Eine Flugreise über Südwestafrika und Südafrika 1934, Teil 1: Start in Windhoek

Eine Flugreise über Südwestafrika und Südafrika 1934. Start in Windhoek.

Eine Flugreise über Südwestafrika und Südafrika 1934. Start in Windhoek.

Eine namentlich nicht bekannte Autorin berichtet im Afrikanischen Heimatkalender von 1934 über eine Flugreise, die in Windhoek begann und über Südwestafrika nach Johannesburg in Südafrika führte.

Nun kommt er also doch zustande, mein erster richtiger Streckenflug! Von Windhuk nach Johannesburg!, das ist eine Strecke von fast 1700 Kilometern, und ich denke an meine Reise mit den Kindern vor gut 2y2 Jahren zurück, als wir in der Eisenbahn 4 Tage und 4 Nächte dazu brauchten; im Flugzeug bringt man die Entfernung in 14 Stunden hinter sich! Endlich bricht der Dienstag an, der Tag der Abreise, und der Vormittag vergeht viel zu langsam für meine Ungeduld. Gleich nach dem Essen geht's auf den Flugplatz hinaus. Draußen steht schon der große silberne Vogel und der Propeller brummt. Schnell sind die Post und unsere Handtaschen eingeladen, nachdem wir im Büro gewogen worden sind, und es geht ans „Auf Wiedersehen" sagen. Das ist schnell abgemacht, wir klettern in die Kabine, die Tür schließt sich. Dann braust der Propeller, die Bremsklötze werden weggezogen, und unter fröhlichem Winken rollen wir aufs Feld hinaus. Der Pilot dreht die Maschine gegen den Wind, gibt Vollgas und wir starten direkt gegen die Flugzeughalle zu - schnell knipse ich sie alle, wie sie da unten stehen - und in einer herrlichen Spirale läßt der Pilot die Maschine steigen bis wir die nötige Höhe haben, um über die Auasberge abbrausen zu können. Es geht immer alles so schnell im Flugzeug; im Nu ist dort unten alles winzig klein, wir haben die Richtung nach Süden genommen und schweben im nächsten Augenblick schon über den Bergen.

Wunderbar dehnt sich das Gebirge zerklüftet unter uns, durchschlängelt von der Bahnlinie und der Autostraße. Unsere Maschine klettert noch höher. Der Pilot hatte mir schon gesagt, daß er bis Keetmanshoop hoch fliegen werde, weil in der Mittagshitze die unteren Luftschichten sehr bewegt sind; so sind wir schließlich auf über 1000 m über der Erde und es ist herrlich frisch da oben. Eintönig und grau ist das Land, der Horizont kaum zu sehen, so flimmert die Mittagsglut, die wenigen Sträucher und Bäume sehen wie  vereinzelte Kohlköpfe aus, ab und zu durchzieht ein trockener Flußlauf das Land und sieht in seinen seltsamen Windungen aus, als hätten Kinder eine Fratze gezeichnet. Ich richte mich gemütlich in der Kabine ein, krame meine Zeitungen vor und fange an zu lesen; zu sehen gibt's doch nichts Besonderes jetzt. Der Pilot ruft mir vom Führersitz aus zu:

„Schade, daß wir so schlechtes Wetter haben!" Schlechtes Wetter? denke ich, wieso, ich finde es sehr schön! Aber ich hatte mich wohl auf ein stürmisches Schaukeln gefaßt gemacht, und bin jetzt von der leichten Bewegung angenehm enttäuscht. „Wir fliegen jetzt über die Kalahari" berichtet der Pilot. Flugberichte aus Deutschland erzählen von grünen Wäldern, den blauen Bändern der Flüsse und den Spiegeln der Seen, von bebauten Äckern, die wie Schachbretter wirken, und Ortschaften in Gärten. Hier ist nichts davon, aber in zarten grauen und gelblichen Tönen streckt sich die Weite unter uns, jetzt in der Mittagsglut zwar etwas eintönig, aber Morgens und Abends in wundervollen weichen Farben. Ich verstehe jetzt, daß. man Südwest lieben muß, auch wenn man zuerst nicht will.

Gegen halb vier Uhr kommen wir wieder an die Bahnlinie, und bald sehe ich, mitten im Sand, wo kein Baum und kein Strauch ist, kleine Häuser aufgebaut: Mariental! Nur im Westen zieht sich der Laubsaum des Fischflusses hin. Wir landen schon nach ein paar Minuten, die Post wird abgegeben, und dann geht's weiter. Gleich hinter Mariental fängt der Kalkrand an, ein merkwürdiges Plateau, das in einer großen Stufe nach Westen abfällt und das sich fast bis nach Keetmanshoop hinzieht. Vorgelagert sind einzelne Kegel und Kraterformationen; für Geologen sicher sehr interessant. Von oben siehfs aus, als ob man die Stufe mit einem Schritt hinuntersteigen könnte; als wir auf dem Rückflug dort tiefer fliegen, bekomme ich erst den richtigen Begriff von ihrer Höhe.

Gegen 6 Uhr taucht Keetmanshoop, unser Ziel für heute, auf. Die Sonne steht nun tief und die langen Schatten belegen die Landschaft. Merkwürdig sind die schwarzen Berge, die wie Maulwurfshügel aussehen. In Keetmanshoop werden wir vom Agenten der South West African Airways im Auto abgeholt. Ich werde gleich ins Hotel gefahren, während Pilot und Bordwart noch beim Tanken draußen bleiben und die Maschine für die Nacht versorgen. Sie bekommt eine Segeltuchkappe über den Motor und wird an Ankern festgemacht; so kann sie ruhig draußen bleiben, denn Flugzeughallen gibt es nur auf den ganz großen Landeplätzen. Ich habe mich unterdessen im Hotel zurechtgemacht und fühle mich herrlich wohl, nur die Ohren sausen und klingen ein bißchen. Wir machen dann einen kleinen Spaziergang in der Abendluft und gehen nach dem Essen früh schlafen, denn morgen soll es bei Hellwerden schon weitergehen.

Um 5 Uhr schnurrt am andern Morgen mein Wecker, aber ich bin schon wach und ganz frisch und munter. Schnell angezogen, die Sachen zusammengepackt, schon höre ich Herrn v. H. mit seinem Auto in den Hof fahren. Die freundliche Köchin hat schon Kaffee bereit. Wir fahren auf den Flugplatz. Die Maschine wird startbereit gemacht, rasch springt der Propeller an und der Motorlärm zerreißt die schöne morgendliche Stille. Wir klettern unterdessen in das Flugzeug und dann geht's in die Morgendämmerung hinaus. Unmerklich für mich sind wir plötzlich schon über dem Boden und ziehen über Keetmanshoop hin weiter nach Süden.


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