Auf verlorenem Posten. Deutsch-Südwestafrika im Ersten Weltkrieg, von Walter Nuhn
Walter Nuhn ist ein renommierter Fachautor im Themenbereich der deutschen Kolonialgeschichte. Sein jüngstes Werk 'Auf verlorenem Posten' nimmt mit dem Titel die Lage der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika im Ersten Weltkrieg vorweg: Kommunikations-, Struktur- und Führungsprobleme führten, neben zahlreichen anderen ungünstigen Faktoren, zu einer unrühmlichen Niederlage der Kaiserlichen Schutztruppe und begünstigten den schnellen Siegeslauf der südafrikanischen Invasoren.
Trügerische Hoffnungen
Wird England die Kongoakte einhalten?
Es war in den letzten Julitagen des Schicksalsjahres 1914. Auf dem Gelände der Großfunkstelle in Windhuk (heute: Windhoek), der Hauptstadt von Deutsch-Südwestafrika, herrschte hektischer Betrieb. Erst im Frühjahr war der Bau des „Funkenturmes" wie die Station allgemein von den Windhukern genannt wurde, so weit fortgeschritten, dass mit den Abnahmeversuchen zur Übergabe der Anlage an die Reichspost begonnen werden konnte. Die Zeit drängte, denn der Weltfriede stand auf des Messers Schneide! Und gerade jetzt in dieser spannungsgeladenen Zeit wurden immer wieder Mängel und Störungen an der Funkanlage festgestellt, mussten immer wieder technische Änderungen vorgenommen werden, um einen reibungslosen Sende- und Empfangsbetrieb zwischen Windhuk und dem Reichssender Nauen in der Heimat sicherzustellen. Als Relaisstation diente die gerade erst in Betrieb genommene Großfunkstelle Kamina in Togo. Immer beängstigender klangen die Meldungen aus Europa, die von Kapstadt her über die englische Überseekabelieitung nach Südwest gelangten: Erst die Meldung von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo, dann das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien und hiernach, mit Ablauf des Ultimatums, die Kriegserklärung der Donaumonarchie an Serbien. Gleich darauf, am 2. August, brach diese Nachrichtenverbindung ab: Die Engländer ließen keineTelegramme in das und aus dem Schutzgebiet mehr durch. Nun blieb nur noch der drahtlose Nachrichtenverkehr mit der Heimat. Doch noch war die Großfunkstelle Windhuk nicht in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Die beiden Küstenfunkstellen Lüderitzbucht und Swakopmund sprangen ein. Sie hatten, obwohl leistungsschwächer als Windhuk, in den Nachtstunden klare und deutliche Funkkontakte mit der Reichsfunkstation Lomé in Togo. Die beunruhigenden Meldungen, die auf diesem Wege vom Spannungsherd Europa in das Schutzgebiet gelangten, überschlugen sich. In der Nacht zum 2. August wurde unter anderem folgendes vom Reichsmarineamt aufgegebene Telegramm empfangen, das an alle in überseeischen Gewässern befindlichen Schiffe der Reichs- und Handelsmarine gerichtet war. Es ließ keinen Zweifel mehr an dem Ernst der Lage aufkommen: „Drohende Kriegsgefahr Russland, Frankreich, England, keinen Hafen anlaufen." Noch in der gleichen Nacht wurde ein weiteres von Kolonialstaatssekretär Dr. Solf an die Gouverneure der Schutzgebiete gerichtetes Telegramm empfangen: „Großmächte sind bemüht zur Erhaltung europäischen Friedens Österreich-serbischen Krieg zu lokalisieren beruhigt Ansiedler da unsere Schutzgebiete außerhalb Kriegsgefahr Weitere Drahtnachrichten folgen." Im Laufe des 2. August ging die Meldung von der Mobilmachung des deutschen Heeres und der Reichsmarine bei den beiden Küstenfunkstellen ein. Endlich, am 4. August, konnte die Großfunkstelle Windhuk ihren vollen Betrieb mit Nauen aufnehmen. Die technischen Probleme waren gelöst und die Probeläufe zur Zufriedenheit der Ingenieure abgeschlossen worden. In der Nacht zum 5. traf dann aus Kamina die von der Südwester Bevölkerung mit Bangen erwartete Antwort auf die Frage „Krieg oder Frieden?" bei der Funkstelle Windhuk ein. Die "Telefunken-Zeitung" berichtete über diese erregenden Nachtstunden auf der Station: „Wieder eine Nachtstunde. Kamina sendet wenig abwechslungsreichen Text: Leitartikel aus einer uralten Berliner Zeitung oder was sonst gerade zur Hand ist. Es kommt ja nur darauf an, Worte zu empfangen, Mechanisch schreibt der Funkbeamte den Text nieder. Plötzlich mitten im Satz eine Pause auf das Zeichen ,Warten'. Darauf 'an alle Schiffs- und Landstationen' und dahinter einige unverständliche Worte - Codeworte - mit dem Zusatz dies Telegramm so oft wie möglich und mit größter Energie in den Äther zu senden. Diesmal war es ernst; der Beamte weiß es, denn er kennt das charakteristische erste Wort im Text. Und nun kommt es Schlag auf Schlag. Deutschland hat an Russland den Krieg erklärt, zweiter August erster Mobilmachungstag, Krieg mit Frankreich, Russland, England. Der Weltkrieg war da! Plötzlich hineingebrochen in die Arbeit und in den Frieden einer aufstrebenden Kolonie, die sich gerade von den Eingeborenen-Aufständen zu erholen anfing." [...]
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Auf verlorenem Posten. Deutsch-Südwestafrika im Ersten Weltkrieg, von Walter Nuhn.
Titel: Auf verlorenem Posten
Untertitel: Deutsch-Südwestafrika im Ersten Weltkrieg
Autor: Walter Nuhn
Reihe: Gondwana History
Verlag: Gondwana Publishers
Windhoek, Namibia 2014
ISBN 9789991689661 / ISBN 978-99916-896-61
Broschur, 17 x 24 cm, 364 Seiten, zahlreiche sw-Abbildungen und Gefechtsskizzen
Nuhn, Walter im Namibiana-Buchangebot
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