Untertitel: Vom Aussteiger zum Generalkonsul. Eine Biographie. Autor: Horst Gnettner Verlag: edition lumière Bremen, 2005 Kartoneinband mit Schutzumschlag, 23x15 cm, 198 Seiten, zahlreiche Abbildungen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte der Bremer Gerhard Rohlfs (1831-1896) zu den bedeutendsten deutschen Afrikaforschern. Die Biographie Horst Gnettners basiert auf dem Nachlaß von Rohlfs, der sich im Museum Schloß Schönebeck befindet und die Korrespondenz des Forschungsreisenden mit rund 4.500 Schreiben enthält. Die Quellen ermöglichen manche Korrektur zu Rohlfs Leben und Werk. Ein Abbildungsteil ergänzt die Biographie. Horst Gnettner (1926-2003) erhielt im Jahre 2003 für seine Arbeit posthum den Bremer Preis für Heimatforschung.
Im Namen des Vorstand der Wittheit zu Bremen, Prof. Dr. Hans Kloft Personen und Themen besitzen ihre Konjunkturen. Was heute im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht und in den Medien präsent ist, kann in den nächsten Tagen bereits obsolet sein und im Wandel der Zeiten, der Interessen und der Wertungen mehr oder weniger rasch vergessen werden. Vergessen und Erinnern - auf beides ist eine humane Gesellschaft angewiesen, die Tradition und Innovation, Altes und Neues sinnvoll miteinander verbinden will. Gerhard Rohlfs ist für diesen Sachverhalt ein beredtes Beispiel. Als er 1896 im Alter von 65 Jahren starb, war er nicht nur in Deutschland ein bekannter und bewunderter Mann. Abenteuerliche Reisen in Afrika hatten sein Ansehen als Afrikaforscher begründet, das er über Bücher, Aufsätze und Zeitungsberichte beim deutschen Bildungsbürgertum zu verbreiten verstand. Eine weit gespannte Korrespondenz mit Politikern, berühmten Wissenschaftlern und Schriftstellern seiner Zeit unterstreicht seine Rolle als bedeutende und in gewissem Sinne auch einflußreiche Persönlichkeit. Aber er trat auch in voller Überzeugung für das Eingreifen und die Besitznahme europäischer Mächte in Afrika ein, ein offen propagiertes koloniales und imperiales Interesse, das im Deutschen Reich, vor allem in der Ära nach Bismarck, immer mehr Anhänger fand. Jeder Kenner der Materie weiß, daß in der Hanse- und Handelsstadt Bremen der koloniale Gedanke über Jahrzehnte hinweg einen fruchtbaren Nährboden fand und daß Gerhard Rohlfs gerade in der Zeit des Nationalsozialismus als „Wegweiser für unsere koloniale Bewegung“ (so Herbert Abel) in Anspruch genommen wurde. Die politischen Verhältnisse und die Bewertungen haben sich, wie oben angedeutet, mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen gründlich gewandelt, und dieser Wandel tangiert natürlich auch das Bild des Bremer Afrikaforschers Gerhard Rohlfs. Ihm gerecht zu werden, ist alles andere als eine einfache Aufgabe. Horst Gnettner, langjähriger Leiter des Vegesacker Heimatmuseums und intimer Kenner des dortigen Gerhard Rohlfs-Archivs, das den noch greifbaren Nachlaß beherbergt, hat sich lange Jahre mit der Person und ihrer Problematik beschäftigt, diverse Publikationen vorgelegt sowie in dieser Biographie seine Kenntnisse zusammengefaßt und einen Deutungsversuch vorgelegt, der Respekt und Anerkennung verdient. Gnettner war sich bewußt, daß sein Ergebnis nur vorläufig sein konnte; die meistens Stücke der breit gespannten Korrespondenz sind noch nicht ausgewertet und harren der historischen Bearbeitung, ebenso wie diverse Archivalien in der Berliner Staatsbibliothek und im Perthes-Archiv zu Gotha. Trotzdem hatte sich der Autor darangemacht, den Istzustand zu dokumentieren, und das war gut so. Anfang Januar 2003, noch bevor er sein Werk für den Druck fertigstellen konnte, ist Gnettner verstorben. Fertiggestellt haben dann das Manuskript sein Sohn Reinhard Gnettner und Mechthild Reinhardt, nicht zuletzt der Verleger Holger Böning, für deren Ergänzungen und Korrekturen herzlich zu danken ist. Ohne die Zusage von Böning, die Biographie in seinem Verlag „edition lumiere“ erscheinen zu lassen, wäre die letzte Publikation von Gnettner nicht zur Hand gewesen. So gebührt auch dem Verleger ein zusätzlicher Dank. Die Arbeit von Horst Gnettner ist 2003 mit dem Bremer Preis für Heimatforschung bedacht worden, den die Wittheit zu Bremen und mehrere ihr angeschlossene Vereine jährlich vergeben. Heimat umschreibt im Verständnis der Träger ein weit gespanntes Feld, das auf allen Gebieten nicht nur eine positive, sondern eben auch eine kritische Bestandsaufnahme zuläßt. Interesse für den Ort und die Region zu dokumentieren, um sich mit dem Raum, in dem man zu Hause ist, identifizieren zu können - das ist alles andere als eine eindimensionale und einfache Angelegenheit, wie unsere jüngste deutsche Geschichte zeigt. Aber die notwendige Erinnerung muß über alle zugestandenen Irrtümer hinweg auch auf Traditionsbestände verweisen, die wertvoll und vorzeigbar sind. Das gilt in besonderem Maße für das Lebenswerk des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs. Horst Gnettner hat ihm verständliche Konturen verliehen. Und so erinnert dieses Buch nicht nur an eine große, verehrte und doch auch umstrittene Persönlichkeit, welche die Hansestadt zu den Ihrigen zählt, sondern auch an einen liebenswerten und tüchtigen Regionalforscher. Herausgeber, Verlag und Wittheit zu Bremen wünschen dem Buch eine große und verständige Leserschaft.
In der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts zählte Gerhard Rohlfs (1831-1896) neben Georg Schweinfurth (1836-1925) und Gustav Nachtigal (1834-1885) zu den bedeutendsten deutschen Afrikaforschern. Über Rohlfs’ Leben als Reisender sind wir durch seine Bücher gut informiert. Darüber hinaus hat er durch ungezählte Beiträge in Fachzeitschriften, Zeitschriften und Zeitungen immer wieder von sich reden gemacht. Zwar regte ihn seine Frau zu einer Autobiographie an, aber über einen Anfang, in dem er seine Kindheit in Vegesack bei Bremen anschaulich schildert, kam er nicht hinaus. Leider brach er dort ab, wo er in seinem Leben begann, nicht alltägliche Wege einzuschlagen und als Fünfzehnjähriger von der Schule ausriß, um auf See zu gehen. Ab da bis zu seinem ersten Aufenthalt in Marokko (1861-1863) finden wir Nachrichten von ihm selbst lediglich in Meyers Konversationslexikon von 1878, denn er war Mitarbeiter an diesem Werk und zuständig für die Biographien der damals lebenden Forschungsreisenden. So schreibt er über sich: „[...] besuchte das Gymnasium in Bremen, kämpfte 1849 in Schleswig-Holstein, wurde nach der Schlacht von Idstedt zum Offizier ernannt, studierte dann in Heidelberg, Würzburg und Göttingen Medizin, trat 1855 als Arzt in die Fremdenlegion und wohnte der Eroberung der großen Kabyliebis l861 bei.“ Wie die Zuverlässigkeit dieser Angaben bewertet wurde, geht aus einem Schreiben des Auswärtigen Amtes in Berlin vom 24. Mai 1885 hervor, in dem es heißt: „[...] über sein Leben vor dem Jahre 1863, dem Beginn seiner ersten großen Forschungsreise in Afrika, läßt sich aktenmäßig nichts feststellen. Die bezüglichen Angaben der Konversationslexika dürften auf Genauigkeit und Glaubwürdigkeit wenig Anspruch haben, vielleicht auch von ihm selbst herrühren.“ Erst nach dem Tode Rohlfs’ finden sich in Nachrufen, die seine Verdienste als Afrikareisender würdigen, auch Nachrichten über den oben angeführten Zeitabschnitt. Im Wesentlichen beziehen sie sich alle auf den Nachruf, der von Georg Schweinfurth, dem engsten Freunde von Rohlfs, 1896 für die Vossische Zeitung geschrieben wurde. (Sonntagsbeilagen Nr. 24, 25) Aber auch von diesem muß man sagen, daß seine „Genauigkeit und Glaubwürdigkeit“ zu wünschen übrig lassen. Sogar Rohlfs’ Geburtsjahr gibt er falsch an. Zu einer genaueren und umfassenderen Lebensbeschreibung von Rohlfs kam es erst durch Ewald Banse, Professor an der Technischen Hochschule Braunschweig. Schon als Primaner war für ihn Rohlfs „das Ideal eines Forschungsreisenden“, und er beabsichtigte, über diesen eine Biographie herauszugeben. Er wandte sich daher 1909 an Rohlfs’ Witwe, Lony, mit der Bitte um Bereitstellung von Material für eine solche Arbeit - erhielt aber eine abschlägige Antwort.4 Jedoch bewirkte Banses Brief, daß ein Neffe von Lony, Dr. Konrad Guenther, Privatdozent in Freiburg, sich dieser Aufgabe annahm und schließlich 1912 das Buch „Gerhard Rohlfs, Lebensbild eines Afrikaforschers“ herausbrachte.5 Dieses Buch wurde zu dem Werk, auf das sich alle späteren biographischen Nachrichten über Rohlfs beziehen. Guenther gibt in ihm jedoch keine Quellen für seine Schilderungen an. Er widmete das Buch seiner „lieben Tante und treuen Mitarbeiterin.“6 Die Mithilfe Lonys bei der Abfassung der Biographie war für Guenther, der Rohlfs noch selbst erlebt hatte, von großem Wert. Denn sie konnte aus dem Zusammensein mit ihrem Mann Begebenheiten beisteuern, die sonst nirgends festgehalten worden waren und die dadurch der Biographie eine ganz persönliche Note verleihen. Darüber hinaus hatte Guenther auch Zugang zu der umfangreichen Korrespondenz, die Rohlfs geführt und weitgehend aufbewahrt hatte und aus der Guenther nun schöpfen konnte. Einen Nachteil jedoch hatte die verwandtschaftliche Beziehung: Guenther ließ Ereignisse, die ein negatives Licht auf Rohlfs hätten werfen können, entweder weg oder er schönte sie. Ganz deutlich wird dies, wenn er über Rohlfs’ Zeit als Soldat im österreichischen Heer oder in der Fremdenlegion berichtet. Und noch etwas anderes schmälert den Wert der Guenther’schen Biographie. In der Zeit, in der er das Buch schrieb, waren völkisch-nationale und koloniale Bestrebungen in Deutschland weit verbreitet. Auch Guenther hing ihnen an, und demzufolge schildert er auch seinen Onkel in diesem Sinne - wobei festzustellen ist, daß auch Rohlfs selbst durchaus national gesinnt war und sich vehement für den Erwerb von Kolonien einsetzte. Da - wie schon angeführt - Guenthers Biographie die Grundlage für alle späteren Veröffentlichungen über Rohlfs bildete, wurden auch deren Fehler und tendenziösen Äußerungen unkritisch übernommen. Mit vorliegender Arbeit werden manche bisherige Aussagen über Rohlfs auf Grundlage der Quellen korrigiert und Lücken in seinem Lebensbild geschlossen. Im Wesentlichen aber werden in ihr Aspekte aus Rohlfs’ Leben aufgezeigt, die in seinen eigenen Veröffentlichungen ebenso wie bei Guenther fehlen oder nur gestreift werden. Die Möglichkeit, diese Biographie zu schreiben, ergab sich hauptsächlich durch den Nachlaß von Rohlfs, der sich im Museum Schloß Schönebeck befindet. Er enthält unter anderem die schon erwähnte Korrespondenz mit etwa 4.500 Schreiben. Zu dem Zeitpunkt, da sie Guenther für sein Werk zur Verfügung stand, dürfte sie noch wesentlich umfangreicher gewesen sein. So fehlen nachweislich die vielen Briefe von Rohlfs an seine Frau7, und von ihr gibt es lediglich ein Schreiben an ihren Mann. Die weiteren privaten Briefe wurden nach dem Tode Lonys 1917 auf deren Wunsch von dem Testamentsvollstrecker Alfred Guenther verbrannt.8 Daß trotzdem so viele Briefe erhalten blieben und in den Besitz des Museums gelangten, ist dem Afrikaforscher Georg Schweinfurth zu verdanken. Schweinfurth war ein Onkel von Lony. Mit ihr und ihrem Mann verband ihn eine enge Freundschaft, und er stand, nachdem Gerhard Rohlfs gestorben war, seiner Nichte mit Ratschlägen zur Seite. So schrieb er am 6. August 1896, zwei Monate nach Rohlfs’ Tod: „Ich rate Dir, die vollständige Korrespondenz Gerhards nach Vegesack zu geben, da man so etwas dort am ehesten suchen wird, und zwar alles, auch das Familien-Betreffende. Denn erst nach hundert und hunderten von Jahren gewinnt so etwas Interesse, und was kommt es alsdann darauf an auf unsere kleinen und kleinlichen Geheimnisse. Ich habe alle Gerhard’schen Briefe beisammen, und Du sollst sie haben.“ Im Titel dieser Arbeit wird Rohlfs als Bremer bezeichnet. Man könnte dem entgegenhalten, daß er zwar in Bremen-Vegesack geboren, dort längere Zeit aber nur als Kind lebte und sich sonst nur vorübergehend in Bremen aufhielt - er also gar kein Bremer war. Seine lange Abwesenheit von Bremen vermochte jedoch nicht das Band, das ihn mit seiner Vaterstadt verband, zu zerreißen. Ihr fühlte er sich bis an sein Lebensende verbunden, in ihr hielt er drei Vorträge zu Gunsten von Waisenkindern, ihr vermachte er ein Legat von 10.000 Mark, das nach dem Tode seiner Frau in Kraft trat. Aus den Zinsen dieses Legats sollten jährlich die besten Volksschüler, je ein Junge und ein Mädchen, eine Anerkennung von 50 Mark erhalten und eine Bücherei finanziert werden. Schließlich verfügte er, daß sein wertvoller wissenschaftlicher Nachlaß nach Vegesack kam, und endlich bestimmte er auch den neuen Friedhof in Vegesack zu seiner und seiner Frau letzten Ruhestätte.10 Dies alles spricht dafür, Rohlfs nicht nur von seinem Geburtsort her, sondern auf Grund seiner Einstellung zu seiner Heimatstadt als „guten Bremer“ zu bezeichnen. […]
1 Konrad Guenther, Gerhard Rohlfs, Lebensbild eines Afrikaforschers, Freiburg i. Br., 1912, S. 4 ff. 2 Rohlfs-Archiv, Museum Schloß Schönebeck, Im Dorfe 3-5, 28757 Bremen, 10.36a. 3 Rohlfs-Archiv S-098 4 Rohlfs-Archiv: Brief vom 20.2.1933. 5 Konrad Guenther, Gerhard Rohlfs, Lebensbild eines Afrikaforschers, Freiburg i. Br. 1912. Siehe auch Rohlfs-Archiv 31.236. 6 Ebenda. 7 Nach dem Tode Rohlfs’ stellte dessen Frau der „Neuen Deutschen Rundschau“ Briefe ihres Mannes, die er von seinen Reisen geschrieben hatte, zur Verfügung. Sie wurden ab 1889 auszugsweise in der „Rundschau“ veröffentlicht. - Die Originale fehlen. 8 Rohlfs-Archiv, Dr. Beiger an Ruete, 20.6.1937 9 Rohlfs-Archiv. 10 Abbildung 16 und Rohlfs-Archiv Testament.
Vorwort von Hans Kloft Einleitung
Kindheit – bis zum Eintritt in die Fremdenlegion Kindheit und Schule Soldat in Bremen und Schleswig-Holstein Student Soldat in Österreich Soldat in der Fremdenlegion
Reisen 1–5 1. Reise: Erster Aufenthalt in Marokko 2. Reise: Zweite Reise durch Marokko 3. Reise: Quer durch Afrika 4. Reise: Mit der englischen Strafexpedition nach Abessinien 5. Reise: Von Tripolis nach Alexandria
Rück- und Ausblick I
Reisen 6-9 6. Reise: „Kriegseinsatz“ in Tunesien 7. Reise: Drei Monate in der Libyschen Wüste 8. Reise: Als erster Europäer in Kufra 9. Reise: Im Auftrage des deutschen Kaisers nach Abessinien Rück- und Ausblick II
Reise 10 10. Reise: Generalkonsul in Sansibar
Rück- und Ausblick III
Villa MEINHEIM Anhang Karte mit den Reisen von Rohlfs in Afrika Zeugnis Sinnsprüche Auszeichnungen und Ehrungen Titel Diplom zur Verleihung des Dr. h. c. Orden Medaillen Ehrenmitgliedschaften Selbständige Werke Literaturverzeichnis Abbildungen |