Altlasten. Namibias langer Weg in die Unabhängigkeit, von Justine Hunter und weiteren Autoren
In diesem Namibia-Themenschwerpunkt über politische Altlasten Namibias auf dem langen Weg in die Unabhängigkeit, handelt der Beitrag von Justine Hunter von den politischen Auswirkungen der Menschenrechtsverbrechen der SWAPO und dem hartnäckingen Schweigen der einstigen Befreiungsbewegung über Folter und Mord in den eigenen Reihen.
[...] Allzu leicht wird das Aufzeigen der Schattenseiten von Befreiungsbewegungen als Schmähung ihres entbehrungsreichen antikolonialen Widerstandes missverstanden. Tatsächlich waren Schmähkampagnen, welche die Exilführung der Swapo als grausame Folterknechte darstellten, Bestandteil der psychologischen Kriegsführung Südafrikas. Fatalerweise trug dieser Propagandafeldzug dazu bei, dass die verzweifelten Hilferufe namibischer Elternkomitees, die sich aus Angehörigen vermisster Personen zusammensetzten und von schweren Menschenrechtsvergehen in den Exillagern zu berichten wussten, von der internationalen Solidaritätsbewegung weitgehend ignoriert wurden. Zudem verspielten die Komitees ihre Glaubwürdigkeit durch ihre Anlehnung an rechtsgerichtete Gruppierungen. Letztere schlachteten die Vorwürfe im Einklang mit der südafrikanischen Regierung mit leidenschaftlicher Intensität aus. Vereinzelte Kritik kam zwar aus mit der Swapo solidarischen Kirchenkreisen. Als verhängnisvoll erwies sich aber der Unglaube, dass sich die Swapo gegen die Prinzipien gewandt haben könnte, für die sie focht. Doch damit sind die eindeutigen Beweise nicht aus der Welt geschafft. Bis heute ist der Verbleib von circa 2.000 angeblichen Spionen nicht geklärt (die Zahlenangaben sind bislang nicht eindeutig nachgewiesen). Überlebende Ex-Häftlinge beschuldigten die Swapo nach ihrer Haftentlassung und Rückkehr nach Namibia, nach wie vor Gefangene in den so genannten »Erdlöchern« im angolanischen Lubango lebend zurückgelassen zu haben. Prompt folgte die Inschutznahme, dass der Befreiungsbewegung selbstverständlich das Recht zugestanden werden müsse, sich gegen Feindesagenten zu schützen. Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes sollten vor der Gründungswahl und kurz nach der Unabhängigkeit ermitteln, ob NamibierInnen weiterhin gegen ihren Willen in Angola oder Sambia festgehalten werden. Die Delegierten kehrten mit leeren Händen zurück. Daraufhin wurde den Kommissionen von zivilgesellschaftlichen Gruppen vorgeworfen, sachkundige Ex-Häftlinge nicht miteinbezogen zu haben. Die zunehmende parlamentarische Übermacht der Regierungspartei trug dazu bei, dass innerhalb der Legislative keine Plattform zur Debatte der Interniertenfrage etabliert werden konnte. Mit Verweis auf den »Marionettensektor« in den Reihen der Oppositionsparteien - also den Abgeordneten aus der ehemaligen Übergangsregierung von Südafrikas Gnaden - hatte die Swapo jegliche Debatte im Keim erstickt. Indes ist es nicht die schwache Opposition, welche der Swapo Kopfzerbrechen bereitet. Es sind KritikerInnen aus dem Kreise zivilgesellschaftlicher Swapo-Verbündeter, die den Finger in die Wunde legen. Im Jahre 1996 brach Pastor Siegfried Groth ein Tabu, indem er als ehemaliger Flüchtlingsseelsorger die Befreiungsbewegung mit seinem Erinnerungsprotokoll Namibische Passion öffentlich kritisierte. Schließlich wies die Regierungspartei den Antrag zum Schicksal der direkten und indirekten Opfer der Erdlöcher Lubango, fast geschlossen zurück. Er war Ende 2006 von dem Ex-Swapo-Häftling Reinhart Kala Gertze gestellt worden. Er ist Generalsekretär der Oppositionspartei Congress of Democrats und Mitglied in der Ex-Detainee-Bewegung Breaking The Wall of Silence. Die kategorische Ablehnung wurde von der Swapo mit Verfassungsprinzipien begründet, die scheinbar im Sinne der Versöhnungspolitik die Diskussion von historischen Ereignissen untersagten, die sich vor der Unabhängigkeit zugetragen hatten. Jedoch lässt die Swapo keine Gelegenheit verstreichen, um an die Gräueltaten des südafrikanischen Apartheidregimes und den heldenhaften Befreiungskampf zu erinnern. [...]
Dies ist ein Auszug aus dem iz3w-Themenheft: Altlasten. Namibias langer Weg in die Unabhängigkeit, von Justine Hunter und weiteren Autoren.
Titel: Altlasten. Namibias langer Weg in die Unabhängigkeit
Autoren: Kößler, Reinhart; Müller, Tobias; Hunter, Justine; Arndt, Lotte; Jauch, Herbert; Dieckmann, Ute; Rothfuß, Eberhard; Henrichsen, Dag
Herausgeber: iz3w - informationszentrum dritte welt
Freiburg, 2007
Broschur, 21x30 cm, 60 Seiten, durchgehend sw-Fotos
Kößler, Reinhart und Müller, Tobias und Hunter, Justine und Arndt, Lotte und Jauch, Herbert und Dieckmann, Ute und Rothfuß, Eberhard und Henrichsen, Dag im Namibiana-Buchangebot
Altlasten. Namibias langer Weg in die Unabhängigkeit
Die 300. Ausgabe mit einem hochinteressanten Namibia-Themenschwerpunkt über die politischen Altlasten und Namibias Weg in die Unabhängigkeit.
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