Grundbesitz, Landkonflikte und kolonialer Wandel

Douala 1880 bis 1960
Eckert, Andreas
50203
In stock
new
€73.00 *

Untertitel: Douala 1880 bis 1960
Autor: Andreas Eckert
Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Band 70
Franz Steiner Verlag
Stuttgart, 1999
Broschur, 17x24 cm, 503 Seiten


Vorstellung des Verlages:

In diesem Buch wird am Beispiel der Kameruner Küstenmetropole Douala erstmals detailliert der Zusammenhang zwischen Grundbesitz, Urbanisierung und Kolonialherrschaft in Afrika untersucht. Fragen nach Bodenrecht, Grundbesitz und Landkonflikten öffnen hier ein Fenster für ein besseres Verständnis ökonomischer, sozialer und kultureller Transformationen in einer urbanen westafrikanischen Gesellschaft zwischen 1880 und 1960.

Das Beispiel der sich wandelnden Bedeutung von Grundbesitz in Douala zeigt insgesamt deutlich auf, aus welchen Gründen und auf welche Weise bestimmte Personen und Gruppen die Auseinandersetzungen um Ressourcen, Macht und Autorität in der Kolonialzeit gewannen. So wird ein Einblick in die konkreten Veränderungen möglich, welche die Kolonialherrschaft initiieren konnte.


Aus der Einleitung das Autors:

Die Wichtigkeit von Fragen des Zugangs zu Land und des Landbesitzes für die Entwicklung im kolonialen Afrika wurde bereits von europäischen Zeitgenossen betont. ] Rights over land are more jealously treasured than any other form of rights It would be impossible to exaggerate the importance of the subject of land tenure in the colonies", schrieb der Kolonialbeamte und Regierungsanthropologe Charles K. Meek 1946, die Beispiele Nigeria und Britisch-Kamerun vor Augen.' Themen dieser Untersuchung sind die sich wandelnde Bedeutung von Bodenrecht und Grundbesitz sowie Hintergründe, Verlauf und Konsequenzen von Landkonflikten in einer kolonialen Stadt, Douala, in den Jahren von etwa 1880 bis 1960.

Es geht in dieser Studie vorrangig nicht darum, einen rechtsgeschichtlichen Abriß der Landfrage in einer afrikanischen Großstadt während der Kolonialzeit zu leisten, noch die vielfältigen Hintergründe der Landpolltik der Kolonialherren beispielhaft aufzuzeigen. Ziel ist vielmehr, Auseinandersetzungen um Ressourcen, Macht und Autorität zu analysieren und so einen Einblick in die konkreten Veränderungen zu geben, die Kolonialherrschaft initiieren oder beeinflussen konnte. Damit ist ein "klassisches" Thema angesprochen, zu dem durch die Fokussierung auf die Landfrage neue Einsichten vermittelt werden sollen: Welche Transformationsprozesse hat die Kolonialperiode für bestimmte Regionen und Gesellschaften in Gang gesetzt?
Welche Einflüsse auf die soziale Struktur, die ökonomische Organisation und die gesellschaftliche Ordnung sind durch die Bedingungen der Fremdherrschaft auszumachen? Trotz des vermeintlich engen thematischen und geographischen Fokus möchte diese Studie somit auch dazu beitragen, einige Probleme und Angebote der Geschichtsschreibung zu Afrika der Mehrheit des Faches verständlich zu machen.

Fragen des Grundbesitzes und der Konflikte um den Zugang zu Land bieten sich für ein solches Vorhaben an, läßt sich anhand dieser Aspekte doch eine Vielzahl von zentralen Ebenen sowohl des Kolonialismus als auch der Veränderungsprozesse in afrikanischen Gesellschaften untersuchen. Die wichtigsten Ebenen werden im folgenden kurz dargestellt, wobei die hier vorgenommene Trennung künstlich ist, weil selbstverständlich zahlreiche Interdependenzen zwischen den verschiedenen Bereichen bestehen.

a) Die rechtliche Ebene: Recht war ein zentrales Instrument, um europäische Interessen am wichtigen Produktionsmittel Land durchzusetzen. Die Einführung europäischer Rechtsvorstellungen bezüglich Grundbesitz und Zugang zu Grund und Boden ist in Afrika je nach Region und Zeit in unterschiedlicher Weise von Kolonisierenden und Kolonisierten aufgegriffen und genutzt worden. Ebenso wurde das sogenannte Gewohnheitsrecht an Land, das einem ständigen Wandel ausgesetzt war, von Europäern und Afrikanern stets unterschiedlich interpretiert und für die Durchsetzung spezifischer Interessen gebraucht. Die elementare Funktion von "Recht" als Vehikel für die Implementierung europäischer Dominanz und Ordnungsvorstellungen einerseits, und als Instrument der Afrikaner zur Anpassung an oder aber zum Widerstand gegen die koloniale Ordnung andererseits, wird an Beispiel der Landfrage besonders deutlich.

b) Die ökonomische Ebene: Land wurde in zahlreichen Regionen Afrikas zu einem der wichtigsten Produktionsmittel der Kolonialwirtschaft, über das sich die Europäer die Verfügungsgewalt sichern wollten. Aber auch für Afrikaner wurde der Zugang zu Land immer wichtiger, sowohl in Cash Crop-Regionen als auch in den anwachsenden städtischen Zentren. Grundstücksgeschäfte in den Städten wurden - während der Kolonialzeit insgesamt freilich noch in sehr begrenztem Ausmaß - zu einer wesentlichen Einkommensquelle einer bestimmten Gruppe von Afrikanern, wobei es diese Gruppe für unterschiedliche Regionen genau zu identifizieren gilt. Am Beispiel des Umgangs mit der in der Kolonialperiode zum Teil beträchtlich gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung von Grund und Boden kann zudem - ausschnitthaft - aufgezeigt werden, in welchem Maße und aufgrund welcher Bedingungen sich spezifische Gruppen oder Personen in die Kolonialökonomie zu integrieren und die neue wirtschaftliche Ordnung in ihrem Sinne zu nutzen vermochten.

c) Die politische Ebene: Die Landfrage erwies sich als äußerst bedeutsam für die politische Entwicklung in der Kolonialzeit und war in vielen Teilen Afrikas ein entscheidendes Moment, ein wichtiges Mobilisierungsmittel in der Politik antikolonialer Bewegungen, im ländlichen wie im städtischen Bereich. Koloniale Landgier und Landraub waren ein wesentliches Charakteristikum des Kolonialismus, besonders natürlich dort, wo unmittelbare wirtschaftliche Interessen bestanden: etwa in den Siedlerregionen in Ostafrika, in den Plantagenregionen am Kamerunberg, aber auch in den entstehenden kolonialen Metropolen, wo Land u.a. für administrative und infrastrukturelle Maßnahmen benötigt wurde. In den Städten kam in der Regel eine kulturell-rassistische Dimension hinzu: Viele Kolonialpolitiker hielten aus zumeist medizinisch verbrämten rassistischen Motiven eine Segregationspolitik, d.h. die Trennung von europäischen und afrikanischen Wohnquartieren für ratsam. Insbesondere an dieser Frage entzündeten sich häufig politische Konflikte zwischen Kolonialherren und Kolonisierten. Insgesamt war für die Landfrage eine Vielzahl von Konfliktfeldern charakteristisch, die in unterschiedlicher Intensität die politische Entwicklung in afrikanischen Regionen beeinflußten.

d) Die gesellschaftlich-kulturelle Ebene: Inwieweit schließlich bietet die Landproblematik einen zentralen Zugang zum Verständnis gesellschaftlicher und kultureller Transformationsprozesse? In Regionen, in denen Land eine wachsende ökonomische Bedeutung erhielt, läßt sich die gesellschaftliche und politische Position bestimmter Personen und Gruppen z.B. an deren Möglichkeiten ablesen, Zugang zu Land zu organisieren: Eines der klassischen Themen der afrikanischen Geschichtsschreibung dreht sich um die Frage, in welchem Ausmaß die koloniale Fremdherrschaft lokale Herrschaftsstrukturen und gesellschaftliche Hierarchien transformiert und den Aufstieg neuer Schichten ermöglicht hat. Um diese Prozesse nachzuzeichnen, kann Grundbesitz - in regional unterschiedlicher Ausprägung -ein wichtiges Kriterium sein.

Zudem können neue Formen der Landnutzung (Vermietung und Verkauf) und veränderte Wertmaßstäbe für ein Grundstück (das Terrain hatte nur mit einem Landtitel und einem Gebäude einen größeren Wert) für die Adaptation europäischer Kultur- und Rechtsnormen stellen. Diese Normen dienten bestimmten afrikanischen Gruppen als Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Angehörigen ihrer Gesellschaft oder gegenüber Zuwanderern. Auf diese Weise wird an der Landfrage die soziale Praxis von Herrschaft sichtbar. Hinzu kommt, daß Land in vielen afrikanischen Gesellschaften eine emotional-religiöse Bedeutung besaß ("Land der Ahnen"), deren Veränderung in der kolonialen Periode Rückschlüsse auf die Transformation kultureller Grundwerte ermöglichen kann.
Städte im kolonialen Afrika waren Orte, wo sich die genannten Aspekte besonders deutlich manifestierten.

Hier war die Begegnung zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten am intensivsten, hier war der Einfluß der von Europäern gesetzten Normen besonders groß. Die Untersuchungsregion, Douala, bietet vorzügliches Material für eine Studie, die den Zusammenhang von Grundbesitz, Landkonflikten sowie gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Veränderungen afrikanischer Gesellschaften in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Douala entwickelte sich in den knapp achtzig Jahren Kolonialherrschaft von einer halbländlichen Agglomeration von Dörfern zu einer veritablen Kolonialmetropole und war als Einfallstor zur Kolonie Kamerun sowie als ökonomisches und teilweise administratives Zentrum des Landes besonders stark kolonialen Wandlungsprozessen unterworfen. Ein auffälliges Charakteristikum dieser Stadt sind die vielfältigen Auseinandersetzungen um den Zugang zu Grund und Boden, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Geschichte geprägt haben.

Die Gesellschaft der Duala, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts das Gebiet der späteren Stadt Douala bewohnte, hat in der Kolonialzeit einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen. Obwohl ihre Zahl maximal 30.000 Menschen betrug, haben sie es zu einem gewissen Ruhm in der afrikanischen Geschichte gebracht, was zum einen mit ihrer lang andauernden Rolle als Middlemen, zum anderen mit ihrer führenden Position innerhalb der Elite des kolonialen Kamerun zusammenhängt. [...]