Ansiedler-Schicksale: Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893–1904, von Helene von Falkenhausen

Ansiedler-Schicksale: Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893–1904, von Helene von Falkenhausen.

Ansiedler-Schicksale: Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893–1904, von Helene von Falkenhausen.

Helene von Falkenhausen berichtet in ihrem autobiografischen Werk Ansiedler-Schicksale, über die Lebensumstände während elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika (1893–1904), in diesem Auszug über den Mangel an Schießbedarf, drückende Zölle und die Stellung der Ansiedler.

Helene von Falkenhausen  

[...] Die Scharen lüsterner Vögel, die sowohl unseren Trauben als den Aussaaten so großen Schaden zufügten, würde mein Vater noch viel wirksamer haben bekämpfen können, hätten ihm stets genügend Patronen zur Verfügung gestanden. Aber selbst zu dem alten Lefaucheuxgewehre wurden die ihm gehörigen, mit Vogeldunst geladenen Patronen nach einer Bestimmung der Behörde auf der Feste zurückbehalten und ihm immer nur bis zu fünfzig Stück - ausnahmsweise einmal hundert Stück - zugeteilt. Diese Bestimmung, die Munition betreffend, ist eine sehr große Härte und machte unter der gesamten weißen Zivilbevölkerung viel böses Blut. Nicht nur daß auf Einführung der Waffen hoher Zoll lag und daß einzelne Modelle, z. B. das achtundachtziger Gewehr, überhaupt nicht geführt werden durften, außer von Angehörigen des Windhoeker Schützenvereins, sondern die Regierung hatte, wie gesagt, den gesamten Patronen- und Munitionshandel in Händen, und der Schießbedarf wurde durch den Aufschlag der Regierung unglaublich verteuert. Im Jahre 1895 wurden wir durch Einführung des Zolles beglückt, dem nur wenige Artikel entgingen; auf den meisten lag eine hohe Steuer, besonders auf den sogenannten Genußmitteln, zu denen auch Kaffee, Tee und Tabak gerechnet wurden. Gerade durch den letzteren Zoll hatte die Regierung wohl eine schöne Einnahme; denn nächst Proviant wird nichts mehr gekauft als Tabak. Jeder Schwarze und überhaupt der Eingeborene, ob Mann, ob Frau, raucht die Pfeife, und es ist üblich, jedem Arbeiter wöchentlich ein bestimmtes Quantum dieses meist in Platten gepreßten, ohnehin sehr teuren Tabaks zu verabfolgen. Daß nicht, wie die Beamten oft sagten, die Schwarzen den größten Teil aller Zölle zu tragen hatten, sondern die weiße Bevölkerung, ist ganz klar. So groß auch unsere Freude war, wenn von den Verwandten aus Deutschland Pakete mit Kleidungsstücken oder Lebensmitteln für uns eintrafen, so groß war auch jedesmal beim Empfang unsere Entrüstung über den Zoll, den wir zu bezahlen hatten, und der gar nicht gering war; z. B. kostete ein Hut, ein paar Schuhe je eine Mark. Selbst die wenigen Ausfuhrartikel unterlagen einer Steuer: Straußenfedern, Felle und Gehörne. Wie gern hätten wir unsern Verwandten öfters eine Freude mit derartigen Sachen gemacht; aber die Lust dazu verging einem sehr bald, zumal wenn man noch die Umständlichkeit, mit der die Sendung verpackt werden mußte, kennen lernte. Nur die Waren, die für Missionare und Beamte eingingen, genossen Zollfreiheit; warum gerade für diese letzteren, blieb jedem ein Rätsel, da die Beamtengehälter ungeheuer hoch bemessen sind. Der ohnehin viel schwerer und mit seinem eigenen Gelde arbeitende Ansiedler mußte eben stets bluten und gehörte doch dabei nach einem berühmten Ausspruch „zum Proletariat der Kolonie". An Beamten wimmelte es in Windhoek. Durch die vielerlei Bevorzugungen, welche sie genossen, wurde ein riesiger Dünkel unter ihnen groß gezogen. Der gebildete Ansiedler, der drüben oft mit großen Verlusten zu kämpfen und ungewohnte, schwere Arbeiten zu verrichten hatte, um sich sein Brot zu verdienen, wurde von den Beamten, sogar den gewöhnlichen Schreibern, die doch sämtlich aus der Truppe hervorgegangen waren, herablassend behandelt und mußte manche Ungehörigkeit geduldig hinnehmen, um sich mit den Herren, in deren Händen es lag, ihn eventuell zu schikanieren, nicht zu verfeinden. Gewiß würden die Beamten den Ansiedlern die gebührende Achtung gezollt haben, wenn denselben von „oben" her mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht würde, aber man unterstützte sie in keiner Weise in ihrem Vorwärtskommen. Der Ansiedler galt nichts, schon die Bezeichnung „Ansiedler" faßten manche als Beleidigung auf. [...]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Ansiedler-Schicksale: Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893–1904, von Helene von Falkenhausen.

Buchtitel: Ansiedler-Schicksale: Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893–1904
Autorin: Helene von Falkenhausen
Verlag: Reimer
Berlin, 1904
Originalkartoneinband, 15x22 cm, 260 Seiten

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