Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen, von Adolf Kaempffer
Der landeskundige Adolf Kaempffer, selbst in Südwestafrika aufgewachsen, formulierte in seinem Roman 'Das erste Jahr: Roman des kolonialen Morgen' die Herausforderungen in der sinnvollen Nutzung der Kolonien, im angenommenen Fall der Rückgabe an Deutschland.
Lüderitzland ist wieder deutsch. Heiß und still wie je liegt die Hochebene im Süden des Landes in der schattenlosen Mittagsglut. An den kahlen, mit Felstrümmern übersäten Hängen des Tafelgebirges im Osten stößt sich die heiße Luft, fließt in flimmernden Schwaden zurück gegen die Schienenstränge der Nord-Süd-Bahn und verzerrt ihre aus der endlosen Fläche verlaufenden Linien am Horizont zu dem trügerischen Bild eines spiegelnden Sees. Die dürren Dornbüsche darin erhebt die Fata Morgana zu dunklen, schattigen Bäumen, und ein Rubel tummelnder Springböcke scheint bald hoch oben in der Lust zu schweben, bald in den Fluten des Sees unterzutauchen, wo sie dem Blick entschwinden, um plötzlich an anderer Stelle in unwirklicher Größe, mit phantastisch verrenkten Gliedern, über eine Bodenwelle zu geistern. Ab und zu öffnet sich der Rand im Osten zu einer tiefeingeschnittenen Schlucht, aus deren Grund sich ein Rivier zwischen steilen Felswänden in die Ebene hinaufwindet, die Bahnlinie überquert, sich westwärts nach einigen Kilometern in die zweite Stufe hineinzufressen beginnt und in kurzem Lauf mehrere hundert Meter tief zu der Sohle des großen Grabenbruches hinabstürzt, welcher den Süden des Landes in zwei Hochflächen teilt. In der Regenzeit sammeln diese Riviere das aus den steinigen, vielfach zerklüfteten Hochflächen niedergehende Wasser, werden für Tage oder Wochen zu wilden, oft verheerenden Flüssen und füllen das Bett des Fischriviers unten in der mehrere Stunden breiten Tiefebene für Wochen und Monate zu einem breiten, gewaltigen Strom an. Trotzdem die großen Gewitter im Frühjahr den Graden meistens zu überspringen pflegen und er darum selbst wenig Niederschläge bekommt, wird er doch auf diese Weise zur Hauptwasserader des Landes, um deren Besitz zwischen den Braunen der Kamps seit Jahrhunderten gegangen war. Auch die ersten Ansiedler zur deutschen Zeit, in den achtziger Jahren, hatten seine Nähe gesucht und waren erst nach und nach in die grasreicheren Hochländer vorgestoßen. Während hier die natürlichen Vorbedingungen von vornherein auf Viehzucht als alleinigen Wirtschaftszweig hinwiesen, schienen sie im Fischriviergraben auf ackerbauliche Ausnützung des vorhandenen Wasserbestandes zu drängen. So war hier eine Anzahl von Gemischtbetrieben entstanden, in denen der Bewässerungszweig mit der Zeit einen immer größeren Raum eingenommen hatte. Notgedrungen, denn die zu geringen Niederschläge in der Senke hatten der Ausbreitung der Viehzucht bald eine Grenze gezogen, während sich die Hoffnung auf die Bewässerungswirtschaft allerdings ebenso bald als trügerisch erwies. Die gewaltigen, alljährlich durchlaufenden Wassermengen, die alle vier oder fünf Jahre wiederkehrende Überschwemmung, der üppige Baumbestand des Uferwaldes, die großen, offenen Kolke mit ihrem Fischreichtum hatten das falsche Bild eines Wasservorrates vorgetäuscht, welches der Wirklichkeit nicht standhielt, sobald die zur Bewässerung einer größeren Landfläche notwendige Wassermenge entnommen wurde. So hatten die vielleicht unter dem Eindruck besonders guter Regenjahre gemachten Anlagen bald unter Wassermangel zu leiden begonnen, dem durch genügende Dammbauten abzuhelfen den Ansiedlern samt und sonders das Kapital mangelte. Es nützte ihnen nicht viel, daß in guten Regenjahren, wenn der Fluß länger lief und infolgedessen auch länger in die Trockenzeit hinein in den offenen Kolken Wasser hielt, Mais, Luzerne, Tabak, Trauden, Apfelsinen und Mandarinen, Maulbeeren, Aprikosen und was sonst dem willigen Boden anvertraut war, wunderbar gedieh. Einen vorzüglichen Pfeifen- und Zigarrentabak gab die in großen, steinernen Kellern fermentierte eigene Ernte. Einen herrlichen Tropfen die Hanepot-, Kristall- oder Barbarossatrauben. Apfelsinen- und Aprikosenbäume brachen unter der Last ihrer Früchte. Wenn man Wasser hatte. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Roman: Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen, Adolf Kaempffer.
Titel: Das erste Jahr
Untertitel: Roman des kolonialen Morgen
Autor: Adolf Kaempffer
Verlag: Georg Westermann
Braunschweig; Berlin; Hamburg, 1940
Originalleinenband, 13 x 19 cm, 409 Seiten
Kaempffer, Adolf im Namibiana-Buchangebot
Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen
Der kenntisreich und interessant geschriebene Roman 'Das erste Jahr. Roman des kolonialen Morgen' beschreibt die Herausforderungen, die der Autor, nach der fiktiven Rückgabe der Kolonien an Deutschland, recht realistisch einschätzte.
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