Die Kinderfarm, von Ernst Ludwig Cramer

Die Kinderfarm, von Ludwig Cramer. Nachdruck der Auflage von 1951 im Gamsberg Verlag, Namibia.

Die Kinderfarm, von Ludwig Cramer. Nachdruck der Auflage von 1951 im Gamsberg Verlag, Namibia.

Aus seinem Buch Die Kinderfarm, erzählt Ernst Ludwig Cramer hier, wie seine Kinder Doris und Günter in die Schule kommen.

Im März 1935 war unsere Doris sechs Jahre alt geworden. Schon lange vorher hatten die Mutter und ich davon gesprochen, daß sie dann zur Schule müsse. Aber wie sollten wir das machen? Die Schule in Windhoek war hundertundvierzig Meilen weit fort. Da hätte Doris dort ganz im Schülerheim bleiben müssen. Wir konnten uns aber nicht an den Gedanken gewöhnen, daß sie so klein von uns fortgehen sollte. Darum sagte ich: „Und wenn ich ihr hier auf der Farm selbst Unterricht gebe?" Die Mutter sagte: „Ich würde das auch sehr gern tun, aber ich muß kochen und das Haus sauberhalten und nach den Kindern sehen und alles für die Kinder nähen, da kann ich nicht auch noch der Doris regelmäßig Stunde geben."- „Nein", antwortete ich, „das kannst du nicht, aber ich werde es versuchen. Dann muß ich mir eben jeden Morgen eine Stunde dafür freihalten." Ich versuchte meine Arbeit so einzuteilen, daß ich jeden Morgen von neun bis zehn Zeit zum Schulegeben hatte. Die Bengels wurden aus der Eßstube hinausgeworfen, sie wollten nicht, aber sie mußten, und Doris lernte i-i-i schreiben. Nach wenigen Monaten konnte sie schon saubere Briefe an die Großmutter und Urgroßmutter in Deutschland schreiben. Bis Weihnachten hatte ich Doris wirklich ein ganzes Schuljahr weit gebracht. Aber dann ging es nicht mehr richtig voran. Ich hatte einfach keine Zeit. Zwei, auch drei Wochen lang fielen oft die Stunden aus; Doris lernte nichts mehr hinzu, und als ich einmal in Windhoek war, dachte ich: ,Jetzt gehe ich zu dem Direktor der Schule und unterhalte mich mit ihm über unsere Kinder." Der Direktor war ein noch junger Mann. In den letzten großen Ferien hatte er sich auf sein Motorrad gesetzt und war von Windhoek aus quer durch Afrika, durch die dicksten Urwälder und die tiefsten Sümpfe und über die breitesten und größten Ströme bis nach Ägypten und an das Mittelmeer gefahren. Zu diesem Direktor sagte ich: „Jetzt muß meine Doris zur Schule, und das Jahr darauf kommt Günter dran und gleich hinterher Helmut. Aber ich weiß nicht, wie ich das bezahlen soll, wenn alle drei hier im Schülerheim wohnen müssen." Der Direktor antwortete: „Machen Sie sich keinen Kummer darüber, Herr Cramer. Den Eltern, die viele Kinder haben, wird geholfen und ein großer Teil des Pensionsgeldes erlassen." Da machte ich mit dem Direktor aus, daß Doris in drei Wochen mit der Schule beginnen sollte und Günter sechs Monate später, zum ersten Februar 1937. Ich kaufte Kleider- und Wäschestoff für Doris ein, damit alles Notwendige für sie genäht werden konnte. Drei Wochen lang kam die Mutter nicht von der Nähmaschine fort, dann war das Kind neu ausgestattet, und ich brachte es zur Schule. Vor der Eingangstür zum Mädchenheim machten wir ein Bild. Da sitzt die Doris ganz links neben ihren Klassenkameradinnen. Auch aus einem anderen Grunde war es sehr wichtig, daß die Kinder während ihrer Schulzeit nicht auf der Farm, sondern in der Stadt wohnten. […]

Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Die Kinderfarm, von Ludwig Cramer.

Buchtitel: Die Kinderfarm
Autor: Ludwig Cramer
Gestaltung: Heiner Rothfuchs
Verlag: Gamsberg Macmillan
2. Auflage, Windhoek, Namibia 1999
ISBN-10: 0868481831
ISBN-13: 9780868481838
Broschur, 15x21 cm, 259 Seiten, 121 sw-Fotos, 1 Karte

Cramer, Ernst Ludwig im Namibiana-Buchangebot

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