Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft, von Wilhelm Külz

Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft, von Wilhelm Külz.

Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft, von Wilhelm Külz. Der Autor in Windhuk, 1908. Foto: Nachlaß Wilhelm Külz

In diesem Kapitel aus seinem Buch Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft, berichtet Wilhelm Külz aus der Zeit der ersten Schutztruppe unter Curt von Francois.

Wilhelm Külz  

[...] Zu dauernder Unterkunft genügten diese Räume natürlich nicht, weshalb sofort mit dem Bau von Unterkunftsräumen, Magazinen und Verpflegsgärten begonnen wurde. Die Truppe führte alles selbst aus; sie fasste die Quellen, legte Lehmgruben an, errichtete Kalk- und Ziegelöfen. Bereits im November 1890 waren die drei erforderlichen Stationsgebäude notdürftig fertig gestellt. Von Windhuk aus wurden ständige Rekognoszierungen in das Hererogebiet, ja selbst bis nach Andara hinauf unternommen. Die Truppe ist offenbar in der Hauptsache aus brauchbaren Leuten zusammengesetzt gewesen. Der Führer urteilt jedenfalls sehr günstig über sie. „Unsere Mannschaften, einzeln betrachtet, waren recht gute Leute, etwa 20 von ihnen würden gute Unteroffiziere und Gendarmen abgegeben haben, geeignet, es mit dem besten englischen Policemen aufzunehmen. Andernfalls hätten wir Offiziere sie nicht so lange allein lassen können. Nach jeder Abwesenheit mussten aber die Zügel wieder straffer angezogen werden und der Dienst verschärft in seine Rechte treten. Der Dienst nahm die Leute im allgemeinen täglich vormittags von 6 - 11 und nachmittags von 3 - 6 Uhr in Anspruch. Sie hatten also viel freie Zeit und waren dann ganz auf sich angewiesen. Unser Wunsch nach einer Bibliothek ging erst 1892 durch Güte der Firma Mittler und Sohn in Erfüllung. Es war also erklärlich, dass die Leute häufig mit dummen Gedanken kamen und manchmal dumme Streiche machten.

Aber im allgemeinen war die Mannschaft von einem guten Geiste beseelt, der schlechte Elemente niederhielt. Die Charaktere der Mannschaften gewannen durch die Rauheit und die Freiheit des Lebens, durch die auf Märschen geforderten Anstrengungen, Mühseligkeiten und Entbehrungen. Durch die Unterwürfigkeit der Eingeborenen, durch die Achtung und das Entgegenkommen der auf dem Fusse vollständiger Gleichheit mit ihnen verkehrenden Ansiedler und Händler und durch die eigene gute materielle Lage erlangten meine Leute einerseits ein gesteigertes Selbstbewusstsein, andererseits wurden sie leider in den leidigen Kolonialklatsch verwickelt. Der einzelne Mann hatte als Wagenführer, Patrouilleur und auf isolierten Posten stationiert ganz selbständig und unter eigener Verantwortung zu handeln, sein Leben einzusetzen und über Leben und Tod anderer zu entscheiden. Diese häufig bewährte Probe gab den Mannschaften ein grosses Selbstvertrauen und bildete ihr Pflichtgefühl. Das gesteigerte Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen machte die Mannschaften sehr viel brauchbarer, umsichtiger und zuverlässiger und hat auch der Disziplin, von einigen Vergehen abgesehen, nicht geschadet.

Die normale Tätigkeit der Truppe erschöpfte sich im Patrouillenreiten. Bei dem geringen Mannschafts- und Pferdebestande konnte schon dieser Patrouillendienst sich nur in sehr bescheidenen Grenzen halten, an ein aktives Eingreifen in die zwischen Hereros und Hendrik Witboi ausgebrochenen Fehden war gar nicht zu denken. Auf die Dauer war dies aber ein unhaltbarer Zustand. Die massgebenden Stellen im Schutzgebiet hatten sich zwar neutral verhalten, aber doch zu erkennen gegeben, dass sie Hendrik für den Friedensstörer hielten. Francois hatte den Krieg zunächst für einen Vorteil gehalten; er belebte nach seiner Ansicht den Handel, schuf herrenloses Land für die Besiedlung, schwächte die Eingeborenen und arbeitete ihrer allgemeinen Entwaffnung vor, aber einmal musste selbst nach seiner Ansicht der Krieg zum Aufhören gebracht werden, denn er erschöpfte die einzige Quelle der Wohlhabenheit des Landes: den Viehbestand.

Nach einer erfolglosen Besprechung zwischen Francois und Witboi in Hoornkranz schloss dieser unter Vermittlung von Bastardunterhändlern mit Maharero direkt Frieden. Dieser Friede hatte die wenig erwünschte Folge, dass die eingeborenen Stämme nunmehr unabgelenkt durch eigene Fehden den Deutschen gegenüber sich nachhaltiger bemerkbar machen konnten. In der Heimat hatte man zur Erzielung des Friedens zwischen den Herero- und Hottentottenstämmen eine Verstärkung der Truppe auf 100 Mann beschlossen. Mitte Februar 1893 sollten sie abgehen. Als aber Anfang Februar die Nachrichten über die eben erwähnten Folgen des Friedensschlusses und die Möglichkeit eines vereinten Vorgehens der Stämme gegen die deutsche Truppe bekannt wurden, kamen am 15. Februar 1893 ein Offizier, ein Sanitätsoffizier, 21 Unteroffiziere, 4 Lazarettgehilfen und 189 Soldaten zur Einschiffung.

Die Truppe marschierte nach ihrer Ankunft von Walfischbai aus in 12 Marschtagen nach Windhuk, eine für nicht akklimatisierte Personen ungeheure Leistung. Die Zweckbestimmung der Truppe ging dahin, Windhuk gegen etwaige Angriffe zu halten, die Siedlungen zu schützen und die deutsche Herrschaft unter allen Umständen im Schutzgebiet aufrecht zu erhalten. Francois beschloss, dem übermütigen Verhalten der Eingeborenen dadurch ein Ende zu machen, dass er ein Exempel statuierte, und suchte sich dazu Hendrik Witboi aus. Am 12. April 1893 überfiel die Truppe Hoornkranz. Witboi entfloh mit den meisten seiner Leute in die Berge und erwies sich keineswegs, wie Francois und die Heimat gehofft hatten, nachhaltig geschwächt, denn wenige Tage nach der Rückkehr der Truppe nach Windhuk wurden dieser durch Witboi ein Rest ihrer Pferde auf dem benachbarten Aredareigas und einem deutschen Händler 120 Pferde abgetrieben.

Dies ermöglichte Witboi einen höchst lästigen Kleinkrieg, den zunächst der inzwischen zum Major avancierte Truppenführer von Francis zu unterbinden suchte. In der Heimat gaben die Vorkommnisse Veranlassung, den Major Leutwein zur Prüfung der Lage in das Schutzgebiet zu entsenden. Leutwein kam in der Neujahrsnacht zum Jahre 1894 im Schutzgebiet an. Die Truppe wurde jetzt zwischen Leutwein und Francois geteilt. Leutwein wollte das östliche, Francois das westliche Namaland pazifizieren. Um keine Verpflegungsschwierigkeiten zu haben, wurde der Baiweg durch Stationen gesichert. Swakopmund, Haigamchab, Salem, Otjimbingwe erhielten Stationen. Leutwein marschierte mit etwa 100 Mann und einem Geschütz zum Hauptsitz des aufsässigen Häuptlings der Khauashottentotten, nach Naossanabis zu Andreas Lambert. Die Truppe rückte in das Lager Lamberts ein.

Lambert wurde, nachdem er trotz anfänglicher Verhandlungen eine feindselige Haltung einnahm, gefangen gesetzt, der Teilnahme an der Ermordung eines weissen Händlers und mehrerer Betschuanen überführt und hingerichtet. Mit seinem Bruder und Nachfolger Eduard Lambert wurde darauf ein Schutzvertrag abgeschlossen. Von Naossanabis marschierte Leutweins Truppe über das verlassene Hoachanas nach Gochas zu Simon Kooper, den Häuptling der Franzmannhottentotten, mit dem gleichfalls ein Schutzvertrag geschlossen wurde. Von Gochas aus wurden in Gibeon und in Bersaba Stationen gegründet.

Francois war inzwischen mit Teilen der Truppe über Keetmanshoop, Bethanien und Warmbad gegangen und hatte an diesen Orten Stationen errichtet. In Bethanien hatten sich Leutwein und Francis vereinigt; letzterer ging über Kapstadt im Juli 1894 auf Heimaturlaub, von dem er nicht wieder zurückkehrte. Leutwein konzentrierte die verfügbare Macht in ein Lager bei Tsubgaus, später in Windhuk, um einen vernichtenden Schlag gegen den in der Naukluft sitzenden Witboi vorzubereiten; er erbat und erhielt hierzu 250 Mann Verstärkung aus der Heimat, da die ihm zur Verfügung stehenden 90 Weissen, 70 Bastards und 2 Geschütze völlig unzulänglich waren. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft, von Wilhelm Külz.

Buchtitel: Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft
Untertitel: Skizzen und Beiträge zur Geschichte Deutsch-Südafrikas
Autor: Wilhelm Külz
Verlag: Wilhelm Süsserott
Berlin, 1909
Leinenband, nachgebunden, 17x24 cm, 375 Seiten

Külz, Wilhelm im Namibiana-Buchangebot

Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft

Deutsch-Südafrika im 25. Jahr Deutscher Schutzherrschaft

Mit Deutsch-Südafrika meint der Autor Wilhelm Külz Südwestafrika und beschreibt dessen Geschichte in diesem seltenen Buch bis zum Jahr 1909.

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