Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag), von Carl Einstein

Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag), von Carl Einstein. Hamburg, 2012. ISBN 9783863473495 / ISBN 978-3-86347-349-5

Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag), von Carl Einstein. Hamburg, 2012. ISBN 9783863473495 / ISBN 978-3-86347-349-5

Die folgende Erzählung von Ngurangurane, dem Krokodilmann, stammt aus dem Sagenschatz der schwarzafrikanischen Fang. Dieser Nachdruck des Severus Verlages des 1925 erschienen Sammelbandes 'Afrikanische Legenden' von Carl Einstein, enthält achtzig Märchen, Mythen, Sagen und Legenden aus Schwarzafrika.

Carl Einstein  

Die Erzählung von Ngurangurane, dem Krokodilmann

Vor langer Zeit lebte ein grosser Zauberer. Ngurangurane geheissen, der Krokodilmann. Hier wird erzählt, wie er geboren wurde; das ist die erste Sache. Was er tat und wie er starb, das ist die zweite Sache. All seine Taten zu erzählen, das ist unmöglich; und auch, wer könnte ihrer sich erinnern. Damals wohnten die Fang am Ufer eines grossen Flusses, so breit, dass man nicht das andere Ufer sehen konnte. Sie fischten am Ufer, sie gingen nicht auf den Fluss. Keiner hatte sie gelehrt, Boote auszuhöhlen. Ngurangurane hat sie das gelehrt. Im Fluss lebte ein ungeheures Krokodil. Die Kraft dieses Tieres war wunderbar. Sein Kopf war länger als diese Hütte, seine Äugen grösser als ein ganzes Zicklein, seine Zähne rissen einen Menschen in zwei Stücke, seine Schuppen machten einen Menschen gegen die stärkste Lanze unverwundbar. Es war ein schrecklich Tier; dies hatte den Fang also befohlen: „Jeden Tag sollt ihr mir einen Sklaven zu essen geben; den einen Tag einen Mann, den anderen eine Frau, und an jedem Neumond ein Mädchen, sorgfältig rot gemalt, leuchtend von Fett und rotem Puder. Wenn ihr dies tut, sollt ihr in Frieden leben, wenn nicht, wird grosses Unglück euch heimsuchen. Die erschreckten Menschen schwiegen, und den anderen Tag brachte man dem Krokodil das geforderte Opfer. Den einen Tag einen Mann, den anderen Tag eine Frau, und an jedem Neumond ein Mädchen, glänzend von Öl und rot gepudert. Der Name des Krokodils war Orabure. Die Wasser gehorchten Ombure. Die Wälder gehorchten Ombure. Er war Herr des Waldes, er war Herr des Wassers. Zweimai versuchten die Fang, sich dem von Ombure auferlegten Tribut zu entziehen und verliessen das Land, darin sie wohnten. Eines Tages versammelte der grosse Häuptling alle Häuptlinge in seinem Haus, Er sprach lange; lange nach ihm sprachen die anderen. Da der Palaver beendet war, sprach der grosse Häuptling: „Also ist die Frage des Aufbruchs geregelt. Wir werden weit ziehen, weit von hier, jenseits der Berge. Wenn wir weit sein werden, vom Fluss, weit entfernt von hier, wird Ombure uns nicht erreichen können." Alle antworteten: „Wir wollen gehen; wenn wir weit sein werden, sehr weit vom Fluss, kann Ombure uns nicht erreichen; wir werden glücklich sein." Also ward beschlossen, die Pflanzungen nicht zu erneuen, und dass der ganze Stamm zu Ende der Regenzeit die Flussufer verlasse. So wurde getan. Zu Beginn der trockenen Jahreszeit, wenn die Flüsse vertrocknet und sich gut reisen lässt, setzt der Stamm sich in Marsch. Am ersten Tage ging es rasch, rasch; so rasch, wie man gehen konnte. Jeder Mann trieb seine Frauen an; die Frauen eilten schweigend, gebückt unter der Last der Vorräte und Werkzeuge; man trug alles mit, Töpfe, Geschirre, Körbe, alles, alles. Jede Frau hatte ihre Last. Der grosse Häuptling war an der Spitze, um zu fuhren. Den ersten Tag schauten viele hinter sich und glaubten, das Krokodil zu hören; aber sie hörten es nicht Am zweiten Tag war der Marsch der gleiche; aber man hörte nichts; am dritten Tage war der Marsch der gleiche; man hörte nichts. Am dritten Tage steigt das Krokodil wie gewöhnlich aus dem Wasser und kommt zu dem Platz, wohin man sein Opfer brachte. Nichts. „Was ist das?" Sofort geht er zum Dorf. Er hört kein Geräusch, er tritt ein. [...]

Dies ist ein Auszug aus der Sammlung 'Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag)', von Carl Einstein.

Titel: Afrikanische Legenden
Untertitel: Aus Togo, Mkulwe, Dahome, Sagen der Fang, Legenden der Ababua, Boloki, Upoto, Bena-Kanioka, Bakuba, Baluba, Bahololo, Uruwa, Warundi und Ba Ronga
Herausgeber: Carl Einstein
Verlag: Severus Verlag
Hamburg, 2012
ISBN 9783863473495 / ISBN 978-3-86347-349-5
Broschur, 11 x 17 cm, 284 Seiten

Einstein, Carl im Namibiana-Buchangebot

Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag)

Afrikanische Legenden (Nachdruck Severus Verlag)

Dies ist ein Nachdruck des 1925 erschienen, vielseitigen und historisch wertvollen Sammelbandes 'Afrikanische Legenden' im Severus Verlag.