Tiere im Veld. Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas. An den Okavangosümpfen, von Fritz Gaerdes

Tiere im Veld. Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas. An den Okavangosümpfen, von Fritz Gaerdes.

Tiere im Veld. Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas. An den Okavangosümpfen, von Fritz Gaerdes.

In seinem Buch Tiere im Veld beschreibt Fritz Gaerdes im Kapitel An den Okavangosümpfen eine Erkundungsfahrt, die er in der Trockenzeit in den frühen 1960er Jahren unternahm und zieht interessante Vergleiche zu den Veränderungen, die er, dreißig Jahre zuvor, während seiner ersten Reise in die Okavangosümpfe wahrgenommen hat.

Holpernd und stoßend kriecht der Landrover über das ausgetrocknete Schwemmland. Wir müssen vorsichtig fahren. Die Elefanten, die in der Regenzeit über das Sumpfland zum Okavango zogen, haben tiefe Löcher in den weichen Boden getreten. Jetzt ist alles steinharter Lehm und jedes Loch versetzt dem Wagen einen rüttelnden Stoß; dann folgen wieder weiche Stellen, wo man tief einsackt. Wie anders sah es aus, als ich vor etwa 30 Jahren in dieser Gegend war! Eine gewundene Buschpad führte durch den Dünenwald zum Grenzposten in Betschuanaland. Wo nun der Landrover schaukelnd seinen Weg sucht, erstreckte sich damals weites Sumpfland. Durch Riet- und Papyrusdickichte, über Teiche, auf denen Teppiche von zartblauen Lotosblüten lagen, brachten uns die Mambukushus und Wasserbuschmänner in schwankenden, leckenden Einbäumen zu den Inseln im breiten Okavango, wo wir Flußpferde und Krokodile beobachten wollten. Das war in einem guten Regen jahr. Jetzt, nach langer Trockenheit, ist der Okavango so flach, wie wir ihn nie zuvor gesehen haben. Auch im Quellgebiet, im Hochland von Angola, muß es wenig geregnet haben.

Den Steindamm bei Andara, den die Missionare über den Okavango bauten, um durch einen Graben Wasser auf ihre Sägemühle zu leiten, und über den sonst der Fluß strömte, kann man trockenen Fußes überschreiten. Uns kommt die Trockenheit gelegen. Seit mehreren Jahren bewegte uns der Gedanke, daß diese Landschaft ein ideales Wild- und Naturschutzgebiet mit einer Tier- und Pflanzenwelt sei, wie sie anderswo in Südwestafrika nicht zu finden ist. Die Strecke ist unbewohnt. In den vierziger Jahren hatte die kleine Eingeborenenbevölkerung sie auf Anordnung der Veterinärbehörde geräumt. Das Gebiet sollte eine Sperrzone gegen das Eindringen von Viehseuchen aus dem Betschuanaland sein.

Wir hatten den Hauptwildschutzbeamten eingeladen, zusammen mit unserer Denkmalsschutzkommision das Gebiet zu besichtigen und sich ein Urteil zu bilden. Ende Oktober ist eine günstige Zeit. Nach dem Veldbrand, der sich durch trockenes Riet und altes Gras gefressen hat, sprießt frisches Grün aus dem Boden und lockt die Tiere zur Äsung. Das Wild, das über die kahlen Flächen zum Schöpfen an den Fluß zieht, läßt sich gut beobachten. Die Sumpfvögel und Sumpfantilopen sind an den tieferen Tümpeln konzentriert, deren grüne Schilf- und Papyrusgürtel dem Feuer widerstanden.

Am Nachmittag sind wir auf der ersten Erkundungsfahrt. Eine dichte Rauchwolke schwebt über dem Sumpfland. Der breite Rietstreifen, der bisher vom Feuer verschont wurde, brennt. Flammenzungen schießen empor; knatternd bersten die halbnassen Stengel und streuen Funken nach allen Richtungen. Vor der Feuerwand machen Vögel Jagd auf die auffliegenden Insekten. Karminbienenfresser, Gabelracken, Strichelracken, Elsterwürger und kleine Falken sind dort beschäftigt. Ein Stück entfernt marschieren vier dunkle Hornraben langsam durchs niedrige Gras. In dem Tümpel daneben waten drei große Sattelstörche; intensiv glänzt das Lackrot der Schnabelspitze.

Wir müssen dem Feuer ausweichen und biegen an einer offenen Stelle, über die zahlreiche Wildfährten führen, in den höher gelegenen Uferwald ein. Das ist ja die Gegend, wo vor vielen Jahren unser erstes Lager war! Dort am Rande des Sumpfes steht noch der riesige Affenbrotbaum, unter dem ich saß und die Sumpfvögel beobachtete, wenn der Aufenthalt im Lager unerträglich wurde. Der dumpfe Rhythmus der fast mannsgroßen Trommeln, das Händeklatschen und die schrillen Töne der Weiber waren hier nur schwach zu vernehmen. Wir wußten damals nicht, was wir heraufbeschworen, als wir durch unsern Dolmetscher die Mambukushu zu einer Tanzvorführung einluden. Eine Nacht und den folgenden Tag ertrugen wir den Lärm; aber als aus entfernteren Dörfern immer neue Tänzer und Tänzerinnen auftauchten, verteilten wir Salz und Tabak und entließen die enttäuschten Teilnehmer, die gern ihr Fest fortgesetzt hätten.

Auch an den hohen Leberwurstbaum erinnere ich mich. Wie damals hängen an den dünnen Stengeln die fast einen halben Meter langen Früchte wie dicke Würste. Der Mambukushu, der uns als Führer dient, findet die alte Pad wieder. Sie ist zugewachsen; umgefallene Baumstämme liegen darüber und müssen umgangen werden. Aus einem Dickicht von Sansiveren und Palmengestrüpp springen zwei gefleckte Buschböcke auf. In dieser Umgebung sind die Tiere nicht selten; bei jedem Besuche sahen wir sie. Und ist das nicht der Baobab, in dessen Rinde 1903 deutsche Schutztruppler auf einer Patrouille ihre Namen einschnitten? Auch heute sind die Schriftzeichen noch nicht zugewachsen.

Viel Wild ist am Nachmittag nicht zu sehen. Aber die zahlreichen Spuren zeigen, daß die Landschaft nicht tot ist. Neben alten Elefantenfährten liegen Bündel von trockenen Sansiverenfasern. Die Dickhäuter haben die saftigen Stengel gekaut und die Fasern wieder ausgespien. Auf der Rückfahrt beobachten wir einige Rietböcke; ein Milchuhu streicht von einem nahen Baum ab; an einem Sumpfloch stehen 6 blaugraue Paradieskraniche neben vier truthahngroßen Sporengänsen. In der Ferne verschwindet ein Trupp schwarzer Gestalten im Waldstreifen: Paviane, wie das Jagdglas zeigt. Vielleicht sind es rhodesische Baumpaviane, die auch im Caprivizipfel vorkommen sollen.

Durch einen trockenen Omuramba schreiten langsam zwei prächtige Kronenkraniche. Ein kurzer Abstecher zu den Flußpferden an ihrem Ruheplatz. Die neun Tiere liegen noch an der gleichen Stelle im flachen Wasser, als ob sie sich nicht gerührt hätten. Dann geht es zurück zum Lager. Morgen wollen wir vor Sonnenaufgang das für den Naturschutz vorzuschlagende Gebiet aufsuchen. Um die Zeit ist das Wild rege, äst noch oder zieht sich vom Schöpfen am Fluß in den Hochwald zurück. Die beiden Schreiseeadler, die in der Frühe mit klingendem Ruf an uns vorüberstreichen, sind ein gutes Vorzeichen. Anfangs führt die Pad durch Baumgruppen und Gebüschinseln. Sandhühner flüchten vor dem ankommenden Wagen. Ein Nackthalsfrankolin verläßt mit lautem Ruf seinen Baumsitz. Im dichten Gebüsch verschwindet ein Sporenkuckuck.

Das Land öffnet sich. Die weiten, trockenen Sumpfflächen liegen vor uns. Da ist auch schon das erste Wild. Aus dem Riet eines offenen Tümpels, auf dem ein Pärchen der schmucken afrikanischen Zwerggänse schwimmt, flüchtet ein starker Rietbock mit zwei kleineren Ricken. Die aufgehende Sonne übergießt die Flächen mit hellem Licht. Und nun geht es Schlag auf Schlag. Noch können wir die Tiere nicht unterscheiden, die sich in der Ferne bewegen. Als wir näherkommen, sehen wir, es ist ein Rudel Halbmondantilopen oder Tsessebes, das jetzt in kurzen, schnellen Sätzen an unserm Wagen vorbei dem Uferwald zustrebt, in dem gerade drei Wildebeeste verschwinden. Aber die Tiere dort drüben können keine Rietböcke oder Tsessebes sein; dafür sind sie zu groß! Jetzt erkennen wir die dicken, nach hinten gebogenen Hörner. Roanantilopen kommen vom Schöpfen am Fluß zurück. Wir sind ihnen ganz nahe, als sie den trockenen Omuramba erreichen, der sich wie eine Zunge in den Hochwald erstreckt.

Der Hauptwildschutzbeamte, der sich eifrig Notizen von den vorkommenden Tieren macht, kann mit dem Schreiben kaum mitkommen. Aus allen spärlichen Riet- und Papyrusgürteln, welche die noch nicht ausgetrockneten Tümpel umgeben, flüchtet bei unserm Nahen Wild. Meistens sind es Rietböcke, die zu mehreren dort in Deckung ruhten. Warzenschweine, einzelne Keiler oder Familien, brechen im nassen Boden. Und da sind auch die Lechwes, die rotbraunen Sumpfantilopen! Ein Rudel von 14 Tieren verschwindet in Richtung auf den Okavango. Böcke mit langen, nach vorn gebogenen Hörnern und hornlose Ricken.

Hier könnte es auch den Sitatunga, den seltenen Wasserkudu geben, für den Sumpf mit Riet und Papyrus Lebensraum ist. Leider bekommen wir ihn nicht zu Gesicht. Aber Oribis sind hier! Zwei der hochläufigen, steinbockähnlichen Tiere flüchten über die Fläche; die sieben Sporengänse, die aus dem Tümpel vor uns abstreichen, haben sie aufgeschreckt. Es wird heiß! Wir verlassen das Sumpf gebiet und biegen in den Uferwald zur Rückfahrt ein. Ein Duiker springt vor uns auf; hin und wieder zeigen sich Warzenschweine. Eine verspätete Roanantilope verschwindet zwischen den Bäumen. Auf den Lichtungen suchen Stahlflecktauben nach Samen. Aus einem Dornbusch fliegt ein Pärchen der blauen Schmetterlingsfinken.

Im Lager von Bagani stellt der Hauptwildschutzbeamte die Liste von den Tieren zusammen, die wir beobachtet haben. 53 Tsessebes, 63 Roanantilopen, 71 Rietböcke, 14 Lechwes, 16 Warzenschweine, 3 Wildebeeste, 4 Kudus, 2 Oribis, 1 Duiker, 2 Buschböcke, 9 Flußpferde habe ich neben den verschiedenen Sumpf- und Wasservögeln gezählt, Der Beamte faßt zusammen:

„Die meisten davon sind Tiere, die im übrigen Südwestafrika nicht vorkommen. Dazu das reiche Vogelleben und eine interessante, eigenartige Landschaft. Die Impalas, die sie früher in dieser Gegend beobachtet haben und die heute anscheinend verschwunden sind, lassen sich wieder einbürgern. Auch für Kaffernbüffel könnte man hier eine Zufluchtsstätte schaffen. Ich bin mit der Denkmalsschutzkommission einer Meinung, daß hier ein Natur -und Wildschutzgebiet entstehen sollte. Die Bedingungen sind sehr günstig. Das Land ist gänzlich unbewohnt. Auf einer Seite bildet der Okavango eine natürliche Grenze. Zusammen mit den 12 Okavangoinseln bei Andara, die ja ebenfalls von der Kommission als Naturpark vorgeschlagen wurden, kann dies Gebiet für Besucher von großer Anziehungskraft werden. Wir wollen hoffen, daß sich die Pläne verwirklichen lassen!''

Weitere Auszüge aus Tiere im Veld: Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas, von Fritz Gaerdes:

Dies ist ein Auszug aus: Tiere im Veld - Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas. An den Okavangosümpfen, von Fritz Gaerdes.

Buchtitel: Tiere im Veld
Untertitel: Lebensbilder aus der Tierwelt Südwestafrikas
Autor: Fritz Gaerdes
Verlag: SWA Wissenschaftliche Gesellschaft
2. Auflage, Südwestafrika; Windhoek, 1977
ISBN 0949995142
Orignal-Leineneinband,Orignal-Schutzumschlag, 14x22 cm, 240 Seiten, 15 Verbreitungskarten, 60 Fotos auf 30 Tafeln

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