Der Spurenleser, von Piet van Rooyen

Der Spurenleser, von Piet van Rooyen. Originalausgabe: Die Spoorsnyer. Gamsberg Macmillan Publishers (Pty) Ltd. ISBN 9991601937 / ISBN 99916-0-193-7

Der Spurenleser, von Piet van Rooyen. Originalausgabe: Die Spoorsnyer. Gamsberg Macmillan Publishers (Pty) Ltd. ISBN 9991601937 / ISBN 99916-0-193-7

Der Namibia-Roman 'Der Spurenleser' erschien 1994 unter dem Titel 'Die Spoorsnyer' in der Muttersprache des Autoren, Piet van Rooyen, Afrikaans, und brachte diesem den Hauptpreis eines Romanwettbewerbs ein.

Kuno F. R. Budack  Piet van Rooyen  

1. Kapitel

Der ältere Mann, der Schamane, war bereits in die erste Phase der Halluzination eingetreten. Da waren die gleichen Schlangenlinien, Linien, die daliegen wie die von Elefanten gezogenen Spuren, wenn sie nachts über die Wege laufen und mit Stöcken in ihren Rüsselenden die Erde ritzen. Die Nase des Schamanen hatte noch nicht zu bluten begonnen, das sollte erst später kommen. Aber seine Oberschenkel waren schon mit Gänsehaut bedeckt, seine Achselhöhlen und die Vertiefungen zwischen den Schulterblättern schweißgetränkt. Paul, etwa hundert Meter weiter im Dunkeln, dachte, daß man noch eine Weile liegenbleiben müßte, bevor man näher heranlaufen könnte. Sie waren doch von so weither gekommen und hatten große Schwierigkeiten überwunden, weshalb sollten sie nun alles zunichte machen? Der Sergeant hatte es dagegen eilig, denn seine Zunge war von der Reibung an der aufgesprungenen Unterlippe schon ganz rauh geworden; an der Oberlippe hing ein ornamentaler Schnurrbart. Er fühlte sich so weit von der Sicherheit seines Kleinlasters entfernt, so nahe am Unheil. Tagelang schon sind sie der Spur nachgetrottet, die Augen gebannt auf die von Hacken, Ballen und zu fünfen geordneten Zehen hinterlassenen Kuhlen gerichtet. So ist es nun einmal mit dem irdischen Leib: wo er sich mit seinem dünnsten Ende in den Boden bohrt, hinterläßt er unbestreitbar Zeichen seines Unvermögens, sich in die Luft zu erheben. Nun gibt der Schamane Schnarch- und Belltöne von sich: „Kaat! Kai! Kech-ch-ch!". So äfft der alte Schurke die Geister nach. Die anderen, die beiden jungen Frauen, die beinahe noch Kinder sind, und der Mann mit der Schnittwunde an der Stirn, beugen sich ernsthaft nach vorn und machen nlum. Sie können sie nicht erfassen, das kann nur der alte Mann, aber sie können doch helfen, sie aus der Nacht heraus näher heranzulocken. Sie locken sie an, indem sie die Glut des Feuers richtig im Gange halten, und sich niemals umsehen, auch wenn irgend etwas, sei es lebend oder tot, ihnen über die Schultern blicken sollte. Dazu gehört auch, sie die ganze Nacht hindurch mit Gesang zu unterhalten, das Beben ihrer Körper und die leisen Explosionen ihres Händeklatschens. Jetzt, am Ende ihrer Reise, brauchen sie diese Kraft, die nlum, die kochende Energie, die alles wieder neu macht. Paul kennt all diese Dinge gut, deshalb kann er dem Sergeanten leise zuflüstern: „Laß uns entspannen, sie werden uns die Sache bald viel leichter machen! Der große Schurke ist der alte Kerl da, der tOma, er ist der Gefährliche! Wenn wir noch warten, wird er bald von selber umfallen!" - „Er wird umfallen?" - „Wenn die nIum in ihm zu schwer wird, dann wird er sich hinlegen!" Sie liegen hinter den niedrigen Büschen und blicken in den Feuerkreis hinein, deshalb können sie alles, was vor ihnen geschieht, gut sehen: die zitternden Körper rund um das Feuer, sogar den Schweiß auf den Gesichtern. Der Schamane und seine Gruppe sind zu nahe am Feuer, um die wirklichen Menschen zu sehen, die im Dunkeln liegen. (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Namibia-Roman: Der Spurenleser, von Piet van Rooyen.

Titel: Der Spurenleser
Afrikaanse Originalausgabe: Die Spoorsnyer (Tafelberg, 1994)
Autor: Piet van Rooyen
Übersetzung: Kuno F. R. Budack
Gestaltung: Joseph Madisia
Verlag: Gamsberg Macmillan Publishers (Pty) Ltd
Druck: John Meinert Printing, Windhoek, Namibia
Windhoek, Namibia 2001
ISBN 9991601937 / ISBN 99916-0-193-7
Broschur, 15x21 cm, 116 Seiten

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