Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero, von Andreas Selmeci und Dag Henrichsen

Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero, von Andreas Selmeci und Dag Henrichsen. Aisthessis Essay, Band 6. Aisthessis Verlag. Bielefeld, 1995. ISBN 3895281220 / ISBN 3-89528-122-0 / ISBN 9783895281228 / ISBN 978-3-89-528122-8

Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero, von Andreas Selmeci und Dag Henrichsen. Aisthessis Essay, Band 6. Aisthessis Verlag. Bielefeld, 1995. ISBN 3895281220 / ISBN 3-89528-122-0 / ISBN 9783895281228 / ISBN 978-3-89-528122-8

Die Studie, Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero, von Andreas Selmeci und Dag Henrichsen, liefert keine literaturwissenschaftliche Deutung von Pynchons Roman.

Dag Henrichsen  

Im Januar 1904 erhob sich in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (DSWA) das Volk der Herero. Der fortschreitende Verlust seines Landes an europäische Farmer und seine Diskriminierung vor dem Recht hatten es dazu getrieben. In den ersten Tagen des Aufstandes wurden auf Geheiß von Oberhäuptling Samuel Maharero etwa 150 deutsche Siedler ermordet. Auf diesen völlig unerwarteten Schlag reagierte das Reich mit aller Härte. Eine Expeditionstruppe unter Generalleutnant Lothar von Trotha versuchte das Volk am Waterberg einzukesseln. Die Schlacht, die dort am 11. August 1904 stattfand, konnte sie zwar für sich verbuchen, doch brach das Gros des Gegners an der schwächsten Stelle der Umzingelung in die Omaheke durch, einen westlichen Ausläufer der Kalahari. Diese panikartige Flucht sollte den Herero zum Verhängnis werden. Von Trotha setzte zu einer Verfolgungsjagd an, um sie noch einmal zu stellen oder noch tiefer in das wasserarme Sandveld zu treiben und ihnen die Rückkehr in ihr angestammtes Gebiet zu verwehren. Am 2. Oktober ließ er bei Osombo-Windimbe demonstrativ Gefangene aufhängen und schickte andere in die Wüste - mit einer Proklamation, die in "Otjiherero", der Sprache der Herero, abgefaßt war:

»Ich der große General der Deutschen Soldaten sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Herero sind nicht mehr Deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält tausend Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muß jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers.« Während diese Methode der Kriegführung ihre verheerende Wirkung zeitigte, wurde von Trotha noch im selben Jahr zurückgepfiffen. Nach einer erfolgreichen Intervention beim Kaiser ließ Reichskanzler Fürst von Bülow den General in einem Schreiben vom 11. Dezember 1904 anweisen, »Konzentrationslager für die einstweilige Unterbringung und Unterhaltung der Reste des Hererovolkes« einzurichten.4 Dieser Terminus technicus und auch die dazugehörende Sache waren eine Innovation, die England im Burenkrieg von 1900 lanciert hatte. Für viele Herero, die nicht im Sandveld verdurstet oder hingerichtet worden waren, begann jetzt das eigentliche Martyrium. Sie starben an ihrer physischen und psychischen Entkräftung sowie an den Krankheiten, die sie sich unter den miserablen hygienischen Bedingungen in den Lagern zuzogen. 1911 lebten innerhalb des sogenannten "Schutzgebietes", d.h. im Zugriff der Kolonialverwaltung, gerade noch etwa 16.000 Herero. Nur ein paar tausend ausgezehrte Gestalten hatten sich über die Grenze von Britisch-Betschuanaland geschleppt, während einige Gruppen durch die deutschen Linien nach Nordwesten ins Ovamboland oder ins Kaokoveld gesickert waren, wo sie sich der administrativen Kontrolle entzogen. Sind die Herero einem systematischen Völkermord zum Opfer gefallen? Zieht sich von der Kolonie Deutsch-Südwestafrika aus eine Blutspur bis zum Holocaust an Juden und Zigeunern? Die Frage mittels Ziffern, sprich mit den Verlustquoten der Herero zu beantworten, ist unmöglich, denn ihre Leichen konnten nicht gezählt werden, und auch für die Zeit vor dem Aufstand gibt es für ihre Gesamtzahl nur grobe Schätzungen von Missionaren, die sich zwischen 35.000 und 80.000 Menschen bewegen! Angesichts dieser Quellenlage erstaunt es nicht, daß sich die Historiker bis heute weder über die Tatsachen noch über die Intentionen der Täter einig geworden sind. Wenn es nach General von Trotha ging, sollten die Herero jedenfalls nicht nur im rein militärischen Sinn "vernichtet" werden. Der Rapport, den er seinen Vorgesetzten am 4. Oktober 1904 schickte, und der von diesen auch gebilligt wurde, formuliert vielmehr ein weiterreichendes Kriegsziel: »Meine genaue Kenntnis so vieler zentralafrikanischer Stämme, Bantu und anderer, hat mir überall die überzeugende Notwendigkeit vor Augen geführt, daß sich der Neger keinem Vertrag, sondern nur der rohen Gewalt beugt. /.../ Deshalb halte ich es für richtiger, daß die Nation in sich untergeht, und nicht noch unsere Soldaten infiziert und an Wasser und Nahrungsmitteln beeinträchtigt. Außerdem würde irgendeine Milde von meiner Seite von Seiten der Herero nur als Schwäche aufgefaßt werden. Sie müssen jetzt im Sandfeld untergehen oder über die Betschuanagrenze zu gehen trachten. Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes, den ich schon 1897 in meinem Bericht an den Reichskanzler für Ostafrika vorausgesagt habe.«

Dieser freimütigen Erklärung halten manche Forscher entgegen, daß die Herero-Proklamation lediglich ein Instrument der »psychologischen Kriegführung« gewesen sei. In der Tat will von Trotha seinen Soldaten bei der Verlesung der Proklamation befohlen haben, daß über Frauen und Kinder bloß »hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen«. Doch ehe sich die Historiker dieses Themas angenommen haben, kam es auf die Tagesordnung der Weltpolitik. Die Kampagne, die Pynchon den alliierten Geheimdiensten zuschreibt, schließt an einen realen Hintergrund an:  [...]

Dies ist ein Auszug aus: Das Schwarzkommando. Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero, von Andreas Selmeci und Dag Henrichsen.

Buchtitel: Das Schwarzkommando
Untertitel: Thomas Pynchon und die Geschichte der Herero
Autoren: Andreas Selmeci; Dag Henrichsen
Reihe: Aisthessis Essay, Band 6
Aisthessis Verlag
Bielefeld, 1995
ISBN 3895281220 / ISBN 3-89528-122-0
Originalbroschur, 13 x 20 cm, 141 Seiten, 15 sw-Fotos

Selmeci, Andreas und Henrichsen, Dag im Namibiana-Buchangebot

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