Auf Farmen in Südwest, von Beate Tito

Auf Farmen in Südwest, von Beate Tito.

Auf Farmen in Südwest, von Beate Tito.

Beate Tito berichtet aus der Zeit von 1972 bis 1978, die sie als junge Deutsche und Assistentin auf Farmen in Südwest verbrachte.

Die Aufzeichnungen zu diesem Buch entstanden während der Jahre 1972 bis 1978, in denen ich als Assistentin auf einer größeren Farm in Südwestafrika tätig war. Dabei lernte ich das weite Land mit seiner bezaubernden Natur und vielfältigen Tierwelt kennen und lieben. Das Buch berichtet vom Leben und den zahlreichen Abenteuern, die es fast täglich zu bestehen gab, und vom Umgang mit der schwarzen Bevölkerung, von der ich die Hereros am besten kennenlernen konnte. […] In den darauffolgenden Tagen und Wochen bis Weihnachten war es sehr heiß, es gab kaum erfrischenden Regen. Die Tage waren lang und vollgepfropft mit Arbeit bei den Bokkie- und Beesterherden und natürlich mit Vorbereitungen zum Weihnachtsfest. Wir standen in kurzen Hosen in der Kombuis und backten Kekse und kleine Kuchen. Im Store gab es während dieser Zeit besonders viel zu tun, denn die zahlreichen Farmarbeiter hatten wichtige Käufe zu erledigen, über die meistens langwierig verhandelt wurde. Außerdem mußten die Weihnachtsrationen für die Farmleute abgepackt werden, wobei genau zu bedenken war, wer was nach Betriebszugehörigkeit und Ansehen bekommen sollte.

Und es gab Probleme, an die man in Deutschland nicht zu denken braucht. Schokoladenfiguren und Marzipan mußten bis kurz vor der Bescherung im Gefrierfach gelagert werden, weil sie sonst in der vorweihnachtlichen Hitze geschmolzen wären. Die Kerzen lagerten ebenfalls kühl, damit sie auch schön gerade blieben. Am kompliziertesten war jedoch die Beschaffung eines Weihnachtsbaumes, denn es gab dort natürlich keine Tannen oder Fichten. Wir hätten einen Plastikersatz aus Deutschland haben können, aber das lehnten wir ab. Lieber schnitten wir größere Äste von den wenigen vorhandenen Lebensbäumen ab und gruppierten sie in einer Bodenvase. Sie wurden dann genauso geschmückt wie ein Tannenbaum. Einen Tag vor Weihnachten fand auf Initiative der Misses für die schwarzen Arbeiter und deren Familien zu abendlicher Stunde auf der weiträumigen Veranda des Farmhauses eine afrikanische Weihnachtsfeier statt.

Wir hatten mehrere Gallonen Bowle vorbereitet, in kleinen Schalen Lekkers und Kekse zurechtgestellt und wollten Dias und Filme vom Jahresgeschehen auf der Farm zeigen. Die Sonne versank glutrot und tauchte den Großen Waterberg in schimmerndes Purpur, als die ersten Hererofrauen in ihren langen farbenprächtigen Kleidern würdevoll heranschritten und sich still abwartend auf die flache Mauer vor dem Hause setzten. Darauf erschien eine Schar Kinder, die sich ganz im Gegensatz zu normalen Tagen mucksmäuschenstill unter den süßlich duftenden Frangipani stellte. Den Schluß bildeten die Männer, angeführt von dem uralten Hesekiel, der zu einer viel zu großen Khakihose einen schwarzen Cut trug, was ihm ein sehr würdiges Aussehen verlieh.

Inzwischen war nach nur kurzer Dämmerung die Nacht hereingebrochen. Schwach zeichneten sich die Konturen des Großen Waterberges gegen den samtigen Nachthimmel mit seinen funkelnden Sternen und dem silbern scheinenden Mond ab. Wir zündeten unseren Tannenbaum auf der Veranda an, und die vielen Leute nahmen auf der breiten Freitreppe des Farmhauses Platz. Der alte Hesekiel gruppierte die Kinder um sich, und in ihrer für mich damals noch ziemlich fremdartigen Sprache sangen sie das Lied von der Heiligen Nacht und Ihr Kinderlein kommet. Dann zeigten wir Dias vom Hererofest. Das war eine aufregende Sache, denn viele der Leute sahen eine Vorführung dieser Art sicher zum ersten Mal in ihrem Leben und zeigten unverhohlen ihre Freude, wenn sie sich in Lebensgröße auf der Leinwand wiedererkannten. In einer Pause reichten wir die Bowle und Knabbereien, und später sangen die anfangs etwas zurückhaltenden Erwachsenen Lieder.

Ich genoß den Abend sehr und saß die ganze Zeit unter den bunten, eifrig schwatzenden Hererofrauen. Es war eine seltsame Stimmung: die helle Mondnacht, der brennende Weihnachtsbaum, die fremdartige Sprache der Eingeborenen und die afrikanische Nachtmusik der Millionen Grashopper. Später, als alle wieder zu Hause waren, hörte ich noch lange leises Gemurmel aus dem Hererodorf zu meinem Haus heraufdringen, und ich hatte nicht mehr das Gefühl, allein zu sein. An diesem Abend begann eine Freundschaft mit den Eingeborenen, die mich all die Jahre mit ihnen verband.

Am ersten Weihnachtstag hatte die Farmerfamilie ziemlich früh ihre Koffer gepackt und war nach Swakopmund abgefahren, dem etwa 430 km entfernt am Atlantik gelegenen Badeort, um dort in ihrem Sommerhaus den alljährlichen mehrwöchigen Jahresurlaub zu verbringen. Während dieser Zeit war ich die einzige weiße Person auf der Farm. Außer der Hühnerfarm sollte der restliche Betrieb auf Sparflamme laufen, denn bis nach Neujahr waren Betriebsferien angesagt. Viele der Angestellten wollten Besuche auf Nachbarsfarmen machen und hatten sich die damals dazu noch erforderlichen Pässe ausstellen lassen. Es handelte sich hierbei um einfache Zettel, auf denen der Name des Reisenden und die Zahl der Reisetage angegeben wurde, unterschrieben von dem arbeitgebenden Farmer.

Ich selbst würde meine Expeditionen auf das Farmgelände beschränken. Zunächst mußte ich allerdings erst einmal das Weihnachtszimmer vom vorangegangenen Festabend aufräumen, und dabei wurde ich auf angenehme Weise überrascht. Durch die weit geöffneten Fenster hörte ich zittriges Geigenspiel erklingen. Schnell eilte ich nach draußen auf die Freitreppe, wo Moses und seine Frau saßen und gerade begannen, Weihnachtslieder zu spielen und zu singen. Moses hielt in seinen Händen ein aus Sperrholz und geschnitzten Holzteilen selbstgefertigtes geigenähnliches Instrument, dem er mit einem ebenfalls selbstgefertigten Bogen aus gewachsten Zwirnsfäden die zittrigen Töne entlockte. Obwohl die beiden die Lieder in ihrer eigenen Sprache sangen, kamen mir die Melodien doch recht vertraut vor. Ich dankte ihnen für diese so unerwartete Freude und ließ sie etwas aus meinem Weihnachtspaket aus Deutschland aussuchen.

Kurze Zeit später war es allerdings mit der Freude vorbei. Kazohiri, sozusagen Mittelsmann für alle Angelegenheiten, kam eilig zu mir und bat mich, mit Verbandszeug und Omuti bewaffnet mit ihm in die Werft zu kommen. Omuti ist das Hererowort für Medizin allgemein. Natürlich konnte ich nicht irgendeine Medizin mitnehmen und fragte, was denn passiert sei. Ein Reiter war am Vortage vom Pferd gefallen, mit dem Fuß im Steigbügel hängengeblieben und hatte sich am Bein verletzt. Es sei so schlimm, daß er nicht zu mir heraufkommen konnte. Ich bewaffnete mich also mit Verbandszeug und einem Desinfektionsmittel und folgte Kazohiri in die Werft, wo er mich zu einem seiner Pontoks führte, vor dem, umringt von einigen Frauen und neugierigen Kindern, der verletzte Mann lag. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Auf Farmen in Südwest, von Beate Tito.

Buchtitel: Auf Farmen in Südwest
Autorin: Beate Tito
Landbuch-Verlag
Hannover, 1980
ISBN 3784202365
Originalkartoneinband, 15x21 cm,, 191 Seiten, etliche Fotos

Tito, Beate im Namibiana-Buchangebot

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Erinnerungen einer Farmassistentin an die Farm Okosongomingo in Südwest (Namibia).

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