Abenteuer Südwest. Impressionen aus Namibia, von Ruth Seering

Neben vielen anderen Themen beschreibt Ruth Seering in ihren Reisebericht Abenteuer Südwest: Impressionen aus Namibia auch Details aus der 1980 im Aufbau gewesenen Wermag Südwestafrikas sowie des Buschkrieges zwischen der SADF und der SWAPO.

Ruth Seering  

Der undurchsichtige Krieg

[…] Seit 1976 führen die MPLA und die SWAPO einen gutorganisierten Guerillakrieg gegen die Einwohner von Ovamboland. Namibische Territorialverbände und südafrikanische Truppen schlagen die Angriffe zurück. Der Führer der SWAPO, Sam Nujoma, ist eine bekannte Figur auf dem Parkett der Bonner Diplomatie. Der mittelgroße, untersetzte Schwarze mit dem graumelierten Bart in eleganten Maßanzügen aus der Bondstreet - er hat sein Domizil in London - zeigt meist ein strahlendes Lächeln, das wenig zu seinen Worten und Handlungen paßt. Sam Nujoma wurde 1929 in Ongandjera im Ovamboland geboren. Elf Kinder gehörten zur Familie. Drei starben sehr jung. Ein Bruder fiel während der Ovamboaufstände 1973. Zuerst besuchte Nujoma die Schule der Finnischen Mission. Wie er selbst sagt, lernte er in vier Jahren schreiben, lesen, etwas rechnen und beten. Den Siebzehnjährigen nahm seine Tante mit nach Walvis-Bay, aber schon bald folgte er einem Onkel nach Windhoek. Er arbeitete in verschiedenen Jobs, bei der Eisenbahn, als einfacher Bote, als Büroreiniger. Nach Feierabend besuchte er die Abendschule der Anglikanischen Mission. Zwei Reportern, Alfred Babing und Hans-Dieter Bräuer aus der DDR, erzählte er über diese Zeit: »Bei meiner Arbeit erlebte ich Tag für Tag, wie brutal die Rassisten uns Afrikaner behandeln. Die Ausbeutung war grausam, aber dadurch wuchs auch unsere Empörung. Die faschistische Regierung in Pretoria lenkte die gesamte Staatsmaschinerie, und alles in unserem Lande war im Besitz oder stand unter Kontrolle der weißen Siedler burischer oder deutscher Herkunft.« Als Dreißigjähriger wurde er 1959 Mitglied des OPO, des Ovamboland-Volkskongresses. Daraus entstand die SWAPO, deren Präsident Nujoma seit 1962 ist. Im Exil in verschiedenen afrikanischen und europäischen Staaten baute Nujoma seine Macht aus. Im selben Interview von 1979 erklärte er den DDR-Journalisten: »In Namibia sind vor allem weiße Rassisten deutscher Herkunft an der Macht. Diese Machthaber der alten deutschen Kolonialisten haben sich wie ihre Väter und Großväter zu keiner Zeit in irgendeiner Weise mit den Afrikanern auf eine Stufe gestellt. Sie waren und sind Kolonisten und Faschisten. Heute fürchten sich einige, daß sie die Folgen dieser Politik tragen müssen. Sie fürchten für ihren Besitz und ihr Leben. Diese Leute strotzen vor Falschheit.« Zum Schluß des Interviews erklärte Nujoma die Unterschiede zwischen den beiden deutschen Staaten. »Die DDR ist als sozialistischer Staat mit der Befreiungsbewegung von Namibia eng verbunden. Sie gibt uns umfangreiche materielle und politische Hilfe. Demgegenüber ist die Bundesrepublik Deutschland als Teil des kapitalistischen Systems eine Stütze der Rassisten. Die grundsätzlichen Unterschiede in der Politik der beiden deutschen Staaten werden in ihren Taten außerordentlich deutlich.« Mai 1981. Außenminister Genscher begrüßte den SWAPO-Führer Nujoma in Bonn. Es war der dritte offizielle Besuch. Inzwischen hatte die Politik von US-Präsident Reagan für Südwestafrika eine neue Linie eingeschlagen. Da ergriff der nun zweiundfünfzigjährige Freiheitskämpfer die Initiative. Nujoma, der für die SWAPO ein Büro in Ostberlin hat, was er sich auch in Bonn wünscht, erklärte: »Wenn die Eskalation des Krieges in Südwestafrika weitergeht, werden die Namibia-Deutschen sterben. Wir werden die Bundesrepublik Deutschland dafür verantwortlich machen, weil sie das rassistisch-kolonialistische Südafrika mit Geld und Waffenlieferungen unterstützt.« Es gab in Bonn keinen Protest. Am 31. Oktober 1977 war bereits das deutsche Konsulat in Windhoek geschlossen worden. Das Forschungsinstitut für politische Wissenschaften der Universität Köln hat eine Studie über eine Machtübernahme der SWAPO in Namibia erarbeitet. Es gibt Beweise, daß die neuen Bürgermeister für Windhoek, Swakopmund und Tsumeb bereits in Ostberlin ausgebildet werden. Das Bündnis SED/SWAPO ist ein wichtiger Faktor für die Eroberung des südlichen Afrika. Inzwischen wurde das Berliner Büro der SWAPO zur diplomatischen Mission erhoben. Über dem Haus weht die grün-rot-blaue Fahne der Organisation der Südwestafrikanischen Völker. Das ist keine Impression aus Südwest, sondern ein Alpdruck. Der August 1981 geht zu Ende. Zaghaft beginnt der Frühling in der Etoschapfanne, wird aber bald zu einem flammenden Vorsommer am Kunene. Wenn der Schwarze Erdteil auch keine Winterstarre kennt wie der nördliche europäische Kontinent, so signalisiert der Frühling, wie überall, neues Leben - auch für militärische und terroristische Unternehmen. Der undurchsichtige Krieg geht weiter. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Abenteuer Südwest. Impressionen aus Namibia, von Ruth Seering.

Titel: Abenteuer Südwest
Untertitel: Impressionen aus Namibia
Autorin: Ruth Seering
Verlag: Bastei-Lübbe
2. Auflage. Bergisch Gladbach, 1982
ISBN 3404600606 / ISBN 3-404-60060-6
Originalbroschur, 11x18 cm, 208 Seiten, Karten, zahlreiche Farbfotos

Seering, Ruth im Namibiana-Buchangebot

Abenteuer Südwest. Impressionen aus Namibia

Abenteuer Südwest. Impressionen aus Namibia

Abenteuer Südwest ist eine sehr interessante Sammlung weiblicher Impressionen in Namibia von 1980.

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