Friedrich von Lindequist

Dr. jur. h. c. Friedrich (Fritz) von Lindequist (1862-1945) war ein deutscher Jurist, Kolonialbeamter und der erste zivile Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas.

Dr. jur. h. c. Friedrich (Fritz) von Lindequist (1862-1945) war ein deutscher Jurist, Kolonialbeamter und der erste zivile Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas.

Vorderanschicht Gut Machersleben. Nach 1945 durch die DDR enteignet und als Gehörlosenschule, später zur Unterbringung geistig Behinderter genutzt, steht das geschichtsträchtige Gebäude seit 1993 leer.

Vorderanschicht Gut Machersleben. Nach 1945 durch die DDR enteignet und als Gehörlosenschule, später zur Unterbringung geistig Behinderter genutzt, steht das geschichtsträchtige Gebäude seit 1993 leer.

Rückansicht Villa Macherleben bei Eberswalde. Hier lebten und starben Friedrich von Lindequist und seine Frau Dorothea (1911-1945).

Rückansicht Villa Macherleben bei Eberswalde. Hier lebten und starben Friedrich von Lindequist und seine Frau Dorothea (1911-1945).

Dr. jur. h. c. Friedrich (Fritz) von Lindequist (1862-1945) war ein deutscher Jurist, Kolonialbeamter und der erste zivile Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas.

Friedrich von Lindequist wurde am 15.09.1862 in Wostewitz auf der Insel Rügen als Sohn eines Gutspächters und Beamten geboren. Nach dem Abitur studierte er in Greifswald, Tübingen und Berlin Rechtswissenschaften und war von 1886 bis 1889 als Referendar zunächst in Stettin, dann in Trier, und ab 1892 als Regierungsassessor in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin tätig. Zum Ende des Jahres 1893 wurde er, zusammen mit seinem späteren Vorgesetzten, Major Theodor Leutwein, nach Deutsch-Südwestafrika versetzt. Dort war er Juristischer Beirat des Reichskommissars und Landeshauptmanns Curt von François, leitete die Regionalverwaltung, übernahm 1894 zusätzlich ein Richteramt und rückte 1896, im Rang eines Regierungsrats, zum Vertreter des Gouverneurs auf. Dieses neu geschaffene Amt bekleidete seit kurzer Zeit der Nachfolger Curt von François, Theodor Leutwein. Im Jahr 1900 wurde Friedrich von Lindequist als Verwaltungsschef des deutschen Generalkonsulats nach Kapstadt, Südafrika, versetzt und dort 1902 zum Generalkonsul befördert. In Deutsch-Südwestafrika hatte zwischenzeitlich Lothar von Trotha Theodor Leutwein als Gouverneur und Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe abgelöst, den Herero-Aufstand bekämpft und verließ, ins Reich abberufen, am 19.11.1905 das deutsche Schutzgebiet. Sein designierter Nachfolger als Gouverneur war Friedrich von Lindequist, der die Abberufung von Trothas als Kommandeur der Schutztruppe zur Bedingung für seine Zusage gemacht hatte. Noch im November 1905 trat Friedrich von Lindequist, als erster Zivilist der Landesgeschichte, das Amt als Gouverneur an. Neuer Kommandeur der Schutztruppe wurde Oberst Berthold von Deimling. Friedrich von Lindequist forcierte das Ende des Kriegszustands und erwirkte mit der Hilfe und Vermittlung einiger Missionare der Rheinischen Missionsgesellschaft, darunter August Kuhlmann und Jakob Irle, die Rückkehr tausender Herero aus dem Gebiet der Omaheke. Diese wurden in Sammellagern der Mission aufgenommen und dann in zentralen Lagern interniert. Am 31.03.1907 erklärte von Lindequist den Krieg offiziell für beendet und setzte ein Jahr später die Eingeborenenverordnung in Kraft, die Zuweisung von Siedlungsgebieten, Vieh- und Landbesitz sowie die Ausweispflicht regelte. Ferner trieb er den Ausbau des Eisenbahnnetzes, der Zivilverwaltung und die Gründung einer Landespolizei voran und initierte die Einführung der Karakulschafzucht und die Formierung einiger landwirtschaftlicher Verbände. Sein bereits 1906 eigerichteter Gouverneursrat gab Zivilisten erstmals die Möglichkeit, Fragen der Kolonialverwaltung per Eingabe zu beeinflussen. Im selben Jahr verlieh im die Universität Greifswald die Ehrendoktorwürde. 1907 wies Friedrich von Lindequist das ungefähre Gebiet des heutigen Etoscha-Nationalparks als Wildschutzgebiet aus und wurde, parallel zu seinem Gouverneursamt, zum Unterstaatssekretär im Reichskolonialamt, dem bis Mai 1907 "Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes" bezeichnet, ernannt. Am 20.05.1908 schied er offiziell aus dem Amt des Gouverneurs aus, sein Amtsnachfolger wurde Bruno von Schuckmann. Nach einer neunmonatigen Studienreise durch Deutsch-Ostafrika kehrte Fritz von Lindequist nach Deutschland zurück und heiratete am 20.08.1909 Helene Esther Dorothea von Heydebreck auf dem Gut der Brauteltern, Neu Buckow in Pommern. Ihr Vater war der königlich-preußische Rittmeister Konrad Tessen Friedrich Otto von Heydebreck (1833-1903), ihre Mutter Helene von Zastrow (1838-1920), und Joachim von Heydebreck, von 1912-1914 Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, ihr Cousin. Friedrich von Lindequist wurde im Juni 1910 zum Staatsekretär und, als Nachfolger Bernhard Dernburgs, zum Leiter des Reichskolonialamts ernannt. Am 11.08.1910 wurde seine Tochter, Anna Helene von Lindequist, geboren, die am 31.05.1938 mit Leopold von Caprivi (1906-1984) einen Verwandten des ehemaligen Reichskanzlers, Leo von Caprivi (1831-1899), heiraten sollte. Am 03.11.1911 reichte Friedrich von Lindequist unter Protest sein Abschiedsgesuch ein, als er nach der sogenannten Marokko-Krise, beim Abschluß des deutsch-französischen Marokko-Kongo-Vertrages, von Kaiser Wilhelm II. übergangen wurde. Nachdem sein Rücktritt angenommen worden war, verließ er Berlin und bezog mit seiner Familie die bereits 1906 erworbene Villa Macherslust bei Eberswalde. Ein weiteres Haus hatte er, ebenfalls im Jahr 1906, bei Sellin auf Rügen bauen lassen. Auf Gut Macherslust lebten später auch seine Schwiegermutter sowie sein Schwager, Berndt-Christoph von Heydebreck (1876-1929), und dessen Ehefrau, Elisabeth von Scheele (1874-1946). Hier kam am 18.07.1940 seine erste Enkelin, Dorothea von Caprivi, zur Welt. Seine zweite Enkelin, Friederike Maria von Caprivi, wurde am 25.03.1943 in Neu-Buckow, bei der Familie ihrer Mutter geboren. Friedrich von Lindequist betätigte sich während des Ersten Weltkrieges als Generaldelegierter der Freiwilligen Krankenpflege im Osten, war von 1914 bis 1933 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kolonialgesellschaft und war 1917 Gründungsmitglied der Vaterlandspartei. In der Epoche der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus galt er als führender Repräsentant der Nationalen Konservativen sowie der Kolonialrevisionisten, gehörte dem Kolonialrat des Reichskolonialbundes an und bekleidete das Amt des Vorsitzenden der Generalreferenten des Kolonialpolitischen Amts. In weiteren Ämtern war er Präsident des Deutschen Seevereins, Vorsitzender des Deutschen Schutzbundes und Leiter des Südafrikanischen Ausschusses der Deutschen Akademie in München. 1933 besuchte er Südwestafrika und das ehemalige Deutsch-Ostafrika und schrieb zahlreiche Beiträge über die Veränderungen in den vormals deutschen Interessengebieten. Am 25.06.1945 schieden Friedrich und Dorothea von Lindequist auf ihrem Gut Macherslust, Eberswalde war seit dem 24.04.1945 von den Russen besetzt, durch Freitod aus dem Leben. Seine Tochter übergab 1958 den schriftlichen Nachlaß Fritz von Lindequists an das Bundesarchiv in Koblenz. In Namibia ist die am 'Tintenpalast' in Windhoek vorbeiführende Straße sowie der östliche Eingang zum Etoscha-Nationalpark bei der Feste Namutoni nach Friedrich von Lindequist benannt. In Rügen erinnert der Von-Lindequist-Weg, der am Rande des Ostseebades Sellin in den Dünengürtel führt, an den Bauherren des noch erhaltenen Hauses Lindequist. Wir suchen noch Hinweise zu den Todesumständen und dem Begräbnisort des Ehepaares und sind für Hinweise dankbar.

Literatur von Dr. jur. h. c. Friedrich von Lindequist:

  • Deutsch-Ostafrika als Siedlungsgebiet für Europäer unter Berücksichtigung Britisch-Ostafrikas und Nyassalands. Bericht der 1908 unter Führung des damaligen Unterstaatssekretärs Dr. v. Lindequist nach Ostafrika entsandten Kommission. (in: Schrr. d. Ver. f. Soz.pol. 147, 1912)
  • Die Ansiedelung von Europäern in den Tropen (1912)
  • Die Kolonien (in: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II., Bd. 1, 1914)
  • Denkschrift zur Siedlungspolitik in Deutsch-Südwestafrika vom 19.09.1906 (in: Deutsche Kolonialpolitik in Dokumenten, 1938) Südwestafrikanische Erlebnisse (Unveröffentlicht, Bundesarchiv Koblenz)
  • Die Gründung eines neuen Kolonialreiches (in: Deutschland zeigt den Ausweg, 1933)

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