Der Tod an der Grenze. Afrikanische Erzählungen, von Adolf Kaempffer
Drei spannende Erzählungen aus Südwestafrika beinhaltet das Buch 'Der Tod an der Grenze' des Schriftstellers Adolf Kaempffer.
[...] Ende September 1915 drang deshalb General Lukin mit mehreren Schwadronen und Batterien über den Oranje, um eine außenpolitische Ablenkung der aufgeregten Gemüter in der Union zu erzielen. Seine Vorhut unter Colonel Grant wurde bei der einsamen Felsenkuppe von Sandfontein durch deutsche Truppen abgeriegelt, und während der englische General vergeblich versuchte, durch die wilde Felsschlucht bei Norechab ihm zu Hilfe zu kommen, unter schweren Verlusten geschlagen und gefangengenommen. Das war das Gefecht bei Sandfontein, welches dem britischen Einmarsch in das deutsche Schutzgebiet an dieser Grenze ein vorläufiges Ende machte. Aber das Ziel war doch erreicht, die Blicke vieler von den innerpolitischen Vorgängen abgelenkt und nach außen gerichtet. Das Zutrauen zu dem führenden Staatsmann, der den scheinbar so kühnen Griff nach außen gewagt hatte und ihm bald die Landung in Lüderitzbucht folgen ließ, war wesentlich gefestigt. Der Burenaufstand verlor an Aussicht, und Botha verhieß den unschlüssigen, zweifelnden Freischärlern Amnestie, Land in Deutsch-Südwestafrika und eine gesicherte politische Zukunft an Stelle von Bruderzwist und Verwüstung und Bedrohung durch den angeblichen äußeren Feind. Der Burenaufstand zerfiel binnen weniger Monate, und bald darauf wurde die seit langem vorbereitete Offensive der Sechzigtausend gegen Dreitausend in Bewegung gesetzt. Das deutsche Kommando ließ der schon früher erfolgten Entfernung der Zivilbevölkerung und der Eingeborenen aus dem südlichsten Bezirk jetzt tunlichst schnell die Räumung weiter inlands gelegener Striche folgen und warf sich dem von Lüderitzbucht und Swakopmund landeinwärts dringenden Feind mit dem Hauptteil seiner schwachen Streitkräfte entgegen. Der Süden wurde durch eine dünne Linie weit über das riesige Gebiet verstreuter kleiner Formationen vorläufig bis zum übertritt der südafrikanischen Streitkräfte besetzt, die, sich auf den Hauptstraßen sammelnd, den Vormarsch später durch Rückzugsgefechte noch tatkräftig aufhalten sollten, übrigens fiel ihnen die schwierigste Aufgabe zu, gegen den anrückenden Feind aufzuklären und seine Sammelpunkte zu erkunden, und so erhielt Mitte Februar 1915 auch ein Leutnant den Auftrag, von Uhabib an den Oranje und durch die Violsdrift gegen den Platz Steinkopf in der englischen Zone so weit wie möglich vorzureiten. Der Leutnant ritt am nächsten Morgen mit einem Gefreiten und sechzehn Reitern von Uhabib in der Schlucht abwärts. Noch bei halber Nacht trabten sie in dem tiefeingeschnittenen Canon, zwischen Felsen und Blöcken, Treibsanddünen und hartem, starrendem Geäst, von dem das weidende Vieh in der voraufgegangenen Trockenzeit beim täglichen Hindurch der Tausende von Leibern und Hufen alles Zarte und Weiche abgestoßen und heruntergescheuert hatte. Von den Büschen, die nahe an der Pad und den seitlich laufenden Fußwegen standen, hatte das tausendfache Gegenanlaufen alles Biegsame bis auf die kahlen, unnachgiebigen Strünke vernichtet, die hart und stumpf bei jedem Abweichen von der schmalen Reitbahn gegen die Packtaschen und Gewehrschuhe stießen oder den Tieren gegen die Knie schlugen. Atemlos lag die Schlucht; in den beiderseits hochaufragenden nackten Felswänden schien sich die Glut eines ganzen Zeitalters gefangen zu haben und trieb den Pferden und Reitern bald den Schweiß in dampfenden Strömen aus dem Leib. In die dunkle Nacht drang kaum ein schwacher Widerschein vom Licht des nach Westen absinkenden Dreiviertelmondes, während die oben sich schräg bis zu den Bergkämmen fortsetzenden Geröllhalden von einer milden Helligkeit erfüllt waren, darin die Stämme der Kockerbäume, deren karge Kronen vor dem weißlichen Himmel verschwammen, manchmal ohne Bewegung neben der kleinen Truppe herzugleiten schienen. Das Echo der gegen die Felstrümmer klappernden Hufe schallte bald weit vorauf, bald erklang es narrend hinter ihnen, daß die Pferde oftmals unruhig schnaubend gegeneinander drängten, bis die Reiter ihnen begütigend den Hals klopften und leise zu ihnen redeten. Gegen Morgen trieb endlich ein frischer Wind durch die von Osten einfallenden Seitenschluchten herab. Der Leutnant erschauerte leicht. Er empfand die plötzliche Abkühlung fast unangenehm, und da das Schluchtbett sich eben zu einem gemächlichen Tal erweiterte, auf dessen einer Seite sich ein leidlich wegsamer Pfad dahinzog, befahl er halblaut: „Antraben!" [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Der Tod an der Grenze. Afrikanische Erzählungen, von Adolf Kaempffer.
Titel: Der Tod an der Grenze
Untertitel: Afrikanische Erzählungen
Autor: Adolf Kaempffer
Reihe: Die Kleine Glockenbücherei, 19. Band
Verlag: Gauverlag Bayreuth GmbH
Bayreuth, 1943
Original-Kartonband, 12 x 19 cm, 109 Seiten, Textzeichnungen und Einbandvignetten von Kart Stratil
Kaempffer, Adolf im Namibiana-Buchangebot
Der Tod an der Grenze. Afrikanische Erzählungen
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