht. In zahlreichen Städten wird über die Umbenennung von Straßennamen diskutiert, die auf unrühmliche Episoden aus der Kolonialzeit verweisen. Die mediale und politische Präsenz der kolonialen Erfahrung ist vor allem ein Effekt des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses. Die Frage nach Zusammenhängen zwischen der kolonialen Ordnung der Welt und der heutigen globalen Integration ist ein Gegenstand hitziger Auseinandersetzung. Begriffe wie Neo-Imperialismus oder Kolonisierung der Köpfe gehören zu den Schlagworten der Zeit. Seit dem 11. September 2001 und der Diskussion über das amerikanische Empire ist die Frage nach der politischen und moralischen Bewertung von Kolonialismus und Imperialismus nicht zur Ruhe gekommen. Auch die aktuelle Aufmerksamkeit für die deutsche Kolonialgeschichte steht in diesem größeren Zusammenhang. Die Fragen der Gegenwart haben die Perspektive auf die koloniale Epoche verändert. Das gilt auch für die Geschichtswissenschaft. Im historischen Rückblick wird deutlich, wie sehr sich seit dem formalen Ende des deutschen Kolonialreichs 1919 die Schwerpunkte verschoben haben. Dabei lassen sich mehrere Phasen ausmachen, die in den jeweiligen Anliegen und Fragen, aber auch in den methodischen Zugriffen grundlegend differieren. Etwas vereinfachend könnte man drei Stoßrichtungen unterscheiden: Eine politisch revisionistische Strömung in den 1920er Jahren als Reaktion auf das Ende des Kolonialreichs; eine kritisch-sozialgeschichtliche Perspektive in den späten 1960er und 1970er Jahren vor dem Hintergrund der Dekoloni-sationsprozesse; sowie eine postkoloniale Geschichtsschreibung seit den 1990er Jahren im Zeichen der Globalisierung.

Konjunkturen des kolonialen Interesses

(1) Nach dem Versailler Vertrag und der Übergabe der überseeischen Besitzungen an die Mandatarmächte gehörten die meisten deutschen Historiker zu der Mehrheit der Bevölkerung, die den Verlust der Kolonien lautstark beklagte. Die Einigkeit hinsichtlich der Kolonialpolitik war in der Weimarer Republik vermutlich größer als vor dem Weltkrieg und reichte über parteipolitische Grenzen hinweg. Auch jetzt, wie schon vor 1914, waren Historiker an der Diskussion nur am Rande beteiligt. Die wichtigsten Publikationen, wie etwa das Deutsche Koloniallexikon aus der Hand des ehemaligen Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Heinrich Schnee, wurden von Kolonialveteranen selbst verfaßt. Das übergreifende Anliegen dieser Werke bestand darin, den Vorwurf gewalttätiger, «unzivilisierter» Herrschaft zu widerlegen, mit dem die Alliierten den Entzug der deutschen Kolonien begründet hatten. Schnee sprach gar von einer «Kolonialschuldlüge». Die meisten Arbeiten lassen sich daher als Teil des großangelegten Versuches deuten, die Leistungen und kulturellen Verdienste der deutschen Kolonialherrschaft herauszustellen, um auf diese Weise für eine mögliche Rückgabe der Kolonien zu werben. [...]

Dies ist ein Auszug aus: Deutsche Kolonialgeschichte, von Sebastian Conrad.

Titel: Deutsche Kolonialgeschichte
Autor: Sebastian Conrad
Verlag: C.H.Beck Wissen
2., durchgesehene Auflage. München, 2012
ISBN 9783406562488 / ISBN 978-3-406-56248-8
Originalbroschur, 12 x 18 cm, 128 Seiten, 2 Karten

Conrad, Sebastian im Namibiana-Buchangebot

Deutsche Kolonialgeschichte

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Deutsche Kolonialgeschichte unter globalgeschichtlichen Perspektiven und Ansätzen der Postcolonial Studies.