Weihnachten im Sommer. Zur Konstruktion deutscher Identität in Namibia

Das ethnische Selbstverständnis deutscher Namibier wird am Beispiel des Weihnachtsfestes erörtert
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Untertitel: Zur Konstruktion deutscher Identität in Namibia
Autor: Brigitta Schmidt-Lauber
Herausgeber:
Reihe: BAB Arbeitspapiere No. 7
Verlag: Basler Afrika Bibliographien
Basel, 1998
Blattsammlung, DIN A4, 15 Seiten


Aus dem Text:

Das ethnische Selbstverständnis deutscher Namibier - also einer Minderheit in der ehemaligen deutschen Kolonie Südwestafrika - soll hier an einem Beispiel erörtert werden: Es geht um Weihnachten, also darum, wie deutsche Namibier das "Fest der Feste" feiern. Nur so viel vorweg:

Deutsche Namibier bilden eine privilegierte Minorität von nicht einmal 20.000 Personen. Sie sind Nachfahren kolonialer Siedler oder später aus Deutschland zugewanderte Migranten. Deutsche Namibier sehen "Südwest", wie das Land auch genannt wird, als ihre Heimat und legen zugleich Wert darauf, sich als Deutsche zu definieren. Gegenwärtig ist in Namibia die heißeste Jahreszeit angebrochen.

Deutsche Namibier verbringen Weihnachten in brütender Hitze. Aber dennoch erzählen sie Geschichten von einer "weißen Weihnacht" und schmücken dabei ihren Weihnachtsbaum mit Sternen. Sie zünden am Heiligabend in ihren Wohnzimmern Kerzen an und wünschen zugleich, ein Regenschauer möge wenigstens für etwas Abkühlung sorgen.

Die Praktiken deutscher Namibier wirken auf den ersten Blick wie eine unpassende Verlegung des uns bekannten winterlichen Weihnachtsfestes in die südliche Hemisphäre. "Weihnachten im Sommer" - es klingt paradox. Aber ist es wirklich paradox, was deutsche Namibier tun? Welche Bedeutung hat Weihnachten für sie?

Diesen Fragen möchte ich im folgenden nachgehen und dabei im Laufe meiner Ausführungen das für uns befremdende Bild einer "Weihnacht im Hochsommer" erhellen. Meine Argumentation zielt darauf ab, daß das Weihnachtsritual zur Konstruktion der ethnischen Identität deutscher Namibier beiträgt. Ich möchte zeigen, wie es hierzu beiträgt. In drei Schritten will ich dies verdeutlichen:

Als erstes werde ich mein Verständnis von ethnischer Identität bzw. Ethnizität erläutern. Danach beschreibe ich die Gestaltung des Weihnachtsfestes deutscher Namibier. In einem dritten Schritt werde ich meine Interpretation vorstellen und nacheinander verschiedene Bedeutungsebenen des Weihnachtsrituals aufzeigen.

1. Kulturwissenschaftlicher Zugang zu ethnischer Identität

1988 und 1994 führten mich Fragen zum ethnischen Selbstverständnis deutscher Namibier nach Namibia. Meine Wahl traf damit eine Gruppe, die sowohl einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor in Namibia darstellt als auch über ein ausgeprägtes Bewußtsein ihrer Besonderheit verfügt. Vor Ort stellte ich mich meinen Informanten als Ethnologin aus der Bundesrepublik vor. Ihre Reaktionen waren vielsagend:

"Für Ethnologen ist Namibia wirklich äußerst spannend", hieß es, oder: "Wie Sie wissen, sind in Südwest alle Entwicklungsstufen vertreten." Verwies mich der eine auf die "stolzen, kriegerischen Herero", berichtete die andere über die "gebildeten, ackerbautreibenden Ovambo", so belehrte ein dritter liebevoll über "unser letztes Naturvolk aus der Steinzeit, die Buschmänner".

Dieser völkerkundlich geprägte Blick auf die sogenannten "Stämme" des Landes begegnete mir immer wieder im Gespräch mit deutschen Namibiern. Daß weiße, zumal deutsche Namibier die Aufmerksamkeit einer Ethnologin auf sich ziehen, erschien vielen suspekt. [...]

 

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