Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten, von Marion Gräfin Dönhoff

Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten, von Marion Gräfin Dönhoff.

Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten, von Marion Gräfin Dönhoff.

Marion Gräfin Dönhoff beschreibt in Der südafrikanische Teufelskreis die gegenwärtige Situation in Südafrika. Sie hat die Entwicklung in Südafrika von 1960 bis 1989 mit Reportagen und Analysen begleitet.

Marion Gräfin Dönhoff  

Der südafrikanische Teufelskreis: Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten umfaßt die Berichte, die ich in den Jahren von 1960 bis zum Herbst 1988 über Südafrika schrieb. Berichte, die von Sharpeville bis zu den ersten Einbrüchen in die Front der herrschenden National Party reichen - also von der Demonstration unbegrenzter Macht bis zu dem Moment, da nun nagender Zweifel einen Teil der Herrschenden erfaßt hat. Südafrika ist ein Lehrstück für die Verführbarkeit des Menschen durch Macht und für den Erfindungsreichtum der Herrschenden, die ihre Interessen und Vorurteile mit moralischen Motiven so zu camouflieren wissen, daß die Erfinder schließlich selbst die Maskerade für echt halten. Die Apartheid, die dem Außenstehenden als ein primitives, vorindustrielles System erscheint, ist in Wahrheit eine komplizierte und raffinierte Kombination von wirtschaftlichen Interessen, rassischen Vorurteilen und politischen Zwecken. Eine Kombination, die scheinbar unbeabsichtigt ein außerordentlich effizientes Herrschaftssystem darstellt. Die Nederduitse Gere-formeerde Kerk, die große, repräsentative burische Kirche Südafrikas, hat diesem System noch besondere Weihen verliehen, indem sie die Apartheid theologisch rechtfertigte und also mit der Lehre von der gottgewollten Inferiorität der Schwarzen den Menschen, die dieses System praktizieren, jeglichen moralischen Skrupel ersparte.

Die Wirklichkeit Südafrikas ist durch viele Fakten bestimmt. Die beiden wichtigsten sind erstens: Eine Minderheit regiert ohne die Zustimmung der Mehrheit, der die Bürgerrechte vorenthalten werden. Zweitens: Eine hochentwickelte Industriegesellschaft ist mit einem armen, unterentwickelten Land der Dritten Welt zu einer nicht homogenen Einheit verwoben: Jemand hat einmal gesagt, der Computer sei als Instrument für die Apartheid ebenso charakteristisch wie der Sjambok, die Peitsche aus Elefantenhaut, mit der die Polizei die Schwarzen in Schach hält. Seit die portugiesischen Kolonien Mocambique und Angola, die eine Art Pufferzone zwischen Südafrika und der Masse der schwarzafrikanischen Staaten bilden, selbständig geworden sind, hat sich für Pretoria vieles verändert. Das Land, das Jahrzehnte im Windschatten der Geschichte gelebt hat und jede Veränderung als Sünde gegen die Ordnung der Väter empfand, sieht sich plötzlich mit der Wirklichkeit des ausgehenden 20.Jahrhunderts konfrontiert.

Nun steht es vor der Notwendigkeit, in einem »großen Sprung vorwärts« das nachzuholen, was versäumt wurde: die Anpassung an die geschichtliche Entwicklung. Und dies ist schwer, denn es heißt, die Macht nicht mehr monopolisieren zu können, sondern sie mit anderen teilen zu müssen. Das aber hat es wahrscheinlich noch nie gegeben, daß eine herrschende Schicht Macht aufgibt, ohne durch Revolution oder Krieg dazu gezwungen zu sein. Die Schwarzen, vor allem die junge Generation, sind sich plötzlich ihrer Situation bewußt geworden - aus ihrer Perspektive ist Südafrika das letzte Kolonialgebiet des afrikanischen Kontinents. Sie rebellieren, aber da sie keine Möglichkeit haben, sich politisch zu artikulieren und keine Macht, um ihre Wünsche durchzusetzen, suchen sie Zuflucht im Terrorismus. So begann die Eskalation von schwarzer Radikalität und polizeilicher Brutalität, die der Ausnahmezustand, den die Regierung verhängt hat, zu stoppen versucht.

Gewiß ist die militärische Macht der Regierung unvergleichlich viel größer als die Gewalt des Terrorismus, dennoch vermag Terror, wie man weiß, eine Gesellschaft zu zerstören. Schließlich sind weder die Franzosen in Algier noch die Portugiesen in Angola oder Mocambique militärisch besiegt worden, sondern ausschließlich durch wachsenden Terror. Die Regierung ist überzeugt, daß hinter den Unruhen nichts anderes als der Kommunismus steckt. Sie bezeichnet jeden, der gegen Apartheid ist, als Kommunisten. Folge: Die Schwarzen ihrerseits identifizieren jeden, der für Apartheid eintritt, im Umkehrverfahren als Feind des Kommunismus, und ergo setzen sie Apartheid mit Kapitalismus gleich. Wodurch zukünftige Reformen ebenso erschwert werden dürften wie durch die Verteufelung des ANC, die die Botha-Regierung betreibt.

Nachdem im Dezember 1988 unter amerikanischer Führung und mit Zustimmung der Sowjets in New York eine Einigung zwischen Angola, Kuba und Südafrika stattgefunden hat und die Beteiligten sich auch auf einen Terminkalender für den Abzug der Kubaner und die Unabhängigkeit Namibias geeinigt haben, ist eine gewisse Entspannung eingetreten. Nun wird die Behauptung: Moskau schürte den Konflikt in Südafrika und alle oppositionellen Schwarzen seien sowjetische Agenten immer schwieriger zu vertreten sein. Vielleicht wird diese Wende in Zukunft einen positiven Einfluß auf die Apartheid haben. Die Führer des ANC, Nelson Mandela und Oliver Tambo, sind politisch denkende, sich verantwortlich fühlende Menschen, die offiziell und privat immer wieder erklärt haben, daß sie sich einen Mehr-Rassen-Staat wünschen, nicht eine umgekehrte Apartheid, durch welche die Weißen ihrer Rechte beraubt würden.

Aber sie sind entschlossen, nicht auf Gewalt zu verzichten, solange das Regime der National Party seinerseits mit Gewalt diskriminierende Gesetze aufrechterhält, die der schwarzen Mehrheit das Recht vorenthalten, Staatsbürger zu sein, und die ihnen nicht gestatten zu leben und zu arbeiten, wo sie wollen. Die Problematik Südafrikas enthält allen Zündstoff für eine lebensgefährliche Explosion. Es könnte sein, daß dort das letzte Kapitel dieses an Katastrophen so reichen Jahrhunderts geschrieben wird. Es könnte sein, aber es muß nicht sein, denn alle Beteiligten haben doch ein Interesse daran, das Land nicht zu ruinieren: die südafrikanischen Weißen, der ANC sowie die anderen Befreiungsgruppen, die Masse der Schwarzen und schließlich auch der Westen. Es wäre absurd, wenn die Südafrikaner aller Farben nicht einen Weg fänden, um in gemeinsamen Verhandlungen ein Konzept für die Zukunft ihres Landes zu entwickeln - denn schließlich ist es ja ihrer aller Land.

Dies ist eine Auszug aus: Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten, von Marion Gräfin Dönhoff.

Buchtitel: Der südafrikanische Teufelskreis
Untertitel: Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten
Autorin: Marion Gräfin Dönhoff
Deutsche Verlags-Anstalt
Stuttgart, 1987

Dönhoff, Marion Gräfin im Namibiana-Buchangebot

Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten

Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten

Antiquarischer Artikel: Der südafrikanische Teufelskreis. Reportagen und Analysen aus drei Jahrzehnten.

Weitere Buchempfehlungen

Südafrika: Katerstimmung am Kap

Südafrika: Katerstimmung am Kap

Südafrika: Katerstimmung am Kap kritisiert den Verfall von politischer Kultur und Rechtsstaatlichkeit in Südafrika: aktuell und konkret.

People's war: New light on the struggle for South Africa

People's war: New light on the struggle for South Africa

People's war: New light on the struggle for South Africa reports on some 20500 killings as a result of the people’s war the ANC unleashed between 1984 and 1994.

Boererate

Boererate

Boererate bied onontbeerlike pitkos vir geskiedenis-liefhebbers en is ’n nostalgiese terugblik op ’n kosbare stukkie Afrikaner-erfenis.