Das waren noch Zeiten. Südwester Erinnerungen 1909-1925, von Hans-Dietrich Moldzio

Das waren noch Zeiten. Südwester Erinnerungen 1909-1925, von Hans-Dietrich Moldzio. Kuiseb Verlag. 3. Auflage. Windhoek, Namibia 2013

Das waren noch Zeiten. Südwester Erinnerungen 1909-1925, von Hans-Dietrich Moldzio. Kuiseb Verlag. 3. Auflage. Windhoek, Namibia 2013

Hans-Dietrich Moldzios Südwester Erinnerungen 'Das waren noch Zeiten' aus der Zeit von 1909 bis 1925, sind ein gutes Beispiel für den Lebensweg eines Neuankömmlings und Einjährig-Freiwilligen in Deutsch-Südwestafrika in der Zeit nach den Herero- und Nama-Aufständen.

Hans-Dietrich Moldzio  

(...) Als Leutnants waren bei der Kompanie von Lübbecke, Lößnitzer und der Leutnant der Reserve Dr. Jung. Dieser hatte auch in der Schutztruppe gedient, war aber dann in Bayern Reserveoffizier geworden und machte nun auch eine Übung. Mit mir zusammen übte der Unteroffizier d. Res. Dr. Karl Frey, Oberlehrer an der Oberschule in Windhuk. Meine Freundschaft mit ihm besteht seit dieser Zeit, und er hat mich viele Jahrzehnte später, als es mir nach 1945 sehr schlecht ging, nicht vergessen. In Outjo war wieder einmal Feldgottesdienst fällig, den diesmal der zuständige evangelische Pfarrer abhielt. Der Gottesdienst fand im Beisein der Kompanie und der Zivilbevölkerung unter den Bäumen im Rivier statt. Das Thema war eine Bibelstelle, nach der sieben Brüder hintereinander, aus mir entfallenen und wohl auch dunklen Gründen, die gleiche Frau heirateten. Ich höre heute noch den Geistlichen sagen: „Alle haben sie sie gehabt, wem gehört sie nun?" Denn das stand im Himmel zur Debatte. Es ist mir entfallen, wem sie nun gehörte, ob dem ersten oder dem letzten oder einem aus der Mitte. Es war zumindest ein gewagtes Thema vor vielleicht 100 Junggesellen, von denen viele in der Garnison sicher das gleiche Mädchen gehabt hatten. Ich bin überzeugt, dass bei einer eventuellen Neuverteilung der Outjoer Mädchen im Himmel auch Gott seine Schwierigkeiten gehabt hätte. Ich sehe heute noch meinen verehrten Kompaniechef, Hauptmann Weiß, um nicht rausplatzen zu müssen, seinen Säbel, auf den er sich stützte, mehrfach bis ans Heft in den Riviersand bohren. Den meisten anderen ging es nicht anders, nur hatten nicht alle Säbel. Da damals immer noch die Pferdesterbe ihre Opfer forderte und der Ort Outjo auch für Malaria besonders berüchtigt war, wurde die Kompanie Mitte Dezember 1913 nach Ghaus in den Otavibergen verlegt. Ghaus war Truppenreservat, und es herrschte dort kaum Sterbe, außerdem gab es auch wenig Malaria. Allerdings waren die Unterkünfte schlecht, was die Kompanie nicht gerade begeisterte. Wir ritten über Ekotoweni und Okaputa nach Otavifontein und dann weiter nach Ghaus. Unterwegs war ich Wachthabender auf Pferdewache, während die Pferde nachts weideten. Ich fand den Gefreiten Richard Rothe schlafend, nahm ihm sein Gewehr fort und weckte ihn. Wenn er nicht so fürchterlich geschnarcht hätte, hätte ich ihn gar nicht gefunden. Es war in der Gegend von Okaputa auf einer völlig ebenen Fläche mit sehr hohem Gras. Ich meldete ihn, und er erhielt 14 Tage strengen Arrest, damals in Südwest die Strafe für Wachvergehen. Anderthalb Jahre später traf ich ihn im Gefangenenlager in Kimberley. Er hat mir die Strafe nicht übelgenommen, bot sich mir gleich zum Wäschewaschen an und meinte, dass er die Strafe verdient gehabt hätte. Der Mann hatte den Unterschied zwischen „Schnaps ist Schnaps" und „Dienst ist Dienst" begriffen. Der Truppenposten Ghaus liegt in einem Talkessel der Otaviberge, 18 km nördlich der Eisenbahnstation Guchab an der Strecke Otavi-Grootfontein. Alles lag in Zelten, nur der Kompaniechef hatte ein sehr bescheidenes Steinhaus. Hauptmann Weiß war als einziger in der Kompanie verheiratet. Seine Frau stammte ebenfalls aus Ostpreußen und wohnte nun auch in Ghaus. Es regnete 1913/1914 in dieser sehr guten Regengegend erheblich. Wir Unteroffiziere, die wir eigentlich in den Mannschaftszelten hätten wohnen müssen, wohnten zu zweit in kleinen rechteckigen Grashütten, die mit Truppenzeltbahnen gedeckt waren. Ich habe die ganze Zeit mit Dr. Frey zusammengewohnt. Bei der starken Luftfeuchtigkeit stockte, schimmelte, faulte und rostete buchstäblich alles. Auch waren ständig Gewitter. Ich erinnere mich, dass das eine sechs Stunden währte, scheinbar konnte es nicht aus dem Talkessel heraus. Ein anderes Mal schlug der Blitz in die weidende Pferdeherde. Der Reiter Gehrmann, der Posten stand, fiel bewusstlos um. Er kam später wieder zu sich, hatte aber einen solchen Nervenschock erhalten, dass er untauglich wurde und nach Deutschland zurückging. An einem anderen Tag entliefen während eines Gewitters die Pferde von Hauptmann Willeke, die lange in Arahoab gestanden hatten, dorthin zurück, über 500 km. Es erscheint das wohl heute wegen der vielen Einzäunungen ziemlich unglaubwürdig, aber damals war ja fast nichts eingezäunt. Die Pferde sind erst nach Wochen mit der Bahn wieder zur Kompanie gekommen. Manch fröhlicher Umtrunk hat im Kasinozelt der Offiziere stattgefunden. Oft war auch der Landmesser Walter Volkmann bei uns zu Gast. Dieser, wohl der beste Kenner des Kaokofeldes und ein liebenswerter Mensch, hatte die Farm Auros, die nur wenige Kilometer von Ghaus entfernt lag. Wie oft sagte der gute Linsingen: „Kommen Sie, über lang, über kurz fallt uns doch der Dachstuhl ein, wir nehmen noch einen!" (...)

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Das waren noch Zeiten. Südwester Erinnerungen 1909-1925, von Hans-Dietrich Moldzio.

Titel: Das waren noch Zeiten
Untertitel: Südwester Erinnerungen 1909-1925
Autor: Hans-Dietrich Moldzio
Bearbeitung: K.F.R. Budack; Gunther von Schumann
Verlag: Kuiseb Verlag - Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft
3. Auflage. Windhoek, Namibia 2013
ISBN 9789994576227 / ISBN 978-99945-76-22-7 (Namibia)
ISBN 9783941602816 / ISBN 978-3-941602-81-6 (Europa)
Broschur, 15x21 cm, 299 Seiten, zahlreiche sw-Fotos

Moldzio, Hans-Dietrich im Namibiana-Buchangebot

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