Die Bergdama, von Heinrich Vedder

Die Bergdama, von Heinrich Vedder.

Dr. Heinrich Vedder

Die Bergdama, von Heinrich Vedder.

Die Bergdama, von Heinrich Vedder.

Die völkerkundiche Monographie von Heinrich Vedder über die Bergdama in Südwestafrika gilt als ein ethnografischer Klassiker.

Dies ist ein Auszug aus Teil 1: Das Volk und seine Stämme; Einleitung: Nicht nach Millionen zählt das Volk, von dem nachfolgende Blätter handeln. Der Stamm der Bergdama hat gegenwärtig nur etwa 25000 Seelen. In alter Zeit im Herero- und Namalande meistens familienweise schwer zugängliche Gebiete zerstreut bewohnend, hat er nie in die Geschichte Südwestafrikas entscheidend eingegriffen, und was sich an Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen unter ihnen bis in die Gegenwart erhalten hat, bietet nirgendwo und nirgendwann Erfreuliches. Von den Nama im Süden mit der Feuerwaffe dezimiert und unterjocht, von den Herero im Mittellande mit der Keule verfolgt und geknechtet, von den Buschmännern im Norden und Osten mit Giftpfeilen bedroht und versklavt, er fristet seit undenklichen Zeiten ein Leben voll Not und Jammer, Entbehrung und Mühsal. Nur einige Buschmannstämme im Süden Afrikas haben ein gleich schweres Schicksal zu ertragen gehabt; doch konnten sie wenigstens auf eine gute alte Zeit zurückblicken, da ihnen ein weites Gebiet unbestritten zustand. Das kann der Bergdama nicht. Zwar behauptet er, der Ureinwohner wenigstens des Herero- und Namalandes zu sein, und hat darin sehr wahrscheinlich Recht. Vermutlich bevölkerte er in vorgeschichtlicher Zeit die weiten Gebiete Südafrikas ebenfalls, bis ihm die Buschmänner das Gebiet streitig machten, die Namastämme eindrangen, die Buschmänner vom Stamme der Saan oder HeiIIom, die offenbar einen Bruderstamm der Nama darstellen, ihm weite Gebiete im Norden und Osten entrissen und endlich die Herero vor etwa 250 Jahren mit ihren Rinderherden das Mittelland besetzten. Es mag hierher gesetzt werden, was Professor von Luschan über den Zusammenhang eines sagenhaften südafrikanischen Pygmäenstammes, Kattea genannt, mit unsern Bergdama in Dr. G. Buschans Völkerkunde sagt:

„In den Erzählungen der Buren spielen neben den Buschmännern auch die Kattea eine große Rolle: das sollen Pygmäen im nördlichen Transvaal sein, noch kleiner als die Buschmänner und von ganz dunkler Hautfarbe, die manchmal als negerhaft, manchmal sogar als „pechschwarz" bezeichnet werden. Ich habe mich an Ort und Stelle vielfach bemüht, Näheres über diese Leute zu erfahren, die sich durch Farbe und Statur ebensosehr von den hellen, kleinen Buschmännern wie von den dunklen, großen Kaffern unterscheiden sollten, aber ich habe nicht nur selbst keinen Kattea zu Gesicht bekommen, sondern auch keinen glaubwürdigen Mann gefunden, der sie anders als vom Hörensagen gekannt hätte. Nur die alten Märchen wurden auch mir wieder aufgetischt, daß sie sich mit Vorliebe von Aas nährten und daher von den Kaffern Hunde oder Geier genannt würden, während die Buschmänner sie als Affen bezeichneten und ihnen Kannibalismus vorwürfen."

Was von diesen Angaben nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, scheint auf einer Verwechslung mit den Bergdamara zu beruhen, von denen wir allerdings auch noch sehr wenig wissen. Es scheint aber in der Tat, als ob sie klein und sehr dunkel wären. Passarge beschreibt zwei Leute mit einer Haut von „bläulichschwarzer Farbe, wie ich sie noch niemals bei Negern gesehen habe", und mit einer besonders häßlichen, „übertrieben" negerhaften Gesichtsbildung; er weist auf die Möglichkeit hin, daß „wir in den Bergdamara vielleicht wirklich Reste der Urneger vor uns haben, die am weitesten nach Südwest vorgeschoben sind.“ Leider ist die ursprüngliche Sprache der Bergdamara noch völlig unbekannt; sie scheinen gegenwärtig alle Nama zu reden, also eine typische Hottentottensprache. Die Gerüchte von Leuten ihres Stammes, die noch ihre alte Sprache redeten, haben sich bisher nicht bewahrheitet; es wäre von größter Wichtigkeit, solche Leute zu ermitteln und ihre Sprache zu studieren.

Wer heute die arbeitenden Bergdama an den größeren Ortschaften Südwestafrikas beobachtet, wird freilich bezweifeln, ob obige Zusammenhangsvermutungen begründet sind. Man sieht unter ihnen zahlreiche kräftig entwickelte und hoch gewachsene Personen, allerdings mit „bläulich-schwarzer" Hautfarbe und groben Gesichtszügen, aufgeworfenen Lippen und plattgedrückter, breiter Nase, die aber keine charakteristische Eigenschaft der Pygmäen aufzuweisen haben. Wer jedoch die jetzt nur selten sich bietende Gelegenheit hat, unentdeckte Werften im Busch zu finden oder Bergdama zu treffen, die ihre elende Freiheit in den Bergen noch nicht mit einem geordneten Dienstverhältnis bei den Weißen und geordneter Ernährungsmöglichkeit vertauscht haben, wird schon beim ersten Eindruck den Vermutungen von Luschans beistimmen. Und wer die Lebensweise dieser Wildlinge eingehender studiert, wird völlige Übereinstimmung in dem, was man von den Kattea unter den Buren sagt, und was man von den unberührten Bergdama heute noch sehen kann, konstatieren können, abgesehen vom Kannibalismus.

Gegenwärtig lebt in den Otavibergen noch ein kleiner Bergdamastamm, |Ou-khoin genannt |Ou = Spitze eines Berges, khoin = Leute, also „Bergspitzenbewohner" zum Unterschied von den |Hom-daman, |homi = Berg. Mit diesen Leutchen kam ich in mehrfache und enge Berührung. Sie leben noch im Urzustand und sind nur schwer seßhaft zu machen. Unter ihnen fand ich Frauen von 1,30 bis 1,40 m, und Männer von 1,45 m sind nicht selten unter ihnen. Sie leben in einem Schmutz, daß eine wahrheitsgetreue Beschreibung dem, der nicht selbst Augenzeuge war, als übertrieben klingen muß, und essen alles, aber auch alles, was irgend genießbar ist. Ein schon tagelang verscharrt gewesener Tierkadaver, eine im Kuhkraal eines Weißen erhaschte Plazenta wird als Nahrungsmittel ebensowenig verschmäht wie Raupen, Maden, Paviane, Hunde, Mäuse u. dgl. […]

Dies ist ein Auszug aus Teil 1 der Studie: Die Bergdama, von Heinrich Vedder.

Buchtitel: Die Bergdama
Bände 1 und 2 in einem Band
Reihe: Hamburgische Universität: Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde (Fortsetzung der Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts), Band 11 und Band 14
Reihe B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen, Band 7 und Band 8
Autor: Heinrich Vedder
Verlag: Friederichsen
Hamburg, 1923
Leinenband der Zeit, 20x27 cm, 199 und 133 Seiten

Vedder, Heinrich im Namibiana-Buchangebot

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